Mittwoch, 21. Februar 1917
Die städtische Milchwirtschaft, die wir schon mehrfach erwähnt haben, ist auf dem Gehöft des Fuhrparks an der Ellerstraße untergebracht, und zwar in einem früheren Schuppen, der für diesen Zweck etwas umgebaut worden ist. Zurzeit sind 46 Kühe vorhanden, von denen 39 täglich im Durchschnitt je elf Liter Milch geben. Der Milchertrag hat sich bisher von Tag zu Tag gesteigert; während in den ersten Februartagen von 28 Kühen erst 69 Liter Milch erzielt werden konnten, wurden vorgestern schon 410 Liter erreicht, und in 14 Tagen, wenn alle Tiere frisch melkend sind, werden sicher 600 Liter zum Verkauf und außerdem die zur Ernährung der jungen Kälber nötigen Mengen erzeugt werden. Die Milch wird nach der Weisung des Lebensmittelamts an diejenigen Händler abgegeben, die sonst ihre versorgungsberechtigten Kunden nicht befriedigen könnten. Wie sachgemäße Pflege auf die Milcherzeugung einwirkt, zeigt ein Tier, das vor wenigen Tagen von einem Landwirt, dem es auf Abmelkvertrag geliehen worden war, zurückgenommen worden ist: bei dem Landwirt gab die Kuh nur noch vier Liter im Tage, in der städtischen Anstalt liefert sie jetzt bereits die doppelte Menge. Die übrigen 45 Tiere, sämtlich ostfriesischer Rasse, haben einen Anschaffungswert von 80.000 Mark, die teuerste, ein schön gewachsenes Tier mit allen Kennzeichen seiner Rasse, kostete 2100 Mark, die billigste, die aber nicht die schlechteste ist, 1350 Mark. Mit dieser Anstalt hat die Stadt wieder eine neue Aufgabe übernommen, die ihr im Frieden vollkommen fern lag, für die sie aber glücklicherweise in Herrn Rentner und Gutsbesitzer Lüps von vornherein den geeigneten tatkräftigen und sachkundigen Leiter gefunden hat und die daher zu den besten Hoffnungen berechtigt. Herr Lüps leitet auch die städtische Schweinezucht, die jetzt in drei Stallungen 360 Tiere umfaßt, er wirkt ferner bei der Fleischverteilung auf dem Schlachthofe mit und versieht diese ganze umfangreiche und verantwortungsvolle Tätigkeit vollständig ehrenamtlich.
Der heutige Aschermittwoch beschließt die diesjährige Karnevalszeit. Wer nicht durch einen Blick auf den Kalender festgestellt hat, daß gestern Fastnacht war, wird in diesem Jahre wohl kaum an die in Friedenszeiten übliche Narretei gedacht haben. Die schwere Zeit läßt übermütige Vergnügungen von selbst nicht zu, ein ausdrückliches Verbot, das, soviel wir wissen, in Bonn auch nicht erfolgt ist, wäre nicht nötig gewesen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
1000 Mark Belohnung. Der Regierungspräsident zu Köln setzt eine Belohnung für denjenigen aus, durch dessen Tätigkeit der Verbleib des vermißten Lederhändlers Peter Franz Hilger und des Dienstmannes Michael Marx von hier klargestellt oder die Persönlichkeit des Unbekannten, der beide von hier fortgelockt hat, ermittelt wird. Bekanntlich hatte am 21. Dezember v. J. ein Fremder den Dienstmann Marx beauftragt, an Hilger einen Brief zu überbringen, in dem der Ankauf von Leder angeboten wurde. Dieselbe Person bot Marx Butter, Speck und Käse an. Hilger hatte zum Kauf des angebotenen Leders 7000 Mark mitgenommen, Marx, der zwei Tage später von hier wegfuhr, nahm etwa 75 Mark mit. Spuren der Vermißten und des Unbekannten führen in die Gegend von Grevenbroich und Neuß.
Zur Kohlenversorgung. Wie der Oberbürgermeister bekannt macht, werden bis auf weiteres gegen Vorzeigung der Lebensmittelkarte auf dem städtischen Lagerplatz an der Maxstraße Braunkohlenbriketts in Mengen bis zu 5 Zentnern zum Preise von 1.15 M. für den Zentner abgegeben. Nach einer weiteren Bekanntmachung werden in der Woche von 21. bis 27. Februar Kohlen, Koks und Briketts durch die Händler an Privathaushaltungen nur gegen Warenkarte Nr. 5 abgegeben und zwar auf jede Karte nicht mehr als ein Zentner.
