Donnerstag, 1. März 1917
Ein törichtes Gerücht ist zurzeit in Bonn verbreitet, die Bezugsscheine sollten schon in wenigen Tagen 1,50 Mark das Stück kosten. Weil viele Leute jedes, auch das unsinnigste Gerede glauben, werden auf dem Bekleidungsamt jetzt massenhaft Bezugsscheine verlangt für Sachen, die von den betreffenden Familien noch längst nicht gebraucht werden. Selbstverständlich werden die Bezugsscheine auch in Zukunft ohne Bezahlung ausgegeben.
Zu den Erörterungen über den späteren Schulbeginn wird uns von einer Mutter geschrieben: Gewiß ist in diesen bewegten Zeiten für das körperliche und geistige Wohlbefinden unserer Jugend ein gesunder, ausgiebiger Schlaf ganz besonders zuträglich. Sorgen wir deshalb dafür, daß unsere Kinder abends eine Stunde früher zu Bett gehen. Durch eine am Abendschlaf zugesetzte Stunde werden sie mehr Erholung finden als durch längeres Schlafen in den nun bald hellen Morgen. Auch geht dem ganzen Hausbetrieb, der sich doch in vielen Häusern nach der Schulordnung regelt, viel Zeit und Kraft verloren, die morgens in der Regel mehr ausgenutzt wird als abends.
Neue Bekanntmachungen. Am heutigen 1. März treten folgende neue Bekanntmachungen in Kraft: Eine kurze Nachtragsbekanntmachung über Höchstpreise für Baumwollspinnstoffe, eine Bekanntmachung über Beschlagnahme, Enteignung und Einziehung von Bronzeglocken, eine Bekanntmachung über Bestandserhebung und Beschlagnahme von Korkholz, Korkabfällen und den daraus hergestellten Halb- und Fertigerzeugnissen, eine Nachtragsbekanntmachung zu der Bekanntmachung über Bestandserhebung von pflanzlichen und tierischen Spinnstoffen (Wolle, Baumwolle, Flachs, Hanf. Jute, Seide) und eine Bekanntmachung über Beschlagnahme, Enteignung und Einziehung von aus Aluminium bestehenden Gebrauchsgegenständen und im Gärgewerbe üblichen Kellereigeräten. Ferner erläßt die Reichsbekleidungsstelle eine Bekanntmachung über eine Bestandserhebung von Schuhwaren, um einen Ueberblick über die in Deutschland vorhandenen Bestände zu erhalten. Nicht zu melden sind hauptsächlich Schuhwaren, die sich in Gebrauch befinden oder die in Haushaltungen liegen. Stichtag ist der 12. März.
Die Bekanntmachung über Beschlagnahmen, Einziehung und Enteignung von Bronzeglocken sieht, um den Bedürfnissen des Gottesdienstes gerecht zu werden, vor, daß vorerst je eine Glocke im Geläut erhalten bleiben soll. Auf kunstgewerblichen und kunstgeschichtlichen Wert, der durch besonders namhaft gemachte Sachverständige festzustellen ist oder unmittelbar durch die Aufsichtsbehörde anerkannt wird, wird die erforderliche Rücksicht genommen werden.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Im Metropol-Theater zeigt man augenblicklich neben dem üblichen großen Detektiv-Film – der diesmal wirklich spannend ist und manches noch nicht Gesehene bringt – schöne Flugzeug- und Zeppelinaufnahmen vom Gordon-Bennettrennen der Lüfte und eine gute Naturaufnahme: Hirschjagd. In dem Lustspiel „In der Nacht! In der Nacht!“ hatten wir die Freude, einen alten Bekannten vom Bonner Stadttheater, der seinerzeit von hier aus nach Koburg-Gotha ging, wieder zu begegnen: Alexander Adolfi, der einen übermütigen Assessor sehr gut vertrat.
Ueber Deutschlands finanzielle Kraft sprach am Dienstag in Berlin vor der Vereinigung für staatsbürgerliche Bildung und Erziehung der Bonner Universitätsprofessor Herrmann Schumacher. Er betonte, der dauernde Riesenerfolg und das Geheimnis unserer Anleihen liege in unserer Kriegswirtschaft, in unserer deutschen Arbeit, in der Selbstversorgung. Solange wir unseren eigenen Bedarf mit eigener Arbeit deckten, würden wir an Geld nicht Mangel haben. Die Entwertung unseres Markkurses werde mit der Zeit verschwinden, sie greife nicht in die Grundlagen unseres Daseins. Die Entwertung des englischen Wechselkurses aber werde sich, je länger der Krieg dauere, umso stärker zum weltgeschichtlichen Ereignis entwickeln, das den Krieg überdauert, denn England sei ein Rentnerstaat und sein Dasein beruhe auf Kapital und Arbeit. Heute sehe es so aus, als ob das deutsche Volk England nicht nur an Schaffenskraft, sondern auch an Kapitalkraft übertreffen solle. Und das mache England besorgter als die militärischen Ereignisse. Die Zeit, auf deren Hilfe England zu Beginn des Krieges zuversichtlich zählte, habe seit Monaten begonnen, England verhängnisvoll zu werden. Ihre Sichel treffe nach den Worten Lloyd Georges jetzt nach beiden Seiten.
Zur Vermehrung des Kartoffelanbaus. Nach zahlreichen Nachrichten besteht auf dem Lande die Neigung, anstelle der Kartoffel in vermehrtem Maße Futterrüben oder Kohlrüben anzubauen, welche letztere Früchte bei den diesjährigen Preisen und der diesjährigen schlechten Kartoffelernte erheblich höhere Einnahmen gebracht haben. Auch vor dieser Maßregel ist eindringlich zu warnen. Die in nächster Zeit bekannt zu gebenden Preise der Kartoffel und der als Ersatz in Frage kommenden Feldfrüchte werden so bemessen sein, daß ein Missverhältnis zwischen den Preisen der Kartoffeln und denen der Ersatzfrüchte nicht wieder eintritt. Den Kartoffelanbau so weit wie möglich, mindestens im bisherigen Umfange aufrecht zu erhalten, muß jeder Landwirt als seine vaterländische Pflicht ansehen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Eifelverein. Die für kommenden Sonntag vorgesehene Wanderung in das Braunkohlengebiet am Vorgebirge ist wegen der jetzigen ungünstigen Wegeverhältnisse auf einen späteren Sonntag, der noch bekannt gemacht werden wird, verschoben worden.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)