Dienstag, 30. Januar 1917
Kohlemangel. Der Vorsitzende des hiesigen Kriegsausschusses für Konsumenten-Interessen hat den Präsidenten der Eisenbahn-Direktion Köln, den Gouverneur der Festung Köln und den Eisenbahnminister dringende Eingaben wegen des auch in Bonn bestehenden Mangels an Kohlen und Briketts gerichtet. Die Bürgerschaft wird gebeten, den Verbrauch an Brennstoffen dadurch einzuschränken, daß – auch bei Zentralheizungen – nur die unbedingt notwendigen Räume beheizt werden. Die Kohlenhändler sollten nach Möglichkeit ihre Vorräte nur in kleinen Mengen verkaufen, damit recht weite Volkskreise auch weiterhin ihre Wohnungen heizen können. Nicht dringend genug muß aber vor dem eigennützigen Hamstern von Brennstoffen gewarnt werden. Beides, das Nichtverkaufen von Brennstoffen und das Einhamstern auf Vorrat, ist auch hier in Bonn leider beobachtet worden. Mit größter Freude und aufrichtigstem Dank muß es begrüßt werden, daß die Stadtverwaltung für die ärmere Bevölkerung und die Kriegerfamilien gesorgt hat und heute bei zehn Kohlenhändlern besondere Verkaufsstellen für Briketts gegen Gutscheine eröffnet.
Der Ausschank von Branntwein. Zur Behebung von Zweifeln wird darauf aufmerksam gemacht, daß der Ausschank von Trinkbranntwein und Spiritus an Samstagen, Sonntagen und Montagen, ferner an gesetzlichen Feiertagen und den nächsten auf sie fallenden Werktage verboten ist. An den von dem Verbot nicht betroffenen Tagen ist der Ausschank nur von 11 Uhr vormittags bis 8 Uhr abends erlaubt.
Keine Beschlagnahme der Nähgarne. Der Befürchtung, daß der Bestandserhebung demnächst eine Beschlagnahme der Nähfäden folgen werde, ist unbegründet. Die Heeresverwaltung stellt im Gegenteil bereits über Jahresfrist den Nähfadenfabriken vierteljährlich beträchtliche Mengen beschlagnahmter Garne zur Verfügung, um den laufenden Bedarf an Nähgarn zu decken. Es besteht also kein Anlaß, sich über den laufenden Bedarf hinaus mit Vorräten an Nähfäden zu versehen. Nur durch übergroße Käufe könnte künstlich eine Knappheit und eine Preissteigerung in Nähfäden herbeigeführt werden.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Nachrichten des Lebensmittelamtes der Stadt Bonn.
Eingangs der gestrigen Pressebesprechung widerlegte Beig. Piehl die in einer statistischen Uebersicht des sozialdemokratischen Volkswirts Richard Calver aufgetretene Behauptung, daß Bonn die teuerste Stadt sei.
Kartoffeln und Steckrüben.
Die Versorgungsschwierigkeiten mit Kartoffeln haben in diesem Jahre ihren Grund in der schlechten Kartoffelernte. Auch die Transportverhältnisse haben sehr ungünstig mitgewirkt. Die Kartoffelvorräte werden sich genau erst feststellen lassen, wenn die Mieten geöffnet sind und das Saatgut ausgelesen ist. Aus diesem Grunde hat sich Reichskartoffelstelle entschlossen, eine weitere Einschränkung des Kartoffelbezuges eintreten zu lassen. So werden auch in Bonn vom 5. Februar ab an die Versorgungsberechtigten nur rund drei Pfund Kartoffeln und vier Pfund Kohlrüben ausgegeben. Die Schwerst- und Schwerarbeiter erhalten eine Zulage von 4 Pfund Kohlrüben. Die Selbstversorger dürfen auch weiterhin sieben Pfund Kartoffeln und vier Pfund Kohlrüben verbrauchen. Dieser ewige Wechsel in der Kartoffelzuteilung ist gerade für das Lebensmittelamt außerordentlich unliebsam, er ist aber leider durch die Zeit bedingt. Zuerst waren es 10 Pfund Kartoffeln, dann sieben, dann fünf und jetzt drei Pfund Kartoffeln. Aber der Schwerpunkt liegt darin, daß wir bis zur Frühkartoffelernte unter allen Umständen mit den vorhandenen Vorräten haushalten können. So werden auch für die neue Ernte schon umfassende Vorkehrungen getroffen. U. a. ist auch im Bonner Bezirk jeder Besitzer oder Pächter einer Acker- oder Gartenparzelle verpflichtet, im Jahre 1917 einen entsprechenden Teil derselben mit Kartoffeln zu bepflanzen, damit er den Kartoffelbedarf für sich und seinen Haushalt als Selbstversorger decken kann. Diese Maßnahme ist notwendig geworden, damit nicht diejenigen Besitzer, wie es jetzt vielfach der Fall ist, die eine bessere Ausnutzung ihres Landes durch Gemüse erhoffen, einfach keine Kartoffeln bauen und sich von der Stadt versorgen lassen. Das soll unter allen Umständen vermieden werden. Auch in vielen Ziergärten sollten an Stelle der Blumen Kartoffeln gepflanzt werden. In Zukunft wird die Stadt derartigen Besitzern oder Pächtern keine Kartoffeln mehr liefern, höchstens nur dann, wenn nachgewiesen wird, daß die fachgemäße Bewirtschaftung der Parzelle den Bedarf nicht aufbringen könnte. Auch an das Bebauen der noch immer brachliegenden Grundstücke muß immer wieder hingewiesen werden. Kein Fußbreit Boden, der sich nur einigermaßen zur Bestellung eignet, darf in diesem Jahre unbebaut bleiben.
