Sonntag, 15. August 1915
Mehr Schwarzbrot essen! Der Oberbürgermeister ersucht dringend, die Nachfrage nach Zwieback, Feinbrot, Röggelchen und Kuchen in den Bäckerläden erheblich einzuschränken, da die der Stadt Bonn zur Verfügung stehende Mehrmenge einen stärkeren Schwarzbrotverzehr bedingt. Die Bäcker, welche an Zwieback, Feinbrot, Röggelchen und Kuchen erheblich mehr verdienen als an Schwarzbrot, sind natürlich geneigt, dem steigenden Verlangen des Publikums nach diesen mehr Weizenmehl enthaltenden Backwaren Rechnung zu tragen. Falls keine sofortige erhebliche Einschränkung des hierdurch bedingten unzulässig hohen Verbrauchs von Weizenmehl durch das Publikum selbst eintritt, ist die Stadtverwaltung genötigt, ein völliges Backverbot für Kuchen, Zwieback und Röggelchen zu erlassen.
Bonner Volksspende. Man schreibt uns: Die Werber haben ihre Sammeltätigkeit begonnen, und man kann jetzt bereits mitteilen, daß der Volksspende in geradezu überraschender Weise aus allen Kreisen der Bevölkerung Mitglieder beitreten. Jeder will sein Scherflein der Kriegswohlfahrtspflege zuführen: Wie könnte es auch anders sein in dieser Zeit, wo Deutschlands Fahnen Erfolge über Erfolge erringen, wo andererseits aber die braven Söhne unseres Vaterlandes die schwersten Kämpfe, die die Weltgeschichte je erlebt hat, durchmachen! So wurden von den Werbern allerorts rührende Züge beobachtet. In vielen Familien zeichneten nicht nur Vater und Mutter, sondern auch die Kinder spendeten gern Beiträge aus ihren Sparbüchsen. Auch das Dienstpersonal ließ es sich nicht nehmen, von ihrem Lohn noch ein weniges für unsere tapferen Krieger zu erübrigen. So ergab sich zuweilen ein zu Herze gehendes Bild. [...] Man darf jetzt wohl sagen: Alle Bonner Bürger reichen sich die Hand durch die Bonner Volksspende. Einigkeit macht stark, das ist auch hier der im Deutschen Vaterland so oft bewährte Grundsatz. Wenn auch noch immer viel Abtrünnige und Gleichgültige der Spende gegenüber stehen, so hoffen wir doch, daß auch diese endlich zur Einsicht gelangen und sich von ihrer vaterländischen Pflicht überzeugen werden, ein Scherflein – und sei es noch so klein – zur Kriegswohlfahrtspflege beizutragen. [...] Gleich unsern Kriegern im Feld, deren Mut und Tapferkeit nicht ermüdet, wollen auch wir in unserer Vaterstadt nicht erlahmen in unseren Hilfeleistungen für diejenigen, deren Angehörige für uns kämpfen. Mag sich auch hier die untrennbare Einheit erweisen: Ein Heer, ein Volk!
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Die Straßenbahn nach Dottendorf hat gestern am ersten Fahrtag schon ihr Publikum gehabt. War es am Freitag Nachmittag bei der Abnahmefahrt noch staunende Bewunderung, die sich auf den Gesichtern der Dottendorfer Bürger und Bürgerinnen ausdrückte, gestern sagten die Züge der Mitfahrenden und der Zuschauer: Wir haben sie! – Nun sind wir weit genug! – Und auch mit Worten wurde dies untereinander ausgetauscht: „Anton, dein Häuschen ist jetzt 1000 Taler mehr wert geworden!“ Und der Anton meinte zuversichtlich: „Noch mehr wie 1000 Taler ist die Bahn mir wert. Du wirst aber auch wissen, was du für deinen Benden [Feuchtwiese] forderst!“
„Gewiß weiß ich das, und wenn der Herr Professor noch mal kommt, der ihn kaufen will, so bekommt der zu hören, was jetzt die Forderung ist.“
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Schändung der Natur. Nicht nur der Steinerberg, sondern auch der herrliche Wacholderschutzpark der Bonner Eifelvereinsgruppe auf dem Wibbelsberg ist jüngst von Wanderern heimgesucht worden, die besser zu Hause geblieben wären. Vorigen Freitag fand ich dort einen mit kleinen Wacholder- und Heidekrautbüschen bestandenen Raum von einigen Hundert Quadratmetern mit Papierfetzen, auch einige Glasscherben überstreut, ein trauriger Anblick für einen Naturfreund. Es hatte also eine große Gesellschaft dort gelagert, und leider ist es eine Bonner „Gesellschaft“ gewesen, denn die Düten trugen die Firmen Bonner Händler. Mühsam habe ich alles zusammensuchen und entfernen müssen. Ist denn, so muß man fragen, bei dieser Gesellschaft kein Führer gewesen, der auf Ordnung halten konnte, wenn den einzelnen Teilnehmern das Gefühl für ihre Ungehörigkeit fehlte?! Und dicht daneben steht eine der hübsche, von Berchtesgaden bezogenen Schutztafeln, deren jedenfalls von allen Teilnehmern gelesenen Inschrift u. a. die Bitte ausspricht: „Laßt Papier, Flaschen, Kochbüchsen usw. nicht liegen!“ Muß man da nicht fast annehmen, daß die Teilnehmer im kindischen Trotz nun erst recht dagegen freveln wollten?!
Wenn man solche Leute nur mal erwischen und an der Pranger stellen könnte! W.
(Für solche Herrschaften erscheint uns die besondere Anwendung des Wanderstockes noch weit wirksamer. Red)
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Eine angebrachte Sittenpredigt hielt der Vorsitzende der Bonner Ferienstrafkammer heute morgen einem 18 Jahre alten Postaushelfer aus Siegburg, der an der Postagentur in Niederpleis angestellt war und im Mai d. J. sechs Feldpostpäckchen mit Liebesgaben, die aus dem Feld als nicht bestellbar zurückgekommen waren, erbrochen und ihres Inhalts, meist Zigarren und Zigaretten, beraubt hatte. Der Angeklagte gab an, er habe aus Leichtsinn gehandelt. Der Vorsitzende bemerkte, in der heutigen Kriegszeit, wo es ohnehin schwer sei, Leute zu bekommen, müsse jeder umso mehr seine Pflicht treu erfüllen. Erst recht träfe die zu in einer Vertrauensstellung, wie sie der Angestellte bekleidet habe. Umso schimpflicher sei seine Handlungsweise. Sodann habe er Sachen gestohlen, die für Soldaten an der Front bestimmt gewesen seien. Wenn sie auch zurückgekommen seien, so hätten sie doch ihre Bestimmung nicht verloren. Solche Sachen ihrer Bestimmung zu entziehen, sei direkt frivol. Das Gericht erkannte trotz der Jugend und der bisherigen Straflosigkeit des Angeklagten auf eine Gefängnisstrafe von neun Monaten.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)