Dienstag, 13. Februar 1917
Aus dem städtischen Lebensmittelamt.
Eine Kohlennot – richtiger eine Kohlenbeförderungsnot, denn eine Kohlennot im eigentlichen Sinne kann es im Deutschen Reiche mit seinen ungeheuren Kohlenvorräten nicht geben – ist nun auch in Bonn vorhanden. Sie ist auf die schwierigen Beförderungsverhältnisse auf der Eisenbahn und die durch das Treibeis verursachte Stillegung der Rheinschiffahrt sowie natürlich auch durch den starken Frost entstanden. Die Stadt Bonn hat eine Anzahl Maßnahmen getroffen, um dieser Not zu begegnen. In erster Linie ist selbstverständlich dafür gesorgt worden, daß die zahlreichen Lazarette und Krankenanstalten genügend geheizt werden können, und zwar ist für diesen Zweck bis auf weiteres sämtlicher Gaskoks zur Verfügung gestellt worden, so daß an Private kein Koks mehr verkauft werden kann. Ferner werden an Kriegsunterstützte und an die ärmere Bevölkerung monatlich bis 20.000 Zentner Briketts auf Gutscheine abgegeben. Dann hat die Stadt mit Hilfe des Kriegsamtes in Düsseldorf die Ladung eines Teiles der vor dem Treibeis in den Oberwinterer Hafen geflüchteten Kohlekähne beschlagnahmt. Die Kohlen von diesen Kähnen werden, da es in Oberwinter an den geeigneten Entladevorrichtungen fehlt, auf Laufstegen an Land getragen und durch hiesige Kohlenhändler auch mit Heereskraftwagen abgefahren. Die Kohlen werden durch die mühsame Arbeit und die schwierige Beförderung natürlich etwas teurer, aber die Hauptsache ist schließlich, daß es überhaupt Kohlen gibt. Verhandlungen mit dem Braunkohlesyndikat haben dazu geführt, daß mit Rücksicht auf die gefährdete öffentliche Wohlfahrt täglich ein besonderer Zug mit 200 Tonnen Ladung auf den Köln-Bonner Kreisbahnen nach Bonn geleitet wird. Der beste Bundesgenosse im Kampf gegen die Kohlenknappheit ist das mildere Wetter; wenn es anhalten oder der Frost ganz nachlassen sollte, so wird schon in wenigen Tagen die Kohlenversorgung ganz erheblich erleichtert werden. Wie groß bei der strengen Kälte der Kohlenverbrauch ist, kann am besten bei der Aschenabfuhr beobachtet werden; der Fuhrpark kann sie kaum noch regelmäßig bewältigen.
In der Stadt laufen wieder einmal die wildesten Gerüchte um, daß eine großer Teil der städtischen Kartoffel erfroren sein solle. Diese Gerüchte entbehren jeder Grundlage und können nur auf Böswilligkeit zurückgeführt werden. Die Kartoffeln in den städtischen Kellern und Mieten sind bisher glücklicherweise vom Frost nicht im geringsten beschädigt worden. Wenn aus den Verkaufsstellen ab und zu erfrorene Kartoffeln abgegeben werden, so liegt das vielfach nur an der mangelhaften Aufbewahrung. Das Lebensmittelamt ist dankbar, wenn solche Fälle gemeldet werden. Außerdem sind die Kleinhändler verpflichtet, erfrorene Kartoffeln gegen gute umzutauschen.
Die letzte Mitteilung des Lebensmittelamtes über den Verkauf von Steckrüben ist vielfach so aufgefaßt worden, als ob es in dieser Woche nur Steckrüben und keine Kartoffeln gäbe. Davon hat in der Mitteilung nichts gestanden, es gibt also auch diese Woche drei Pfund Kartoffeln. Schwerarbeiter erhalten noch vier Pfund besonders.