Der Verkauf von Steckrüben geht jetzt besser. Die Bevölkerung scheint endlich erkannt zu haben, daß die Steckrübe ein ganz ausgezeichnetes Gemüse ist. Sie ist nicht nur schmackhaft, sondern vor allen Dingen sehr nahrhaft und gesund. Wer die zugeteilten Mengen Steckrüben nicht verbraucht, dem kann nicht genug geraten werden, sich die übrigbleibende Menge für seinen Haushalt zu trocken für die Zeit, wenn weder Frischrüben noch Frischkartoffeln mehr zur Verfügung stehen sollten. Das Trocknen kann in außerordentlich einfacher Weise über dem gewöhnlichen Herd erfolgen. In den nächsten Tagen werden hierüber besondere Flugblätter verteilt und in den Zeitungen veröffentlicht werden. Auch ist eine Anweisung über das Trocknen bereits in den Kartoffelverkaufsstellen unentgeltlich verabfolgten Kochanweisungen enthalten. [...]
Milch
Die Milchzufuhr ist noch etwas geringer geworden, jedoch scheint der Tiefstand insofern bald überwunden zu sein, als durch den Zuwachs an frischmelkenden Kühen wiederum mehr Milch anfällt. Außer den 200 Kühen, die das Lebensmittelamt selbst bereits beschafft und gegen Abmelkverträge eingestellt hat, wird in den nächsten Tagen auf dem Grundstücke des städtischen Fuhrparks in der Ellerstraße eine eigene städtische Molkerei mit 50 Kühen in Betrieb gesetzt. An sich ist die Milchversorgung für die zeitigen Verhältnisse in Bonn als gut zu bezeichnen. Das hier eingeführte System, wonach der Händler seine Kundschaft selbst versorgt, hat sich durchaus bewährt. Die Arbeitslast, die dem städtischen Milchamt obliegt, ist freilich ganz gewaltig. Monatlich müssen über 30.000 Anträge mit vielen ärztlichen Bescheinigungen usw. bearbeitet werden. In erster Linie muß natürlich dafür gesorgt werden, daß die Säuglinge, die Kinder bis zum 6. Lebensjahr, die hoffenden und stillenden Frauen und die Schwerkranken versorgt werden, dann erst kommen die Kinder vom 6. bis 14. Lebensjahre und sodann andere Antragsteller. Es kann nicht genug darauf hingewiesen werden, daß diese Regelung von der Reichsstelle vorgeschrieben und die Stadt gar nicht in der Lage ist, von ihr abzuweichen. Die Landesfettstelle wird in den nächsten Tagen auch Höchstpreise für Milch festsetzen, die für besondere Bezirke einheitlich geregelt werden. Vorerst ist die Bestimmung getroffen, daß die bestehenden Milchpreise unter keinen Umständen erhöht werden dürfen, sondern im Sinne des Höchstpreisgesetztes als Höchstpreise gelten.
Kriegsküchen.
Die Zahl der Kriegsküchenteilnehmer hat sich erfreulicherweise vermehrt und ist auf 5200 angewachsen. Das ist eine erhebliche Zunahme, wenn man bedenkt, daß die Zahl der Teilnehmer Anfang Januar nur rund 3000 betrug. [...]
