Donnerstag, 11. Januar 1917

      

Hindenburgs Mauer, d. h. die Ostfront von der Ostsee bis zu den Karpaten, den festen Wall, der bis vor einigen Monaten unter dem besonderen Oberkommando Hindenburgs stand, schilderte gestern abend in einem sehr fesselnden Lichtbildvortrage der Kriegsberichterstatter Dr. Fritz Wertheimer im großen Saal des Bonner Bürgervereins. [...] Der Zweck des Vortrages war, eine wahrheitsgetreue Schilderung des Lebens und der Leiden unserer Truppen und damit eine Ergänzung zu den knappgefaßten Berichten der Heeresleitung zu geben. Der Redner knüpfte an seine Ausführungen dann eine Bitte und Mahnung: keine Klagebriefe an die Front zu schreiben. Unsere Soldaten draußen haben ihr vollgerütteltes Maß von eigenen Beschwerden, Sorgen und Leiden, die Heimat soll ihnen ihr Los nicht noch schwerer machen, sondern im Gegenteil ihren Geist und ihren Mut aufzufrischen suchen. Nachdem das deutsche Friedensangebot von unsern Feinden mit Spott und Hohn abgelehnt worden ist, liegt der ersehnte Friede nicht mehr bei unserm guten Willen, sondern bei unserm guten Schwert. Und das Schwert scharf, das heißt unsere Truppen in jeder Beziehung leistungsfähig zu erhalten, ist unser aller Pflicht. Heer und Heimat müssen in den nächsten Wochen und Monaten zusammenstehen, um aus unserm Volke das Letzte und Größte herauszuholen und damit den Sieg zu erreichen, den wir dringend brauchen, wenn wir den Bestand unseres Volkes erhalten wollen. Wenn wir das aber wollen, dann müssen wir noch viel mehr leisten und dürfen wir uns viel weniger beklagen, als bisher. Nur wenn so alle Kräfte zusammengefaßt werden, werden wir zu einem klaren und guten deutschen Frieden gelangen. – Daß diese Mahnung bei den zahlreichen Besuchern freudigen Widerhall fand, bewies am Schluß der kräftige Beifall. Den gleichen Vortrag hat Dr. Wertheimer gestern nachmittag schon für die Bonner Schuljugend gehalten.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

      

Eine Heldin der Sammelbüchse. Im Verlaufe des Krieges sind von opferfreudigen Damen der Bonner Gesellschaft große Summen für das Rote Kreuz und für unsere Truppen gesammelt worden. Eine der eifrigsten und ausdauerndsten Sammlerinnen dürfte Fräulein Wirth sein, der es durch ihren zähen Eifer gelungen ist, in dieser Woche eine kaum glaubliche Summe mit ihrer Sammelbüchse erreicht zu haben. Es sind sage und schreibe
                                                   12.000 Mark,
die Fräulein Wirth meist pfennigweise für den guten Zweck in den hiesigen Wirtschaften, Hotels, in der Lese und im Bürgerverein, an Stammtischen und auf Kegelbahnen, auf dem Staatsbahnhof, am Rheinuferbahnhof und in den Wagen sämtlicher elektrischer Straßenbahnen, die in Bonn münden, sowie auf den öffentlichen Straßen „erfochten“ hat. Fräulein Wirth, die schon während des Feldzuges 1870/71 in Neunkirchen bei Saarbrücken auf der Bahnhofsbaracke im Dienste des Vaterlandes als barmherzige Samariterin gewirkt hat und damals die ehrende Auszeichnung des Eisernen Kreuzes erhielt, versteht es wie wenige unserer im Dienste der Wohltätigkeit stehenden Frauen, ihre ganze Kraft jederzeit einzusetzen, um der guten Sache mit ihrer Sammelbüchse zu dienen. Auch ist es ihr vergönnt, mit Hilfe eines gesunden Instinkts immer den rechten Augenblick wahrzunehmen, wenn irgendwo irgend etwas los ist, um der ihr gegenüber allezeit gebefreudigen Mitbürgerschaft das Kleingeld abzuknöpfen. Haben wir irgend einen Sieg zu verzeichnen, so darf man sicher sein, daß Fräulein Wirth die Konjunktur der erhöhten vaterländischen Stimmung zugunsten einer möglichst reichen Spende im wahrhaften Sinne auszumünzen versteht. Der unendliche nimmerermüdende Fleiß, den Fräulein Wirth bei ihrer steten Opferbereitschaft auszeichnet, gewinnt dadurch noch an besonderer Bedeutung, daß die wackere Dame, - es sei erlaubt, es ausnahmsweise gegenüber einem weiblichen Wesen auszusprechen , - bereits das biblische Alter überschritten hat und gegenwärtig 71½ Jahr alt ist.
   Unsere Truppen im Felde dürfen dieser Jubilarin der Sammelbüchse einen ganz besonderen Dankeszoll widmen, denn ihnen gilt ihre vaterländische Aufgabe, und wir zweifeln nicht, daß sie in ihrem edlen Berufe, für das Rote Kreuz zu wirken, auch weiterhin von unserer gesamten Bürgerschaft unterstützt werden wird. Dies sei der klingendste Lohn, der Fräulein Wirth zuteil werden kann.
   Eine eigenartige Ehrung ist der Dame kürzlich von Künstlerhand zuteil geworden. Professor Frenz hat nämlich eine Kreidezeichnung dieser unermüdlichen Rote-Kreuz-Kämpferin geschaffen, die in farbiger Ausführung Fräulein Wirth mit der Sammelbüchse in der Hand zeigt, wie sie alle Bonner kennen. Hoffentlich spornt der große Erfolg, den Fräulein Wirth durch ihre Ausdauer bisher erzielt hat, die übrigen Damen der Bonner Gesellschaft, die in der jüngsten Zeit in ihrem Eifer vielleicht etwas erlahmt sind, dazu an, auch ihrerseits sich mit der alten Freudigkeit wieder in den Dienst des großen Hilfswerkes für unsere Truppen und deren Angehörige in ähnlicher Weise wie Fräulein Wirth zu stellen. Der Krieg wird leider noch manches Opfer fordern. Geldmittel sind daher in weiterem Grade für das Hilfs- und Unterstützungswerk des Roten Kreuzes vonnöten.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

