Sonntag, 4. April 1915  

  

Anzeige im General-Anzeiger vom 4. April 1915Ostergruß für die Bonner Regimenter. Man schreibt uns: Auf Grund des Aufrufs der Vaterländischen Vereinigungen sind die Liebesgaben für unsere Bonner Regimenter außerordentlich reichlich zusammengeströmt. Am Freitag konnte ein ganzer Eisenbahnwagen schwer beladen nach der Front abrollen und die Anordnungen sind so getroffen, daß er bestimmt bis zum Osterfest bei den einzelnen Truppengruppen anlangt. Der Wagen wird von einem Sanitäter begleitet, so daß auch eine sorgfältige Verteilung an die einzelnen Regimenter durchaus gewährleistet ist. Der Wert der beförderten Liebesgaben, soweit er sich schätzen läßt, ist weit über 6000 Mark zu veranschlagen. Daneben sind noch eine Unmenge kleiner Pakete, die teils mit Ostergrüßen versehen und teils andere scherzhafte Anspielungen auf das Osterfest enthalten, mitgegeben worden. Nochmals sei allen Gebern Dank gesagt.

Urlaub zur Frühjahrsbestellung. Auf Anordnung des stellvertretenden Generalkommandos des 8. Armeekorps sind Urlaubsgesuche für die Frühjahrsbestellung für Leute des Besatzungsheeres – mit der Bescheinigung des Revier-Polizeikommissars und des Oberbürgermeisteramts versehen – direkt an den Ersatztruppenteil, für Leute des Feldheeres, durch Vermittlung des Bezirkskommandos, an das Generalkommando zu richten. Die Gesuche müssen eingehend begründet sein und folgende Angaben enthalten: Art und Umfang des Betriebes, ob und welcher Viehbestand, ob und welche Milchwirtschaft, wieviel Land überhaupt, wieviel zur Frühjahrssaat zu bestellen ist, wieviel Personal da ist, ob und warum kein Ersatz für den Reklamierten zu beschaffen ist, auf wie lange Zeit der Reklamierte für die Frühjahrsbestellung benötigt wird und von wann an. Gehört der Reklamierte zum Feldheer, so ist des Näheren anzugeben, ob und inwiefern ein äußerster Notfall vorliegt.

  (Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

  

Anzeige im General-Anzeiger vom 4. April 1915Ostern 1915. Wie ganz anders wirken diese Tage gegenüber den vorigjährigen Ostertagen auf uns ein. Damals lachte die Friedenssonne über der frühlingsjungen Erde, und wenn auch am politischen Himmel einige dunkle Wölkchen aufzogen, so dachten wir doch nicht an ein drohendes Wetter, oder gar an einen Krieg, wie er uns jetzt wie mit eisernen Klauen umklammert hält. Damals war die einzige Sorge, die uns vor den Ostertagen erfüllte: Wie wird das Wetter? Ausflugs- und Wanderpläne beschäftigten uns, möglichst nahe wollten wir dem Pulsschlag der lenzatmenden Welt sein.
   In diesem Jahre denken wohl wenige an Ausflugs- und Wanderpläne, und auch das Wetter spielt nicht mehr die Hauptrolle. Andere Gedanken und Sorgen erfüllen uns, andere Ereignisse haben uns mit Beschlag genommen und der Krieg, gegen dessen Furchtbarkeit alle anderen Kriege fast Kinderspiele waren, hat in unser Leben und unser Heim mit rauher Hand eingegriffen. Acht Monate schon währet das blutige Ringen. Der Ring der Jahreszeiten will sich in diesem Krieg schließen. In sommerlicher Erntezeit zerriß der Krieg das Friedensband, das bis dahin froh durch deutsche Lande flatterte. Im Sturmwind sprangen wir von Sieg zu Sieg; es kam der Herbst, und im trüben Nebelhauch und Blätterfall kam der Positionskrieg. Und nun ist die Eisherrschaft des Winters gebrochen. Machtvoll zieht der Frühling ins Land. Neues Werden, neues Leben und neue Zuversicht gibt der aufatmenden Welt goldenes Gepräge.
   Auferstehung singen uns die Glocken. Auferstehungsgedanken sind auch in unserer Brust, und wie sich da draußen vor den Toren ein jedes Blümchen und Gräschen der Sonne entgegenhebt und mit starkem Lebenswillen ausblühen will, so gewinnt unsere Siegeszuversicht und Hoffnung auf ein baldiges gutes Ende der furchtbaren Zeit immer mehr Raum in uns.
   Anzeige im General-Anzeiger vom 4. April 1915Anzeige im General-Anzeiger vom 4. April 1915Auch äußerlich hat sich das Bild der Vor-Ostertage in unserer Stadt verändert. Sonst sahen wir fröhliche Osterurlauber aller Waffengattungen in unseren Straßen, festlich helle Kleidung zog das Auge auf sich, Automobile aller Herren Länder huschten an uns vorbei, in den Ausflugsorten vernahmen wir ein internationales Sprachengewirr. Auch das hat sich geändert. Statt der Osterurlauber spazieren am Krückstock oder den Arm in der Binde unsere tapferen Krieger langsam des Wegs, statt froher Festkleidung begegnen wir manchen Frauen in tiefem Schwarz, und sausen jetzt Automobile an uns vorbei, so sind es nur selten Luxuswagen, sondern Kraftwagen in feldgrauem Anstrich und in militärischen Diensten. Ausländer sehen wir fast keine mehr, höchstens daß de breithosige Holländer mit volltönender Stimme seine „Hollanske Böcking“ anpreist.
   Bei dieser Gelegenheit mag auch hier daran erinnert sein, daß, wie von anderen Seiten schon betont, dem Reisedrang nach dem Auslande Einhalt getan werden muß.