Das Kriegsernährungsamt hat in einer Mitteilung in der Presse angekündigt, in der nächsten Woche sollten die Fleischmengen von 250 Gramm auf 350 Gramm erhöht und außerdem noch besondere Fleischzulagen für Schwerarbeiter gegeben werden. Das Lebensmittelamt hat amtlich von dieser Erhöhung der Fleischmengen noch keine Kenntnis, es hält es jedoch wegen der bestehenden Verkehrsschwierigkeiten für ausgeschlossen, daß die Absicht des Kriegsernährungsamtes in absehbarer Zeit verwirklicht werden kann; es ist jetzt schon schwierig, das nötige Fleisch zu bekommen, in den letzten vierzehn Tagen hat die Stadt Bonn erheblich weniger als die ihr nach dem bisherigen Verteilungssatz zustehende Menge erhalten.
Bei den Kriegsküchen ist die Zahl der Teilnehmer in der letzten Woche um fast 1000 gestiegen. Rund 6300 Einwohner beziehen diese Woche aus den städtischen Kriegsküchen ihr Mittagessen. Die am stärksten benutzte Küche ist die in der Universität, nach ihr kommen die Küchen in Poppelsdorf und die in der Maxstraße.
Es wird viel darüber geklagt daß in den städtischen Verkaufsstellen die sog. städtischen Lebensmittel nicht in genügender Weise vorhanden sind. Die Schuld liegt nicht am Lebensmittelamt. Jeder Inhaber einer Verkaufsstelle erhält so viel Waren als er verkaufen kann. Sollte die überwiesene Warenmenge trotzdem nicht ausreichen, so ist der Geschäftsmann verpflichtet, sofort die fehlende Menge nachzufordern, sie wird ihm dann geliefert.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Hartgefrorene Kartoffeln, die sonst gesund sind, die also durch plötzliche Einwirkung eines Frostes von mehr als 5 Grad Kälte (Celsius) gefroren sind, können noch zu menschlicher Nahrung verwandt werden. Sie dürfen dann aber nicht erst zum Auftauen kommen, sondern müssen im gefrorenen Zustande in kaltem Wasser gewaschen und dann mit der Schale gekocht werden. Sie schmecken dann noch vorzüglich. Sind solche Kartoffeln in größerer Menge vorhanden, so müssen sie zum Gebrauch weiter dem Frost ausgesetzt bleiben; sie dürfen nicht auftauen, da dann sofort das Verderben beginnt.
„Bonner Brot“. Unter diesem Namen hat ein hiesiger Bäckermeister in den Jahren 1915 und 1916 ein markenfreies Brot herstellen und verkaufen lassen, das außer aus Gersten-, Mais- und Tapiokamehl auch aus wertlosen Stoffen wie Spelzstreu- und Fasermehl bestand. Die Strafkammer, vor der er sich gestern zu verantworten hatte, verurteilte ihn wegen Vergehens § 10, 2 des Nahrungsmittelgesetzes zu 1200 Mark Geldstrafe und verfügte die Veröffentlichung des Urteils. Das Gericht hat, wie in der Urteilsbegründung angeführt wurde, nur deshalb von einer Freiheitsstrafe abgesehen, weil der Angeklagte eine Zeitlang als Kriegsteilnehmer im Felde gewesen ist.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Landwirte sammelt die Fruchtstände des Rohrkolbens. Ein wertvolles Baumwollersatzmittel wird aus den zylindrischen Fruchtständen des Rohrkolbens gewonnen. Es ergeht daher an Jedermann die Aufforderung, sich an der Sammlung der Kolben zu beteiligen. Der Sammler macht sich dadurch um das Gemeinwohl verdient und hilft damit die Schmerzen lindern und die Wunden unserer Krieger zu heilen.
Der Zeitpunkt des Sammelns ist augenblicklich am günstigsten, da es bei dem starken Frost möglich ist, Teiche und Sümpfe ohne Gefahr zu betreten. Die Ernte der Kolben geschieht dadurch, daß sie einige Zentimeter unterhalb des Fruchtansatzes mit einem Messer abgeschnitten werden.
Nach der Ernte müssen die Kolben gründlich austrocknen, um sie vor dem Verderben zu schützen.
Zum Versand werden die Kolben wie Zigarren in Kisten verpackt. Der überflüssige Raum wird mit zusammengefaltetem Papier ausgefüllt, um sie vor dem Auseinanderfallen zu schützen.
Die Ablieferung der Kolben erfolgt bei den von den Bürgermeistereien eingerichteten Sammelstellen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)