      

Eine gekränkte Kriegsküchenbesucherin. Wir hatten gestern einer Zuschrift über die neue Kriegsküche an der Maxstraße Raum gegeben und dabei bemerkt, daß es nicht möglich sei, es allen Leuten recht zu machen. Die Dame sendet uns nun eine weitere Zuschrift, die ihre gestrigen Ausführungen näher begründen sollen.
   Die Dame schreibt uns:
   „Eine Dame, die an der Kriegsküche Maxstraße hilft, erzählte mir heute, daß die „gute kräftige Gemüsesuppe“ gestern bereits um 12 Uhr alle verausgabt gewesen sei. Dann wurde mit einem Kunstmehl die von mir mit Recht getadelte „dünne ungenießbare Brühe“ schnell hergestellt. Meine Stundenfrau holte das Essen gegen ½1 Uhr, also war meine Klage berechtigt. Das ganze Personal, welches sich zuletzt damit begnügen mußte, war selbst sehr unzufrieden damit. Ob Sie meine Rechtfertigung veröffentlichen wollen, gebe ich Ihnen anheim; mir liegt nichts daran. Ich erbringe Ihnen nur den Beweis, daß die Küche ihrer Aufgabe noch nicht gewachsen ist, denn sie hat zu sorgen, daß das Essen für alle Teilnehmer reicht, deshalb muß man doch die ganze Woche im voraus durch Kartenlösen anmelden.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)

    

Warnung vor einer Schwindlerin. Am Sonntag vormittag mietete sich ein junges Mädchen im Alter von 18 bis 20 Jahren in der Sürst ein Zimmer mit Pension. Sie gab an, Maria Huber zu heißen und sei die Tochter eines Metzgermeisters aus München. Bisher sei sie als Hilfsschwester des Roten Kreuzes am Kölner Hauptbahnhof tätig gewesen und werde dasselbe nunmehr am Bonner Bahnhof sein. Sie erhielt denn auch Essen und Wohnung. Im Laufe des Tages erzählte sie ihrer Vermieterin, daß sie von ihrem Vater Fleischwaren besorgen könne. Sie ließ sich dafür 35 Mk. geben. Um ihren Angaben zu bekräftigen, schrieb sie einen Einschreibebrief, den sie auch der Vermieterin vorlas. Am Montag entfernte sie sich mit der Angabe, sie wolle nun ihre Tätigkeit am Bahnhof aufnehmen. Sie ist dann spurlos verschwunden. [...]

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)