Donnerstag, 18. Januar 1917

      

Ueber Geburtenrückgang und Bevölkerungsfrage sprach Dienstag Abend in der Anthropologischen Gesellschaft der Rektor unserer Universität, Herr Geheimrat Ribbert. Der Geburtenrückgang, der sich seit einigen Jahrzehnten auch in Deutschland bemerkbar gemacht hat und in letzter Zeit stärker wird, ist bisher vorwiegend in Kreisen aufgetreten, die sehr wohl eine größere Anzahl von Kindern aufziehen könnten, die ärmeren Schichten sind noch wenig beteiligt. Der Grund für den Rückgang liegt also nicht in der Not, sondern in dem Wunsche nach einem bequemen Leben. Dazu kommt die Berufstätigkeit der Frau, die sich mit einer größeren Familie nicht vereinigen läßt, die Freude am Kinde und die Gesundheit beeinträchtigt und zu später, für die Fortpflanzung ungünstiger Ehe führt. Was läßt sich gegen den Rückgang tun? Ein Verbot der empfängnishindernden Mittel wird teils nicht helfen, teils die Verbreitung der eine Verminderung der Fortpflanzung herbeiführenden Geschlechtskrankheiten befördern. Wichtig wäre die Einführung frühzeitiger Ehen, aber dem stehen u. a. unsere wirtschaftlichen Verhältnisse und der Frauenberuf entgegen. Besonders viel verspricht man sich von Geldunterstützungen kinderreicher Ehen, durch Steuernachlaß, steigende Beiträge für jedes weitere Kind usw. Aber die Kosten sind außerordentlich hoch, und die an dem Geburtenrückgange bisher beteiligten Kreise lassen sich dadurch nicht beeinflussen. Eher ist zu hoffen, daß die Unterstützungen den Uebergang auf die weniger bemittelten Volksschichten hemmen werden. Doch spielen auch in ihnen Rücksichten auf ein bequemeres Leben eine Rolle. Wie kann man nun auf den Geburtenrückgang in den Familien einwirken, in denen er sich bisher gezeigt hat? Man denkt an ethische Ermahnungen, aber die werden in einer solchen elementaren Frage nicht beachtet. Ferner an religiöse Einflüsse, die sicherlich vielfach maßgebend sind und es erklären, daß im Katholizismus der Rückgang bei uns noch wenig hervorgetreten ist. Aber das wird nicht von Dauer sein; das katholische Frankreich hat das Zweikindersystem, in Deutschösterreich nehmen die Geburten beständig erheblich ab, ebenso in Elsaß-Lothringen und in Belgien, bei uns noch wenig, aber es wird auc hier kommen. Man kann die Familien auf ihre Verpflichtungen gegen den Staat verweisen, der nur bei ausreichender Kinderzahl bestehen kann. Aber dadurch wird man die Eltern nicht zu vermehrter Kinderzahl bringen. Durch Ermahnungen dieser Art wird man also den Geburtenrückgang nicht bessern. Daher denkt man immer wieder ans Geld. Aber das ist kein ideales Vorgehen und nur berechtigt, wenn das Ziel sicher gut ist. Aber ist das unzweifelhaft? Muß das Volk unbegrenzt an Zahl zunehmen? Wie ist es in der Tierwelt? Hier ist die Erhaltung der Art maßgebend, und das gilt auch für den Menschen. Aber dazu ist keine unbegrenzte Vermehrung erforderlich, bei einer Zahl von durchschnittlich vier Kindern wird ein Volk ausreichend zunehmen. Eine weitere Einschränkung freilich ist falsch, ist krankhaft. Mit vier Kindern ließe sich der an sich berechtigte Wunsch nach einem an allem Guten und Schönen teilnehmenden Leben genügend vereinigen. Fraglich aber ist, ob es gelingt, auch nur diese Durchschnittszahl durchzusetzen. Ergänzend können die Bestrebungen nach Beseitigung aller das Leben der Kinder bedrohenden Krankheiten eintreten, aber dadurch wird natürlich der Geburtenrückgang nicht beseitigt, sondern nur verdeckt. So sind die Aussichten, durch unsere Bemühungen den bisherigen Geburtenrückgang zu hemmen, gering. Wir werden aber durch jene Unterstützungen Sorge tragen müssen, daß er nicht auf weitere Kreise übergreift, daß der jetzt noch vorhandene Ueberschuss erhalten bleibt. Wir hoffen, daß der gesunde Kern unseres Volkes sich einem weiteren Geburtenrückgang versagt; wir hoffen es, weil wir überzeugt sind, daß dem Deutschtum im Wettbewerb der Völker noch eine große Rolle vorbehalten ist.

