Samstag, 8. Mai 1915

  

Anzeige im General-Anzeiger vom 8. Mai 1915Wehrbund. Für den 2. Mai hatte die Leitung des Wehrbundes eine Wanderung durch die Baumblüte des Vorgebirges angesetzt. Leider folgten nur wenige Teilnehmer dem poetischen Wanderrufe Geibels; weit mehr Mitglieder hatten sich die zweite Zeile des bekannten Mailiedes so ausgelegt: da bleibe, wer Lust hat ... zu Haus. Möglich, daß auch das regnerische Wetter schuldig war an der geringen Zahl der Wanderfreudigen, obgleich gerade für den zukünftigen Vaterlandsverteidiger Unwetter kein Hinderungsgrund sein sollte. Unter strömendem Regen wurde der Marsch angetreten, der über Endenich zunächst nach Duisdorf führte. Von Duisdorf aus wurde mit Marschsicherung weitergezogen zur Vornahme einer eingelegten Geländeübung, die der Erstürmung von Gielsdorf galt. Diesen Ort hatte eine vorgeschickte Abteilung nämlich besetzt. Trotz der Kriegslage wurde den Teilnehmern auf der Höhe Oedekovens die Stelle gezeigt, von der aus bei klarem Wetter ein schöner Blick auf Bonns Umgebung den Wanderer für die Ersteigung der Höhe belohnt und erfreut. Nach dieser Aussichtspause trat der kriegerische Ernst wieder in sein Recht. Die ausgesandte Vorhut hatte inzwischen festgestellt, wie der Feind Gielsdorf besetzt hatte und wo seine schwächste Stelle war. Auf diese Stelle wurde unter kundiger Führung ein energischer Vorstoß unternommen und Gielsdorf erobert, obgleich der Gegner, der an Zahl schwächer war, es an Umsicht bei der Besetzung nicht hatte fehlen lassen. Vereint zogen nun Freund und Feind auf schmalen, schlüpfrigen Pfaden, die sich zwischen Gärten hinschlängelten, über Olsdorf nach Alfter. Zeigten sich Baum und Strauch, Wald und Flur auch nicht im Sonntagskleide wie bei hellem Sonnenschein und blauem Himmel, sondern im Alltagsgewande der trüben Regenstimmung, fehlte auch der Weitblick auf die Blütenpracht des Vorgebirges, so war die Wanderung doch lohnend. Sie zeigte den emsigen Fleiß der Bewohner dieses ertragreichen Schmuckkästchens unserer Umgebung und die hoffnungsfrohe Aussicht auf eine gute Ernte. Die vorgerückte Zeit verbot die Ausdehnung des Marsches bis Bornheim und so wurde denn von Alfter aus der Rückmarsch angetreten. Am Ziele angelangt, hielt Herr Geheimrat Brinkmann eine Anzeige im General-Anzeiger vom 8. Mai 1915Ansprache, in der er auf die hundertjährige Zugehörigkeit der Rheinlande zu Preußen und auf das 500jähr. ruhmvolle Bestehen der Hohenzollern-Dynastie hinwies. Mit einem dreifachen brausenden Hurrah auf unseren Kaiser, dem die Herzen des Volkes in treuer Hingabe entgegenschlagen, schloß die begeisternde Ansprache, die auf die Herzen der Jugend ersichtlich Eindruck gemacht hatte. Mit einem stramm ausgeführten Parademarsch schloß die Wanderung. – Am kommenden Sonntag wird eine Geländeübung auf der rechten Rheinseite, in der Umgebung Holtorfs, unternommen.

Der Sanitätshund und seine Verwendung. Dieser Vortrag, gehalten von Herrn Polizeikommissar Flaccus, ist im Druck erschienen und wird zu Werbezwecken an Freunde der guten Sache kostenlos abgegeben.

Variété-Theater „Sonne“. Die „Sonne“ eröffnet die Sommerspielzeit durch ein unterhaltendes, abwechslungsreiches und in einigen Nummern sogar außergewöhnlich gutes Programm. Die gymnastischen Neuheiten, die von der Oglos-Truppe mit Eleganz und Sicherheit vorgeführt werden, sind wirklich sehenswert. Akrobatische Kunstfertigkeit, verbunden mit einer ganz einzigartigen grotesken Komik, bringen die drei Gastonas. Wer einmal herzlich lachen will, der muß sich überhaupt den zweiten Teil des Programms ansehen. Da ist Sylveros, der sich in komischen Einfällen überstürzt und außerdem ein ganz vortrefflicher Jonglör ist. Groteskkomik im oberbayrischen Gewand bringen die lustigen Wildschützen Karl und Lottie, die mit ihren drolligen Schnadahüpfeln und Gstanzln große Heiterkeit erregen. Hans Lederer ist ein sehr guter Komiker, der seine zeitgemäßen Kuplets geschmackvoll und ausgezeichnet pointiert vorträgt und reichen Beifall erntet. Das Programm wird noch durch einen Tuch-Mal-Akt Willy Sailers, durch die Zauberkunststücke von Osten-Sevarilla und die Vorträge Gusti Hastels vervollständigt.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

