Sonntag, 6. Juni 1915

  

Anzeige im General-Anzeiger vom 6. Juni 1915Fürsorge für Kriegsbeschädigte. Das Versicherungsamt der Stadt Bonn weist auf die Notwendigkeit hin, den Kriegsverletzten neben der Rente, die sie vom Reich erhalten, lohnenden Arbeitsverdienst in ihren früheren oder anderen geeigneten Berufen zu verschaffen. Es schreibt: Kein Kriegsverletzter braucht zu verzagen; es wird sich ihm sicher Verdienst bieten, wenn nicht in seinem Berufe, so dann in einem anderen, den kostenfrei zu erlernen schon reichlich Gelegenheit geboten ist. Auf seinen guten Willen und eine gewisse Entschlossenheit wird es wesentlich mit ankommen, inwieweit seine Lage sich verbessern läßt. Für alle wird gesorgt und Arbeit geschaffen werden können, gleichgültig, ob sie Finger oder Arme oder Beine verloren haben, ob ihnen das Augenlicht oder das Gehör abhanden gekommen ist oder ob sie sonstige Verletzungen erlitten haben. Nur Mut und Willenskraft seitens der Verletzten gehört dazu, ihnen eine geregelte Tätigkeit und damit die Erreichung des Zwecks unseres Daseins zu sichern, der für die gesamte Menschheit in Arbeit und Pflichterfüllung besteht. Besonders sollten in diesem Sinne auch die Angehörigen der Verletzten wirken und ihnen Mut einsprechen; sie werden damit dem Verletzten den besten Liebesdienst erweisen. Ausdrücklich soll erwähnt werden, daß die Bestrebungen dafür, den Kriegsverletzten wieder zu einem lebenswerten Leben zu verhelfen, keinesfalls den Zweck haben, etwa auf den Rentenbezug in irgendeiner Weise einzuwirken. Für alle Verletzten wir bereitwilligst durch das Versicherungsamt der Stadt Bonn Rat und Auskunft gewährt.

Lesestoff für erblindete Krieger. Um den vielen erblindeten Kriegern ihr schweres Los etwas zu erleichtern, ist es erwünscht, daß die Blinden-Bibliotheken vergrößert werden. Damen, die Zeit, Ausdauer und Interesse für die Blindenschrift haben und bereit sind, Bücher oder Schriften in Blindenschrift zu übertragen, werden gebeten, sich bei der Leiterin der Abteilung für Blindenschrift des Deutsch-Evangelischen Frauenbundes, Frau Aline Jung, Kurfürstenstraße 50, nachmittags zwischen 2 und 4 Uhr zu melden. Die erforderliche Anleitung und das Material werden kostenlos gegeben.

Liebesgaben für Karpathen-Truppen. Auf die Liebensgabensammlung für die Truppen, die auf den Kriegsschauplätzen Galiziens und der Bukowina kämpfen, sei nochmals aufmerksam gemacht. Diesen tapferen Truppen, in deren Reihen viele Söhne des Rheinlandes stehen, dürfen Beweise unserer dankbaren Anerkennung nicht fehlen. Es wird also gewiß nicht vergebens ein Aufruf an den Opfersinn unserer Mitbürger ergehen. Außer Geldspenden, die zum Ankauf von Liebesgaben verwendet werden, sind willkommen: Hemden (nicht Wolle), Taschentücher, Handtücher, Socken, Seife, Schokolade, Fruchtsäfte, Mineralwasser und vor allem auch Zigarren, Zigaretten und Rauchtabake. Die Sammelstelle für Bonn ist in der Rheinisch-Westfälischen Diskonto-Gesellschaft (Münsterplatz), die bis morgen abend Gaben entgegennimmt.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

   

