Samstag, 25. Dezember 1915
Am ersten Weihnachtstag erschienen in Bonn nur die Deutsche Reichszeitung und die Bonner Zeitung.
Eine eindrucksvolle Weihnachtsfeier fand gestern nachmittag in der Beethovenhalle statt. Die Schwesternschar hatte für die Verwundeten zwei große Weihnachtsbäume geschmückt und ihnen auch mit Hilfe anderer Wohltäter einen Gabentisch gedeckt, der den ganzen Mittelgang der Halle einnahm und in geschmackvoller Anordnung für jeden einzelnen ein Festgeschenk aus Gebrauchsgegenständen, Obst, Süßigkeiten usw. aufwies. Nach einem Orgelvortrag und dem von den Schülerinnen des Klostermannschen Lyzeums gesungenen Liede Stille Nacht, nahm der Chefarzt, Herr Professor Schmidt, das Wort zu einer kurzen, aber herzlichen Ansprache. Er erinnerte an das vorjährige Weihnachtsfest in der Beethovenhalle, bei dem niemand geglaubt habe, daß noch eine zweite Kriegsweihnacht werde gefeiert werden müssen, und an die großen Erfolge unserer Truppen im verflossenen Jahre. Unseren tapferen Kriegern, auch denen, die im höchsten Dienst des Vaterlandes ihre Wunden empfangen haben, verdankten wir Rheinländer es, daß wir auch im Kriege Weihnachten in Ruhe und Frieden feiern können. Möchte wenigstens im kommenden Jahre die Weihnachtsbotschaft vom Frieden auf Erden zur Wahrheit werden und unserm Vaterlande derjenige starke Schutz und Schirm werden, dessen es bedarf, damit nicht noch einmal die halbe Welt es von allen Seiten anfallen und mit Vernichtung bedrohen kann. Den verwundeten und kranken Kameraden möchte dieses im Kreise ihrer Pflegerinnen gefeierte Weihnachtsfest ein bleibende und angenehme Erinnerung sein. Im weiteren Verlauf der stimmungsvollen Feier wechselten die von dem Schülerinnenchor gesungenen Weihnachtslieder mit Gedichtsvorträgen einzelner Schülerinnen ab, auch ein Violinsolo wurde sehr wirkungsvoll gespielt. Am Schluß wurden den Verwundeten von den Schwestern ihre Weihnachtsgeschenke überreicht.
Weihnachts- und Neujahrsruhe in den Staatswerkstätten. Während im vorigen Jahre auch Weihnachten und Neujahr zur Deckung des Kriegsbedarfs in den Staatswerkstätten gearbeitet werden mußte, ist es in diesem Jahre der Heeresverwaltung möglich, die Arbeit während der Feiertage ruhen zu lassen. Diese für die beteiligten Arbeiter gewiß erfreuliche Tatsache läßt zugleich erkennen, daß die bei der Herstellung des Kriegsbedarfs erzielten Leistungen durchaus befriedigend sind.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Weihnachtskonzerte in der Stadthalle. An den beiden Weihnachtsfeiertagen werden nachmittags um 4 Uhr unter Leitung des städtischen Kapellmeisters Heinrich Sauer zwei Weihnachtskonzerte stattfinden. Am 2. Feiertag wird das Konzert durch Darbietungen des Bonner Männer-Gesang-Vereins „Apollo“ verschönert. Der Eintrittspreis beträgt an beiden Tagen 20 Pfg. für jede Person.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Verwilderung der Jugend.
Kleine und halbwüchsige Bengels machen sich zur Zeit ein Vergnügen daraus, mit Kinderfloberts [Vogelbüchsen] und sogenannten „Flitschbogen“, das sind Bogen, welche sich die Kinder aus einem im Halbkreis gebogenen Stück Holz mit einer straffen wagerechten Kordel daran und einem recht spitzen Holzpfeil anfertigen, die Singvögel wegzuschießen. Da bei der jetzigen Winterszeit die armen Tierchen draußen kein Futter finden, so kommen sie vertrauensvoll an den Menschen heran, indem sie bis in die Gehöfte und Gärten fliegen, dort ein Körnchen zu erhaschen und werden dann von den Bengels tot geschossen. Es sind hauptsächlich die so nützlichen Meisen, welche dieser jugendlichen Mordlust zum Opfer fallen. Die Polizei möge ein Augenmerk auf diese Täter haben.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)