   

Anzeige im General-Anzeiger vom 8. Mai 1915Im Naturheil-Verein sprach gestern abend Herr Richard Jacobs aus Solingen über den Kampf gegen die geplante Aushungerung. Diese perfide Plan Englands müsse und werde mißlingen. Dafür sei aber viel Arbeit zu leisten, weil die deutschen Haushaltungen und die deutschen Küchen ganz anders eingerichtet werden müßten. Die Einfuhr Deutschlands sei zum Teil unterbunden. Die Fleischeinfuhr habe drei Kilo pro Kopf betragen, aber daran werde Deutschland nicht zu Grunde gehen. Viele Krankheiten seien nur auf eine einseitige Fleischernährung zurückzuführen. Die Getreideeinfuhr habe aufgehört, doch diese mangelnde Einfuhr müsse durch Einschränkung der Brauerei und Brennerei wettgemacht werden. Unser Kartoffelreichtum habe sich als ein ausgezeichnetes Mittel zur Streckung unserer Getreidevorräte erwiesen. Es sei ein übertriebenes Verlangen, wenn man jetzt auf einmal alle Schweine schlachten wolle. Pökelfleisch allein sei für den Sommer kein geeignetes Nahrungsmittel. An Eiern, Milch und Fett sei in Deutschland enorm viel verschwendet worden, namentlich durch das Verzehren von Schlagsahne. Daran könne und müsse gespart werden. Die Hausfrauen sollten ihr Fleisch beim Metzger selbst einkaufen, nicht sich bringen lassen, und auch selbst den Markt besuchen. Nichts dürfe in den Mülleimer wandern und daher dürfe man nicht zu viel kochen. Deutschland könne bei weiser Ausnutzung seines Bodens seine Nahrungsmittel selbst erzeugen. Ein Anbauzwang sei für jedes brachliegende Grundstück notwendig. Redner empfahl zum Schluß Anlage von Schrebergärten und die Bepflanzung der Straßen mit Obstbäumen. Den Kriegsinvaliden möge man ein Stückchen Land mit einem Häuschen geben und sie zur Vieh- und Geflügelzucht anleiten. Alle Aufklärungsbestrebungen müßten unterstützt werden. Der Vorsitzende, Herr Vögeli, dankte zum Schluß dem Redner für seine interessanten Ausführungen.

Der Mai warm und naß, den Landleuten so recht nach Wunsch. Bisher war die Maiwitterung gewiß naß genug und den niedergegangenen Regenmengen haben wir das freudige Wachstum der Pflanzen in Feld und Garten, in Wald und Wiese zu verdanken. Der April mit seiner launigen, wechselvollen Witterung hatte den Landmann etwas in Stich gelassenund seine Arbeiten schwer in den Rückhalt gebracht. Die wenigen sonnigwarmen Maitage habe das alles wieder ausgeglichen. Die Aecker konnten bestellt, die anderen notwendigen Arbeiten mit Leichtigkeit erledigt werden, alles ging glatt von Hand und die Saaten und Pflanzen streckten sich zusehends. Alles steht da draußen jetzt üppig und vielverheißend, sodaß wir hoffen dürfen, auch im Kriegsjahr 1915 Scheune und Keller mit reichem Erntesegen füllen zu können. Das Füllen des Fasses wollen wir dann ganz gerne schon den Winzern überlassen.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

  

Anzeige im General-Anzeiger vom 8. Mai 1915Wer hilft? Der Kinderhort in der Wilhelmschule, der seit der Kriegszeit auch eine große Zahl nicht schulpflichtiger Kinder aufgenommen hat, erhält einen stetigen Zuwachs dieser Kleinen, sodaß sich die Notwendigkeit ergab, einen regelrechten Kriegskindergarten für sie einzurichten. Da inzwischen auch eine fachmännisch ausgebildete Leiterin sich gütig für die Sache zur Verfügung stellte, sind glücklich alle Vorbedingungen gegeben, um dieses Kriegsliebeswerk nach der bewährten Fröbelschen Methode ausgestalten zu können. Es fehlt nur noch sehr an den nötigen Utensilien, an kleinem Mobiliar und Spielsachen, besonders Baukästen, Bällen usw. In dieser Zeit, wo so gern und freudig überall geholfen wird, finden sich sicher noch manche Kinderfreunde, die ein Scherflein in Bar oder in Material für unsere Kleinen beisteuern würden. Freundlich zugedachte Gaben werden jederzeit in der Wilhelmschule, im Hofgebäude, links vom Eingang, sowie von Frl. Böttrich, Frauenbund-Büro, Martinstr. 3, und Frl. Maria Jansen, Reuterstraße 12, mit Dank entgegengenommen.

Städtischer Kartoffelverkauf. Beim städtischen Lager sind so große Mengen Kartoffeln eingetroffen, daß die Kartoffeln jetzt auch zentnerweise gekauft werden können. Von jeder Familie können so viele Zentner gekauft werden, wie Haushaltsangehörige im Brotbuch eingetragen sind.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)