Sonntag, 20. Juni 1915

  

Anzeige im General-Anzeiger vom 20. Juni 1915Die Freiwillige Sanitätskolonne vom Roten Kreuz beendet ihren Kursus für die erste Hilfeleistung bei Unglücksfällen mit der Schlußprüfung der neuen Mitglieder am Sonntag, d. 20. d. M., nachmittags vier Uhr im Kaisergarten, der früheren Schützenvilla in der Lotharstraße. Gleichzeitig findet eine Geländeübung der bisherigen Mitglieder der Kolonne in den Waldanlagen des Kaisergartens statt. Diese Uebung kann von jedermann besichtigt werden. Da sie viel des Interessanten und Belehrenden bietet, kann sie sich hoffentlich eines zahlreichen Besuches erfreuen.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

  

Eine fröhliche Rheinfahrt machten am Samstag morgen etwa 500 Verwundete von hier und aus den Lazaretten des Siegkreises nach Koblenz. Unter den Klängen der Musikkapelle der Kölner Pioniere fuhr der mit Fahnen reichgeschmückte Sonderdampfer „Rex Rheni“ von Gber. Weber kurz vor 11 Uhr morgens hier ab. Die Verwundeten, unter denen sich auch viele befanden, die zum ersten Mal eine Rheinfahrt unternahmen, waren in fröhlichster Stimmung und wurden bei der Abfahrt von den zahlreichen Zuschauern, die sich am Rhein eingefunden hatten, lebhaft begrüßt. Mehrer Aerzte, Geistliche, Pflegerinnen und Pfleger, sowie eine Anzahl Damen nahmen an der fröhlichen Fahrt teil.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

Anzeige im General-Anzeiger vom 20. Juni 1915Anzeige im General-Anzeiger vom 20. Juni 1915  

Unterrichtskurse für Kriegsbeschädigte. Eines der besten Mittel, Leiden und Sorgen zu lindern, ist ernsthafte Beschäftigung. Stetes Nachdenken in müßigen Stunden über Wunden und Beschwerden, die das Schicksal uns auferlegt, macht unglücklich und hemmt die Besserung. Wie viele haben im Schmerz nicht Trost in der Arbeit gesucht und gefunden! Auch bei unseren verwundeten Kriegern ist deshalb das Verlangen nach nutzbringender Beschäftigung ein vielseitiges und reges. Um diesen Wünschen entgegen zu kommen, wird in den Lazaretten Anleitung zu mancherlei Handfertigungsarbeit erteilt. Der schöne Erfolg dieser Arbeiten, die vielfach im Bett betrieben werden müssen, zeigt, daß sie mit großem Interesse, mit lebhaftem Eifer und erfreulichem Erfolg vollführt werden. Ein ausgedehnter Unterrichtsbetrieb für Kriegsbeschädigte ist an den städtischen Fortbildungsschulen eingerichtet. Er bezweckt an erster Stelle, den Gefahren der langen Untätigkeit zu steuern, Lust und Liebe zur Arbeit zu erhalten und zu stärken und die für das gewerbliche und kaufmännische Leben erforderlichen Kenntnisse aufzufrischen, zu erweitern und nötigenfalls auch neu zu geben. Zu dem Ende sind eine Reihe von Kursen schon seit Februar eingerichtet.
Anzeige im General-Anzeiger vom 20. Juni 1915Es sind dies:
1. Kursus nach Art der Meisterkurse in Buchführung, Rechnen, Raumlehre und Kalkulation, Geschäftsbrief und sozialer Gesetzgebung.
2. Kursus zur Wiederholung und Befestigung des im täglichen Leben nötigen Wissens und Könnens in Rechtschreiben, Sprachlehre, Rechnen, Raumlehre, Geschäftsbriefe, Schönschreiben.
3. Schreibkursus für Linksarmige und Handverletzte unter Benutzung besonders dafür hergestellter Federhalter.
4. Kursus in Maschinenschreiben.
5. Kursus in Kurzschrift.
6. Zeichenkursus.
7. Soldatenkochkurse für solche, die wieder ins Feld zurückkehren zur Erlernung der schnellen Herrichtung einfacher und nahrhafter Gerichte, namentlich auch für erkrankte (Magen- und Darmkranke) Kameraden.
Der Unterricht wird vom Lehrkörper der Fortbildungsschule nachmittags zwischen 3 – 5 Uhr erteilt. Ein Kursus hat in der Regel wöchentlich 8 Unterrichtsstunden. Die Stunden sind so gelegt, daß den einzelnen Soldaten die Möglichkeit geboten ist, an mehreren Kursen nebeneinander nach Wahl teilzunehmen. Der Besuch ist recht lebhaft. Zu gleicher Zeit sind immer 150 – 200 Kursteilnehmer vorhanden und bi s jetzt mögen wohl 500 – 600 Männer Anregung und Ausbildung für ihre spätere Friedensarbeit erhalten haben.
Anzeige in der Deutschen Reichs-Zeitung vom 20. Juni 1915Weiter übt im Vortragssaal der Fortbildungsschule unter Leitung unseres städtischen Kapellmeisters ein Soldaten-Gesangverein, der demnächst ein Konzert zu veranstalten gedenkt, das hoffentlich einen reichlichen Ertrag für die Zwecke der Kriegsbeschädigten-Fürsorge in Bonn erzielen wird.
Schließlich sind noch allgemein belehrende Vorträge für Verwundete über hygienische, staatsbürgerliche, gewerbliche, geschichtliche, unterhaltende Themen mit Lichtbildern und ohne solche in Aussicht genommen. Auch wird dafür gesorgt werden, daß Kriegsverletzte, die bisher in Handwerks- und in industriellen Betrieben tätig waren, oder die infolge ihrer Verletzung zu einem Handwerk oder einer Beschäftigung in der Industrie überzugehen beabsichtigen, Gelegenheit finden, sich in die betreffende Tätigkeit bei Handwerksmeistern oder in industriellen Betrieben einzuarbeiten und besonders in allen Fällen, wo Gliedersatzstücke infolge der Verletzung notwendig geworden sind, diese gebrauchen und eine gewisse Geschicklichkeit sich aneignen zu können.
Man sieht, es geschieht vieles, nicht nur die Zeit der Genesung unserer Verwundeten angenehm und nutzbringend zu gestalten, sondern namentlich auch die Verletzten für ihren bisherigen Beruf oder für einen neu zu erlernenden Beruf tüchtig zu machen.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)