Sonntag, 14. Januar 1917

      

Den ersten stärkeren Schneefall in diesem Winter brachte uns der gestrige Vormittag. Der Schnee hielt sich aber nicht lange, er wurde schnell zu Wasser und war in der Stadt schon nachmittags wieder vollständig verschwunden.

Im Märchen-Theater (Bonner Bürger-Verein) wird Mittwoch nachmittag 5 Uhr das reizende Märchen „Gänseliesel“ aufgeführt, das im Berliner Lustspielhaus großen Beifall erzielte. Der sehr kurzweilige Naturforscher Confusius, entzückende Elfentänze, der Tanz der Waldteufel und lustige Gesänge mit humoristischen Einlagen werden den Besuchern anregende und genußreiche Stunden bringen.

Eine allgemeine Bestandsaufnahme für Brotgetreide, Gerste, Hafer, Kartoffeln und Steckrüben hat das Kriegsernährungsamt für den 1. Februar in Aussicht genommen.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

       

Die Knappheit an Kartoffeln macht eine möglichst starke Heranziehung der Kohlrübe unabweislich, die Kohlrübe hält sich im Gegensatz zu der Kartoffel für den menschlichen Genuß im allgemeinen nur bis zur Mitte des März. Deshalb muß, um für später genug Kartoffeln zu haben, mit Nachdruck auf eine möglichst reichliche Verwendung der Kohlrüben in den nächsten Monaten hingewirkt werden. In Preußen ist die Anordnung ergangen, daß überall, wo genügend Kohlrüben vorhanden sind, die Menge in der Woche auf den Kopf auf drei Pfund Kartoffeln herabgesetzt wird, und daß die entfallende Kartoffelmenge durch mindestens die doppelte Menge an Kohlrüben ersetzt wird. Der Kartoffelzulage für Schwerarbeiter bleibt bestehen.

Der Bonner Wochenmarkt war gestern auffallend schlecht beschickt. Mindestens zwei Drittel des Marktplatzes waren vollständig frei. An Gemüse, wie Wirsing, Spinat, Rosenkohl, Butterkohl, Krauskohl, Rot- und Weißkohl, sowie hiesigen Blumenkohl war nur ganz wenig vorhanden. Feldsalat, Endiviensalat, weiße Rüben, Erdkohlrabien, Schwarzwurzeln, Kohlrabien, Karotten, Möhren und Aepfel waren etwas reichlicher zu haben. [...]
   Auf dem Großmarkt auf dem Stiftsplatz waren gestern in fast allen Markterzeugnissen die Zufuhren bedeutend größer als anfangs der Woche. Gemüse, wie Rosenkohl, Krauskohl, Butterkohl, hiesiger Blumenkohl, Wirsing und Spinat, war ziemlich reichlich vorhanden. Auch Aepfel zu 60 und 70 Pfg. das Pfund waren zu haben. Sonst waren die Preise im allgemeinen ungefähr dieselben wie die am letzten Hauptmarkttage. Die Waren wurden, hauptsächlich von auswärtigen Händlern, flott aufgekauft, wodurch der Markt gegen 8 Uhr früh schon fast vollständig geräumt war.
   Der städtische Verkauf auf dem Wochenmarkt erfreute sich gestern bei reichhaltiger Auswahl in Gemüse, Aepfeln usw. wieder eines recht regen Zuspruchs, besonders in gewässertem Stockfisch zu 1,20 Mark, Hamburger Rauchfisch zu 2 Mark, frischen Schollen zu 60 Pfg., frischen Seemuscheln zu 15 Pfg. und in Aepfeln zu 60 und 70 Pfg. das Pfund. [...]

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

     

Für die Sünden ihrer Eltern mußten heute mehrere Säuglinge in Bonn büßen, indem die städtische Säuglingsmilchanstalt die Lieferung der Säuglingsmilch in all denen Fällen einstellte, wo noch keine Milchkarten abgegeben waren. Weil in diesem Falle nur die Säuglinge die Bestraften waren, kann man die Maßnahmen für verfehlt halten, besonders auch im Hinblick auf den Zweck der Säuglingsmilchanstalt. Wir können daher auch nicht annehmen, daß diese Anordnung vom Dezernenten ausging, da dieser offenbar nicht die Säuglinge bestraft, sondern Mittel gefunden haben würde, um in anderer Weise die säumigen Eltern an ihre Pflicht zu erinnern. Die Maßnahme richtete sich aber in sich selbst, da die Säuglingsmilchanstalt selbst einen großen Irrtum beging, indem sie nämlich die Lieferung der Säuglingsmilch einen Tag früher einstellte, als dies für die Säumigen (Eltern – nicht Säuglinge) angedroht war. Somit hatten diese armen hilflosen Geschöpfe heute auch noch für die Sünden der städt. Verwaltung mit zu büßen. Damit noch nicht genug – in den Fällen, wo die Eltern die erforderlichen Milchkarten bereits lange abgegeben hatten, die Karten aber von den Beamten verlegt waren, - uns ist ein solcher Fall bekannt – wurde ebenfalls die Lieferung eingestellt. In diesem Falle hätte eigentlich derjenige, welcher den Fehler begangen hat, den mühseligen Gang nach der Milchanstalt machen müssen. Fehler sind menschlich und müssen verziehen werden. Und der Zweck dieser Zeilen soll kein Vorwurf sein, sondern die Begründung eines Vorschlages bilden, dessen Durchführung diese Fehler, seien sie von Eltern begangen oder der Verwaltung, mit einem Schlage beseitigt. Wir glauben, daß dieser Vorschlag um so eher Annahme findet, als von der Verwaltung selbst eine fehlerlose Arbeit angestrebt wird, als ferner auch unser Vorschlag viel Arbeit und vor allem viele Lauferei erspart: Ist die Ausstellung neuer Milchkarten erforderlich, so reicht die Verwaltungsabteilung für die städtische Säuglingsmilchanstalt der Abteilung für Milchversorgung am Lebensmittelamt die von ersterer sowieso geführte Liste, gegebenenfalls auch eine Abschrift davon ein, und erhält dann, wenn dies erforderlich ist, die nötigen Milchkarten!

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)