Der Bonner Wehrbund zog am Sonntag zu einer Schneeballschlacht auf den städtischen Spielplatz. Nachdem die Jungmannen sich tüchtig ausgetobt hatten, zogen sie zur Fortbildungsschule zu einem Lichtbildervortrag, der die Einführung in das Kartenlesen bezweckte.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

    

Noch nicht dagewesen! Gestern morgen war auf dem Wochenmarkt nur eine Verkäuferin erschienen und auf dem „Großmarkt“ am Stiftsplatz war dasselbe Bild. Auch dort hatte sich nur ein Landmann aus der Umgegend mit einigen Körben eingefunden. Die Händler, die sich regelmäßig morgens schon um 6 Uhr auf den Märkten zum Einkauf einstellen, konnten infolgedessen nach längerem Warten wieder abziehen, da die beiden einzigen Verkäufer erst nach 9 Uhr hier eintrafen. Die Folge war, daß auch in den hiesigen Gemüsegeschäften gestern nichts zu haben war. Glücklicherweise hatte die Stadt einige Vorräte an Gemüse, die natürlich im Handumdrehen verkauft waren. Unsere Hausfrauen machten große Augen, als sie zur gewohnten Zeit zum Einkauf erschienen und auf dem großen, schneebedeckten Marktplatz nur die eine Verkäuferin vorfanden, die oberhalb der Fontäne ihren Stand aufgeschlagen hatte. Sie war fortwährend von Kauflustigen umringt, konnte aber auch mit nichts anderem als Kornsalat [Feldsalat] und Steckrüben dienen. Dafür hatte die Frau, die aus Lengsdorf herübergekommen war, vollauf zu tun, um alle Fragen zu beantworten, die an sie gerichtet wurden. „Wat es dann loß, Frau Brenig, dat Ihr alleen he stoht, jitt es keen Gemös mie?“ – „Waar jitt et ze baschte [Ware gibt es im Überfluss], ävve et es denne andere ze kalt; ich halde et uus, ich well en minge Gewände blieve!“ Hoffentlich kehren auch bald die übrigen Marktfrauen zu ihrer „alten Gewohnheit“ zurück und nehmen ihre gewohnten Plätze auf unseren Märkten wieder ein.

Kartoffelkarten sind jetzt ein sehr begehrenswerter Artikel und kommen leicht abhanden, wenn man sie nicht vorsichtig behütet. Diese Erfahrung mußte auch eine Dame aus der Sternstraße machen, die in eine Kartoffelabgabestelle ihre Karte „ohne Aufsicht“ auf den Ladentisch legte. Im Augenblick war die Karte verschwunden und konnte trotz sofortiger Nachforschungen nicht wiedergefunden werden. An dem Mittagstisch der Dame, die für 10 Köpfe zu sorgen hat, wird wohl jetzt besonders große „Kartoffelknappheit“ eintreten.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

Eine Bitte an die Volksküchenverwaltung. „Nudeln mit Kompott“. Wenn das Gericht auf unserem Küchenzettel steht, kommen unsere Kleinen fünf Minuten früher aus der Schule heim, so beschleunigt die Vorfreude ihre Schritte. Wenn die Kriegsküche dasselbe Programm hat, muß ich etwas dazukochen, und selbst dann noch sind wir alle unzufrieden mit dem „Matsch“. Das Wort ist nicht schön, aber durch kein zutreffenderes zu ersetzen. Nudeln sind kein Massengericht. Kochen Sie lieber eine gute Gemüsesuppe mehr in der Woche und geben sie die Nudeln auf Warenkarten aus. Damit ersparen Sie Ihren Abnehmern viel Aerger und machen all denen, die endlich wieder einmal ihren Kindern Nudeln geben können, eine große Freude. Eine Nudelfreundin.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)

      

Wissenschaftliche Vorträge. Heute abend spricht der Direktor der Frankfurt-Aschaffenburger Elektrizitätswerke, Herr Dessauer, über die Einwirkung des Lichtes auf die menschliche Gesundheit (mit Lichtbildern). Wir Laien haben wohl den wohltätigen Einfluß des Lichtes auf die menschliche Gesundheit erkannt, aber noch nicht genug gewürdigt. Die Bedeutung der Lichttherapie in der Heilkunde ist bekannt. Der Krieg lehrt und zwingt uns, in der Zukunft alle Mittel zu ergreifen, um unsere Nervenkraft zu erhalten und zu steigern. Der Vortragende, ein bedeutender Physiker, ist uns hier in Bonn schon längst als glänzender Redner bekannt, der uns in klarer, leicht faßlicher Form die nötige Aufklärung zu geben vermag.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)