Gegen die festgesetzten Höchstpreise hatte sich ein Getreidehändler aus einem benachbarten Ort vergangen und zwar hatte er von drei Bauern Weizen und Hafer zu einem Preise gekauft, der über den Höchstpreis, der für diese Getreidearten angesetzt war, hinausging. Vor der Strafkammer entschuldigte der Angeklagte sich am Samstag damit, er sei zu solchen Maßnahmen durch die Konkurrenz gezwungen worden, die ebenfalls diese Preise bezahlt habe. Das Gericht erkannte auf eine Geldstrafe von 100 Mark.

Wegen Vergehens gegen die Bundesratsverordnung vom 25. Januar 1915 hatten sich am Samstag vor der Strafkammer 16 Gewerbetreibende, meist Bäcker aus Bonn und der näheren Umgegend zu verantworten. Das Gericht erkannte auf Strafen von 15 bis 100 Mark, in jedem einzelnen Falle.

Anzeige im General-Anzeiger vom 4. April 1915In der „Sonne“ am Markt tritt von Sonntag ab für kurze Zeit Hofschauspieler Michael Pichon in dem holländischen Drama „Der Brandstifter“ auf. In diesem Stück spielt Pichon die Rollen aller sieben auftretenden Personen, und zwar, wie die Preßberichte einstimmig erklären, in ausgezeichneter Weise. „Der Brandstifter“ ist kein Stück für Verwandlungskünstler, deren Hauptaufgabe darin besteht, mit unheimlicher Geschwindigkeit einen Kleiderwechsel vorzunehmen, sondern ein Werk, das sieben ganze Schauspieler von Qualität erfordert. Aus dem übrigen Programm ist noch das Auftreten des Kölner Universalkünstlers R. Segommer zu erwähnen, der die Erlebnisse des Gefreiten Schmitz im Gefangenenlager zum Besten gibt.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

Die Eierpreise sind von einzelnen Bonner Geschäften kurz vor dem Osterfeste plötzlich erhöht worden. Angesichts einer derartigen Ausnutzung der Konjunktur wäre es allerdings rätlich, den „Osterhasen“ streiken zu lassen.

 (Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)

  

Anzeige in der Deutschen Reichs-Zeitung vom 4. April 1915Auf der Siebengebirgsbahn wird der Betrieb Ostersonntag und Ostermontag zeitweilig verstärkt und zwar fahren die Züge in der Richtung Bonn-Königswinter in der Zeit von 1,50 bis 4,50 Uhr und von 5,50 bis 7,30 Uhr halbstündlich ab Meckenheimer Straße (Bonn); in der Richtung Königswinter-Bonn in der Zeit von 2,10 bis 9,40 Uhr halbstündlich ab Königswinter.

Städt. Lyzeum. Dem soeben erschienenen Jahresbericht entnehmen wir: Die schnell herangewachsene Anstalt wird in der nächsten Zeit einen sprunghaften Fortschritt in ihrer Entwicklung erfahren, indem die aufgelöste private Studienanstalt Ostern 1915 mit dem Städt. Lyzeum vereinigt wird. Der für das Lyzeum erbaute Schulhaus-Neubau wird Ostern bezogen werden. Durch die Angliederung der Studienanstalt wurde ein Anbau nötig, der erst nach den Herbstferien benutzt werden kann. Ein kleiner Rest der Anstalt wird also bis zum Herbst im bisherigen Schulhause, Coblenzerstraße 90, verbleiben müssen. Zwei Lehrer, Dr. Biederlack und Dolberg wurden zum Heere einberufen. Herr Dr. Biederlack ist inzwischen gefallen.

Anzeige in der Deutschen Reichs-Zeitung vom 4. April 1915Eine wichtige Erfindung für unsere Krieger. In Bonner Lazaretten ist in den letzten Wochen eine sehr beachtenswerte Erfindung des Orthopäden Karl Leopold Müller (Bonn) erprobt worden. Sie dient dazu, bei Verwundungen eines Gliedes den Blutabfluß zu stauen, bezw. Ganz erheblich zu verringern. Es ist erstaunlich, mit wie einfachen Mitteln der Erfinder diesen Zweck erreicht. Er hat nur einen starken, 60 Zentimeter langen und 2 Zentimeter breiten Gurt mit einer patentierten, selbsttätig schließenden Schnalle verbunden. Jeder Soldat kann bei leichter oder schwerer Verwundung eines Gliedes diesen sogenannten Selbst-Abbinder ohne fremde Hülfe an sich anwenden, und dadurch das verletzte Glied, sehr oft auch sein Leben erhalten. Bis jetzt verbanden verwundete Soldaten das verletzte Glied mit dem Taschentuch oder einem anderen anderen Hülfsmittel ab. Das war aber immer eine unvollkommene, manchesmal sogar schädliche Maßnahme. Und vor allem bedurfte der Verwundete dazu der Hülfe eines Zweiten. Das ist beim Selbst-Abbinder nicht notwendig. Mehrere hervorragende Bonner Aerzte haben sich über die Erfindung sehr lobend geäußert.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)