186 Pfund Butter, die unter falscher Deklarierung mit der Bahn hier eingetroffen waren, wurden gestern nachmittag in einem Geschäft an der Meckenheimer Straße von der Kriminalpolizei beschlagnahmt und dem städtischen Lebensmittelamt überwiesen.
30 Zentner Kartoffeln wurden in der Nacht zum Montag in Godesberg aus einem Lager gestohlen. Der Dieb, ein 19 Jahre alter Bursche aus Godesberg, wurde festgenommen und dem hiesigen Amtsgericht zugeführt. Den größten Teil der gestohlenen Kartoffeln hatte der Dieb an verschiedene Geschäftsleute in der Rheingasse und am Rheinwerft zum Preise von 10 Mark für den Zentner verkauft. Die Kriminalpolizei beschlagnahmte dort die Kartoffeln und stellte sie dem Eigentümer wieder zur Verfügung. In seiner Freude über die Wiedererlangung der Kartoffeln erklärte sich der Eigentümer bereit, die Hälfte des gezahlten Preises von 10 Mark den Geschäftsleuten als Schmerzensgeld zurückzuerstatten.
Die Jugend verwildert. Die Kohlenferien haben auf einen Teil der Bonner Jugend einen recht ungünstigen Einfluß ausgeübt. Gestern nachmittag konnte man auf dem Kaiserplatz und im Hofgarten ganze Trupps von Jungen im Alter von 10 – 14 Jahren beobachten, die mit Stöcken und Gummischläuchen, letztere regelrecht mit einem Handgriff ausgestattet, bewaffnet, gegeneinander zu Felde zogen. Vorübergehende, die die Bürschchen zurechtweisen wollten, wurden verhöhnt. Aus dem Kreise unserer Frauenwelt wird lebhaft darüber geklagt, daß sie von schulpflichtigen Knaben belästigt würden, die, Zigaretten rauchend, die Straßen durchziehen. Hoffentlich kann der Unterricht bald wieder beginnen, damit die Bengels wieder eine feste Hand verspüren.
Der Bonner Wochenmarkt war gestern wieder verhältnismäßig gut beschickt. Etwa 35 bis 40 Verkäuferinnen, darunter auch einige vom Lande, waren erschienen. Außer Feldsalat, Karotten, Möhren, weiße Rüben, Sellerieknollen und Zwiebeln war auch wieder reichlich Gemüse wie Rosenkohl, Krauskohl, Sprutengemüse, sowie etwas Wirsing, Weißkohl und Spinat vorhanden. Die Preise sind gegenwärtig durchweg sehr hoch. [...] Der Verkauf war sehr flott, besonders in Gemüse, Möhren und Karotten. [...]
Auch der Großmarkt auf dem Stiftsplatze hatte gestern wieder ziemlich große Zufuhren in Gemüse usw. Im ganzen hatten sich wieder etwa 100 Gemüsebauern eingefunden. [...]
Der städtische Gemüse-, Obst- und Fisch-Verkauf auf dem Wochenmarkte erfreute sich gestern wieder eines sehr regen Zuspruchs. Die Nachfrage war leider größer wie das Angebot. [...]
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Verwertung von Kaffeesatz. Vieles sonst Wertlose hat erst durch den Krieg Beachtung und in vielen Fällen wertvolle Verwendung gefunden. So ist denn auch festgestellt worden, daß die Rückstände von Kaffee und besonders Kaffee-Ersatzmitteln großen Nährwert haben und zur Förderung der Futtermittelversorgung sehr dienlich sind. Aus den bisher gesammelten Mengen, die nur einen geringen Bruchteil des gesamten Kaffeeverbrauchs bilden, konnte eine vom Reichsamt des Innern damit betraute Trocknungsgesellschaft monatlich 50 bis 100 Doppelwaggons Trockenfutter herstellen. Es lohnt sich also unter den jetzigen Verhältnissen wohl Kaffeesatz zu diesem Zwecke zu sammeln, denn es ist eine Sache von großer volkswirtschaftlicher und daher vaterländischer Wichtigkeit. Jeder, auch der kleinste Haushalt kann dazu beitragen, indem der Kaffeesatz auf der Herdplatte gut getrocknet und an die unten angegebene Sammelstelle abgeliefert wird. Das Lebensmittelamt hat die Sammlung der hauswirtschaftlichen Kriegshilfe übertragen, die täglich von 10 – 12 Uhr und von 4 – 6 Uhr gut getrockneten Kaffeesatz in der Flickschusterei am Hof annimmt.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)