Sonntag, 13. Juni 1915
Königliches Gymnasium. Gestern wurde die Notreifeprüfung von elf Primanern, die für das Heer angenommen sind, abgeschlossen. Alle elf Schüler bestanden die Prüfung.
Die Notreifeprüfung der Unterprimaner, die im August in das Heer eingetreten sind und die nun von ihren Truppenteilen beurlaubt werden, beginnt am 21. Juni.
Lazarettzug K 1 Bonn. Der Bonner Lazarettzug hat am 3. Juni von Andernach aus seine zehnte Reise angetreten und nach kurzer Abstellung auf einem belgischen Bahnhof am 10. Juni in Chauny 240 Verwundete aufgenommen. Leider waren die Bonner Lazarette gefüllt, sodaß die Hoffnung, sie diesmal in Bonn abliefern zu können, sich nicht erfüllte. Nur 5 Kieferverletzte konnten am Freitag hier ausgeladen werden, die übrigen wurden nach Aachen, Euskirchen, Godesberg, Remagen und Andernach gebracht. Der Zug steht jetzt auf dem Godesberger Güterbahnhof und wird vermutlich sehr bald wieder ausfahren.
An Liebesgaben sind dringend erwünscht: Zigarren, Zigaretten, Mineralwasser, Schokolade, Marmeladen, Eier, Dauerwurst, Gemüse- und Obstkonserven. Ferner, da der Verpflegungssatz sehr knapp bemessen ist: Kartoffeln, Erbsen, Bohnen, Linsen, Reis, Kaffee, Thee, Fleischkonserven. Man wolle die Gegenstände möglichst bald in der Baracke des Roten Kreuzes, Quantiusstraße, abliefern, wo zwei Wagen des Zuges zur Aufnahme bereit stehen. Frische Gemüse sind sehr erwünscht, insbesondere solche, die sich im Kühlwagen einige Tage halten: Karotten, Blumenkohl, Wirsing, Spitzkohl. Da diese bei zu langer Lagerung verderben, soll der Tag für die Ablieferung noch bekannt gegeben werden. Wäsche und Decken sind reichlich vorhanden. Man wolle von weiteren Liebesgaben dieser Art absehen. (...)
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Wegen Vergehen gegen die Bäckereiverordnung stand gestern wieder eine Anzahl Bäcker und Bäckersfrauen aus der Umgegend vor der Strafkammer. Eine Frau aus Vilich-Rheindorf, deren Mann im Felde ist, und die bereits einmal mit 15 Mark vorbestraft worden ist, hatte Feinbrot früher als am zweiten Tage nach Beendigung des Backens abgegeben. Sie wurde zu 50 Mark Geldstrafe verurteilt. – Eine Filialleiterin aus Beuel hatte, nachdem sie bereits einmal deshalb bestraft worden war, wieder in zwei Fällen Brot vor dem zweiten Tage nach Beendigung des Backens verkauft. Das Urteil lautete gegen sie auf 100 Mark. Sie wurde jedoch ernstlich verwarnt, die Verordnung nicht wieder zu übertreten, da das Gericht sonst beim nächsten Mal eine Gefängnisstrafe gegen sie verhängen würde. – Ein Bäcker aus Troisdorf hatte Brot vorrätig gehalten, das bis zu 100 Gramm hinter dem vorgeschriebenen Gewicht zurückblieb. Ferner hatte er auch Brot vorzeitig verkauft. Das Urteil lautete gegen ihn auf 50 Mark Geldstrafe. – Eine Bäckersfrau aus Geislar hatte in einer Woche an eine Frau, die sehr darum gebeten hatte, mehr Brot als zulässig abgegeben und hatte es in dem Brotbuch für die folgende Woche eingetragen. Unter Berücksichtigung der besonderen Umstände erkannte das Gericht auf eine Geldstrafe von nur zehn Mark.
Strafbefehle sind wegen Vergehen gegen die verschiedenen Bundesratsverordnungen über die Sicherung der Volksernährung von jetzt ab zulässig. Der Strafbefehl wird vom Amtsgericht erlassen, nicht, wie irrig mitgeteilt war, von der Staatsanwaltschaft. Die Staatsanwaltschaft stellt nur den Antrag auf Erlaß eines Strafbefehls.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Verhafteter Schwindler. Vor einigen Wochen verübte hier ein angeblicher Sektionsführer der freiwilligen Krankenpflege, Weber aus Kreuznach, Schwindeleien, indem er sich für angeblich Verwundete Geld und Sachen geben ließ. Dieselben Schwindeleien verübte Weber in Neuwied, Gera, Kloster Lausitz und Hamburg. An mehreren Stellen gab er sich auch als Dr. Scholl aus. In Hamburg wurde er nun entlarvt und festgenommen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)