Samstag, 5. Juni 1915

  

Anzeige im General-Anzeiger vom 5. Juni 1915Die Stadtverordneten erledigten in ihrer gestrigen Sitzung mehrere Sonderrechnungen aus dem Jahre 1913, beschlossen die Neupflasterung der Wenzelgasse zwischen Markt und Brückenstraße, die Anschaffung einer Kartoffelschälmaschine für das Pflegehaus und die Uebernahme der Aufbewahrungs- und Unterhaltungskosten für die Rosenmontagskostüme auf die Stadt. Zu einem Antrage der Freien Wirte-Innung auf Strompreisermäßigung für die Großabnehmer während des Krieges wurde beschlossen, daß diejenigen bisherigen Großabnehmer, die die Grenze von 5000 verbrauchten Kilowattstunden jährlich im Kriege nicht erreichen, nicht für jede fehlende Kilowattstunde 30 Pfg. nachzahlen, sondern für die wirklich verbrauchte Strommenge 40 Pfg. die Kilowattstunde bezahlen sollen.
   In geheimer Sitzung wurden für die Grundstücke Koblenzer Straße Nr. 72 bis 106 (auf der Westseite zwischen Weber- und Arndtstraße) Vorgärten festgesetzt. Dem Deutschen Genesungsheim in Wiesbaden, das die Einrichtung von Genesungsheimen in deutschen Kur- und Badeorten für Angehörige der österreichisch-ungarischen und ottomanischen Armee und Marine sich zur Aufgabe gestellt hat, wurde eine Zuwendung von 5000 Mk. bewilligt.

Die Rekruten des Reserve-Infanterie-Regiments Nr. 53 aus Köln, über 500 Mann, machten am Fronleichnamstage einen Ausflug nach Bonn, Godesberg und Honnef. Sie trafen gegen 8 Uhr früh mit der Rheinuferbahn in Bonn ein, zogen dann unter den lustigen Klängen einer Bonner Militärkapelle auf den Venusberg. Nachdem in der Casselsruhe ausgiebig gefrühstückt und auf dem Exerzierplatze einige Bewegungsspiele unternommen worden waren, wurde gegen Mittag der Marsch nach Godesberg, Mehlem, Königswinter, Honnef angetreten. Im Honnefer Kurgarten wurden die jungen Vaterlandsverteidiger wieder frei bewirtet, dann wurde am Abend nach Köln zurückgefahren.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 5. Juni 1915Ein neues Hirtenschreiben des Erzbischofs von Köln wird am Sonntag den 6. Juni von allen Kanzeln des Erzbistums verlesen. Es wird darin zum Ausdruck gebracht, daß das Gebet um Gottes Schutz und Segen für unser Land nicht vergebens gewesen sei, da bis jetzt Gott unsere Waffen gesegnet habe. Wir sollen aber nicht nachlassen im Beten, da die schwere Kriegsprüfung noch weiter fortdauert. Der Erzbischof empfiehlt den Gläubigen besonders die Andacht zum göttlichen Herzen Jesu. Um den Erneuerungstag der Weihe an das Herz Jesu auszuzeichnen, wird am darauffolgenden Sonntag (13. Juni) in allen Kirchen der Erzdiözese ein dreizehnstündiges Gebet zur Erlangung eines baldigen siegreichen Friedens stattfinden.

Ein ausgewachsener Rehbock hatte sich heute morgen in unsere Stadt verirrt. Im Hofgarten fand seine Wanderung dadurch ein jähes Ende daß er sich mit seinem Gehörn in dem Einfassungsgitter an der evangelischen Kirche verfing und trotz aller Bemühungen nicht mehr los kommen konnte. Anfangs wagte niemand sich dem heftig um sich schlagenden Rehbock zu nähern bis schließlich ein Postbeamter das Tier aus seiner mißlichen Lage befreite und es mit zum Postamt nahm, wo es in Ruhe der weitere Dinge entgegensieht. Gestern nacht wurden sogar mehrere Rehböcke in der Poppelsdorfer Allee beobachtet.

Anzeige im General-Anzeiger vom 5. Juni 1915Wegen Vergehens gegen die Bundesratsverordnung über den Mehlverbrauch waren verschiedene Bäcker und Geschäftsleute aus Bonn gestern vor dem Schöffengericht angeklagt, weil sie die vorgeschriebene Mehlbestandsanzeige nicht rechtzeitig erstattet hatten. Durch Auskunft des Mehlamts wurde festgestellt, daß der Mehlvorrat der sämtlichen Angeklagten weniger als zwei Zentner betragen habe, sodaß keine Anzeige erforderlich war. Das Gericht sprach daher die Angeklagten frei.
   Wegen Vergehens gegen die Bäckereiverordnung des Bundesrats hatte sich eine Anzahl Bäcker aus der Umgegend gestern vor dem Schöffengericht zu verantworten. Einige von ihnen hatten, entgegen der bestehenden Verordnung, in das Brotbuch nicht das Datum eingetragen, an dem das Brot ausgegeben war. Zwei hatten in einer Woche mehr Brot ausgegeben als den Beziehern zustand. Sie entschuldigten sich damit, daß sie in der folgenden Woche weniger ausgegeben hätten. Das Urteil lautete für sämtliche Angeklagte auf je 5 Mk. Geldstrafe.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

Anzeige im General-Anzeiger vom 5. Juni 1915Zur Erledigung der Quartierentschädigung. An das Oberbürgermeisteramt sei an dieser Stelle die freundliche Bitte gerichtet, die Beamten, die die Erledigung der Forderungen aus den Quartierbilleten zu besorgen haben, dahin anzuweisen, daß der Geschäftsgang sich möglichst rasch abwickelt. Die Bürger, deren Einkommen durch den Krieg geschmälert ist und die durch die Nahrungsmittelteuerung, Erhöhung der Preise für Stiefel, Kleider usw. empfindlich belastet sind, würden es wohl allgemein mit Dank begrüßen, wenn sie ihre Entschädigung für die wochenlange Beherbergung von Militärpersonen möglichst rasch angewiesen erhielten.
   Es bedarf keines Nachweises, daß die Bürger die Verpflegung im vaterländischen Interesse gerne und opferwillig leisten, auch trotz des Umstandes, daß zu dem von der Stadt gewährten Entschädigungssatz der Bürger aus seiner Tasche täglich noch 1 Mark bis 1,50 Mark hinzuzahlen muß, um die militärischen Quartiergäste in befriedigender Weise verpflegen zu können. Es bedeutet aber eine unnötige Erschwerung der willig gebrachten Opfer, wenn die Auszahlung der Entschädigung sich wochenlang hinzieht.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)