Noch immer werden von den Hausfrauen im
Schleichhandel
Butter, Speck, Eier, Kartoffeln zu Wucherpreisen erworben. Vielfach behaupten die Verkäufer, es handle sich um Auslandsware. Das ist nach den jetzigen Verhältnissen ganz ausgeschlossen. Es handelt sich durchweg nur um Inlandsware, die zu geradezu sträflich hohen Preisen in den Handel gebracht wird. Jede Hausfrau besinne sich doch endlich auf ihre vaterländische Pflicht und überlege, daß sie durch die Unterstützung eine derartigen Schleichhandels alle behördlich geplanten Rationierungen zuschanden macht. Erst kürzlich hat das Lebensmittelamt eine große Sendung Speck, die aus Hausschlachtungen stammte und nach Elberfeld und Wiesbaden verladen werden sollte, auf hiesigen Bahnhof beschlagnahmt. Der Versender sieht seiner Bestrafung entgegen, außerdem erhält er für die beschlagnahmte Ware auch nicht einen Pfennig bezahlt. Dabei kann noch erwähnt werdne, daß durch die neueren Bestimmungen auch die Postpaketbezüge aus den neutralen Ländern ganz wesentlich eingeschränkt sind.
Haltlose Gerüchte. Die Nachricht von der Mobilisierung einiger Schweizer Divisionen hat zu abenteuerlichsten Gerüchten Veranlassung gegeben. Diese sind teilweise so unsinnig, daß jeder Vernünftige selbst ihre Haltlosigkeit hätte erkennen können. Umso schärfer müssen solche leichtfertige Schwätzereien verurteilt werden. Denn zu irgend welcher Beunruhigung liegt nicht der mindeste Grund vor. Auch hat der Verlauf des Krieges gezeigt, daß unsere Oberste Heeresleitung allen beabsichtigten Maßnahmen unserer Feinde noch immer rechtzeitig zu begegnen gewußt hat. Den gewissenlosen Schwätzer aber, denen nicht das eigene Verantwortungsgefühl den Mund schließt, sein nachdrücklich in Erinnerung gerufen, daß die böswillige oder auch nur fahrlässige Verbreitung solcher Kriegsnachrichten unter strenge Strafe gestellt ist. (W.B.)
Der deutsche Arndt-Bund feierte am gestrigen Abend im Gartensaale der Lese den 57. Todestag des verstorbenen Freiheitshelden Ernst Moritz Arndt in schlichter, würdiger Weise. Nach einigen Gesangsvorträgen eines Chores widmete Dr. Krantz dem verstorbenen Freiheitshelden einige Worte und gedachte dann auch des Geburtstages unseres Kaisers, wobei er den Wunsch aussprach, daß es unserem geliebten Landesherrn vergönnt sein möge, in diesem Jahr einen ehrenvollen Frieden zu schließen. Er ließ seine Worte in ein Kaiserhoch ausklingen, in welches die Anwesenden begeistert einstimmten. Nach mehreren Musikvorträgen eines Quartetts unter Leistung von Professor Imelmann ergriff Geheimrat Professor Litzmann das Wort zur Festrede. Er gab ein Bild der Bestrebungen des Arndtbundes, der heute auf sein vierjähriges Bestehen zurückblicken konnte, und schilderte in von Begeisterung getragenen Worten die Bedeutung Ernst Moritz Arndts für die Sache des Vaterlandes. Er bezeichnete den verstorbenen Freiheitshelden als einen ganzen Mann, als das Vorbild männlicher Tatkraft, Lauterkeit und Tapferkeit und kam zum Schlusse auf die Friedensbestrebungen im jetzigen Kriege zu sprechen. Seine Ausführungen schloß er mit den Worten: Die tiefe Sehnsucht der ganzen Menschheit nach Frieden ist groß. Auch wir wollen den Frieden, aber den Frieden als Sieger. Das sind wir dem Blute unserer Gefallenen und den kommenden Geschlechtern schuldig. Wir wollen den Frieden Auge in Auge mit jenen schließen, gegen die wir gekämpft haben, einen Frieden im Sinne Ernst Moritz Arndts. Den aufgedrungenen Frieden eines kühl denkenden Geschäftsmannes, der die Hände zur Vermittlung bietet, müssen wir, da diese Hände mit Blut befleckt sind, welches nicht mehr abgewaschen werden kann, ablehnen. An dieser Stelle wollen wir es an dem Todestage Ernst Moritz Arndts geloben, daß wir, wenn es nötig sein sollte, bereit sind, auch das letzte Opfer fürs Vaterland zu bringen. Die Ausführungen des Redners fanden starken Beifall.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Universität. Auf das Telegramm, welches unsere Universität am Kaisersgeburtstag an Se. M. den Kaiser sandte, ist folgende Drahtantwort an Rektor und Senat eingegangen: „Meiner lieben alma mater herzlichen Dank für das erneute Gelöbnis der Treue. Wilhelm R.“
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)