Anzeige im General-Anzeiger vom 6. Juni 1915Rheinischer Fremdenverkehr. In seinem soeben herausgegebenen Jahresbericht für 1914 weist der Rheinische Verkehrsverein auf die Störungen hin, die im August v. J. der Fremdenverkehr am Rhein erfuhr, knüpft daran aber folgende beherzigenswerte Mahnung: Vorwärts wollen wir schauen, getrost der Zukunft entgegensehen und den Beweis erbringen, daß auch in dem rheinischen Volke jene unbezwingliche Kraft wohnt, von der das gesamte deutsche Wirtschaftsleben ein so glänzendes Zeugnis täglich ablegt. Wir hoffen zuversichtlich, daß auch die rheinische Fremdenindustrie die durch den Krieg geschaffene Lage gut überstehen wird, und daß sie genügend innere Kraft zu neuem wirtschaftlichen Aufschwung in der kommenden Zeit besitzt. Es ist zweifellos, daß die mühsame Arbeit mancher Jahre zerstört ist und daß manches blühende Unternehmen ruhen muß. Dies darf uns jedoch nicht abhalten, weiter tätig zu sein. Wir wollen nicht ruhen noch rasten, wir wollen weiter arbeiten, um das Bestehende zu erhalten und die großen Interessen unseres Gebietes zu wahren. Jede Arbeit, die im gegenwärtigen Augenblick und in den kommenden Monaten durch die Verkehrsvereine geleistet wird, ist von nicht zu unterschätzender Bedeutung für die Zukunft. Es dürfte daher die Pflicht jeder Stadt, jeder Gemeinde und jedes Vereins sowie aller am Fremdenverkehr beteiligten Personen sein, die bestehenden Einrichtungen zu unterstützen, damit dieser wichtige Teil des wirtschaftlichen Gedeihens unserer schönen Heimat erhalten bleibt.

Für unsere rheinischen Jungens im Felde. Nach anstrengendem Dienst im Schützengraben werden den Mannschaften regelmäßig einige Tage Ruhe gegönnt. Diese Ruhe wird in den Lagern verbracht. Hier sollen Truppen, Offiziere und Mannschaften neuen Mut und Lebensfreude sammeln. Hierzu ist es aber nötig, daß die Lager wohnlich eingerichtet werden und daß den Leuten Zerstreuung und Abwechselung geboten wird. Unsere rheinischen Jungens bitten hierbei zu helfen. Benötigt werden Musikinstrumente: Klaviere, Grammophone, Harmonikas, Wand- und Zimmerdekorationen, Kücheneinrichtungen, Bettwäsche, Matratzen, Bettstellen, Kopfpolster; ferner Unterhaltungsspiele: Kegeln und Kugeln, Dame- und Schachbretter, Tennis- und Fußbälle, Turngeräte aller Art, besonders Reckstangen, Badewannen, Möbel aller Art, Tische, Stühle, besonders Liegestühle. Sammelstelle für Bonn Baracke des Roten Kreuzes, Quantiusstraße (Telephon 4875); Sammelstelle für Godesberg, Rheinallee 22. Auf Wunsch werden die Sachen auch abgeholt.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

   

Anzeige im General-Anzeiger vom 6. Juni 1915Seltener Besuch. Ein junges Reh stattete gestern den Anlagen und Wiesen unserer Stadt einen Besuch ab. In mehreren Sprüngen tanzte es auf der Hofgartenwiese, fraß von dem Gras und dem jungen Laub der Büsche und ließ sich in seiner lustigen Freiheit nicht stören, bis Vorübergehende es einzufangen versuchten. Da setzte das Tierchen in weiten Sprüngen durch die Anlagen auf den Kaiserplatz, sprang dort, von mehreren Burschen verfolgt, in das Schaufenster eines Teppichgeschäftes, das dabei in Trümmern ging, und verfing sich schließlich mit seinem Gehörn in dem eisernen Gitter der evangelischen Kirche. Dort wurde es, an allen Gliedern bebend, eingefangen und dann der Polizei zugeführt. Ob es dort nun mit einem Verweis davonkam, oder ob man ein Verfahren wegen groben Unfugs und Sachbeschädigung gegen den fröhlichen Waldbewohner einleiten wird, entzieht sich unserer Kenntnis. Vorläufig befindet sich das Tierchen in der Obhut eines Kessenicher Landwirtes. Wenn es einem Zwinger entsprungen ist, kann der Eigentümer sich bei der Polizei melden.

Mehrere Bäcker mußten sich gestern vor dem Schöffengericht verantworten, weil sie in einigen Fällen nicht das Datum der Brotabnahme in das Brotbuch eingetragen hatten, in anderen Fällen Kunden mehr Brot abgegeben hatten, als sie nach den bestehenden Vorschriften durften. Jeder der Angeklagten wurde zu einer Geldstrafe von 5 Mark verurteilt.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)