Donnerstag, 1. April 1915  

  

Sonntagsarbeiten. Die landwirtschaftlichen Arbeiten in der Zeit der Frühjahrsbestellung dürfen auch an Sonn- und Feiertagen vorgenommen werden, da die vollständige Durchführung der Frühjahrsbestellung in dieser Kriegszeit ein Interesse von hervorragender Bedeutung für die Allgemeinheit bildet. Doch soll darauf Bedacht genommen werden, daß die Zeit des Hauptgottesdienstes frei bleibt.

Anzeige im General-Anzeiger vom 1. April 1915Drei Andachtsbücher für unsere Krieger hat Herr Geh. Konsistorialrat und Militäroberpfarrer a. D. Dr. Rocholl in Bonn geschrieben. Man merkt den Schriftchen an, daß der Verfasser in der Gedankenwelt des Soldaten zu Hause ist. Die Andachtsbücher, in denen echt soldatischer Geist mit dem Geist des Evangeliums sich verbinden, werden im kirchlichen Anzeiger unserer evangelischen Gemeinde den Gemeindemitgliedern, die ihren Angehörigen religiöse Kost ins Feld schicken wollen, herzlich empfohlen. Die drei Schriftchen sind: 1. Allein mit Gott! Ein Gebetbuch für unsere Soldaten im Felde. – 2. Mut und Kraft aus Gottes Wort. Ein Andachtswort für unser tapferes Kriegsheer. – 3. Deutsche Ostern, Ein Ostergruß an unsere tapferen Krieger. – Sie sind erschienen in dem Buch- und Kunstverlag Carl Hirsch in Konstanz; die Heftchen kosten einzeln 15 Pfg., bei 25 Stück 12 Pfg., bei 100 Stück 10 Pfg., sie wiegen etwa 20 Gramm und können bequem in jeden Briefumschlag gesteckt werden.

 (Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

 

Bismarckfeier in Bonn
Bismarcks 100. Geburtstag wurde gestern abend unter außerordentlich großer Beteiligung vom Liberalen Bürger-Verein im weißen Saale der Lese in einer würdigen Gedächtnisfeier begangen.Eingeleitet wurde die Feier durch einen gemeinsamen Gesang und eine Begrü­ßungsansprache von Prof. Schmidt. Im Mittelpunkt der Feier stand die Festrede von Ge­heimrat Prof. Dr. Litzmann, eine Rede von machtvoller Wirkung und ehrfürchtiger Liebe zu Bismarck und seinem eisengeschmiedeten Lebenswerk. Durch persönliche Erinnerungen bereichert, ließ Redner an den Augen der Zuschauer das Lebensbild des Alten aus dem Sachsenwald vorüberziehen. Bismarcks Politik sei eine Politik der Kraft, der Tat gewesen, deren Spuren in diesem schweren Kriege ersichtlich seien. Durch Bismarck habe sich das deutsche Volk zu einem Willen zusammengetan, sei Deutschland groß geworden und wer­de sich auch fernerhin in alter Kraft und Treue behaupten. Was uns verloren schien, was wir zu vergessen drohten, das sei bei seinem hundertjährigen Geburtstage in unser Ge­dächtnis neu eingeschrieben worden: daß es Bismarcks Geist sei, der in uns lebe, der uns gegen eine Welt von Feinden behaupte, und uns todesmutig und unerschüttert zum Siege führe. Er habe uns den neuen Typ deutschen Helden- und Staatsbürgertums vor die Seele gestellt und durch sein Beispiel dieses neue Mannesideal uns und unsern Kindern tief ins Herz eingeschrieben. Abbildung auf der Titelseite des General-Anzeigers vom 1. April 1915Der Geist, der als Schreckgespenst unter unseren Feinden umgehe, der Geist des Militarismus, der uns durch Bismarck ins Blut eingeflößt sei, jenes Militaris­mus, der nicht im Gegensatz stehe zum Bürgertum, sondern der uns die Pflichten und das Recht gegeben hat, als Weltmacht unsere friedliche Bahn über den Erdball zu ziehen und unseren nationalen Wettkampf einzusetzen, dieser Geist werde nie und nim­mer vergehen. Des Redners kraftvolle Ansprache schloß mit dem gemeinschaftlich aufge­nommenen Ge­sang „Deutschland, Deutschland über alles“. Der M.-G.-V. „Concordia“, un­ter Leitung von Musikdirektor Prof. Grüters, sowie das Städt. Orchester unter Leitung des städtischen Ka­pellmeisters Sauer bereicherten die Gedächtnisfeier, die einen starken vol­len Klang hinter­ließ und allen Teilnehmern unvergessen bleiben wird.
   Eine Gedenkfeier zur 100. Wiederkehr des Geburtstages Otto von Bismarcks fand ferner gestern abend unter Mitwirkung des Bonner Männer-Gesangvereins im überfüllten Saa­le des Bonner Bürgervereins statt. Herr Landgerichtsdirektor Douqué eröffnete die Feier mit einer Ansprache, in der er darauf hinwies, daß der 100. Geburtstag Bismarcks, wenn er nicht in eine so ernste Zeit fiel, mit viel größerem äußeren Gepränge begangen werden würde, ähnlich wie die Grundsteinlegung und die Einweihung des Niederwald-Denkmals. Man habe die Feier verschieben wollen, aber darauf könne die Antwort nicht zweifelhaft sein, denn die Feier könne nur am Tage selbst begangen werden. Man wolle den Tag wür­dig und ernst begehen durch eine Stunde der Erhebung, in der Erinnerung daran, daß das deutsche Reich heute verteidigt werden müsse von der Flotte und vom Heer unter unse­rem Kaiser. Der Kaiser, das Volk und das Heer gehörten enge zusammen. Sie seien auf­gebaut auf dem Fundament der deutschen Treue. Redner schloß mit einem Hoch auf den Kaiser.
    Der Bonner Männer-Gesangverein trug unter Leitung seines Chrormeisters Herrn Sauer Conradin Kreutzers „Lied an das Vaterland“ und H. Schmiedings „Horch, Sturmesflügel rauschen“ mit packender Wirkung vor.
   In seiner Festrede wies Herr General-Superintendent Klingemann aus Koblenz darauf hin, daß man den 100. Geburtstag Bismarcks anders als man gedacht habe, begehe. Man habe sich wohl auf den schönen Tag gefreut und sich an ihm sonnen wollen im Glanz der unvergleichlichen Vergangenheit. Es sei anders gekommen. Durch die große und ernste Zeit seien wir aus der Ruhe aufgerüttelt worden, aber wir hätten Anlaß zur vaterländischen Freude. Der Zwiespalt sei geschwunden. Es gebe kein Auseinandergehen mehr zwischen dem Kaiser und der Bismarck-Verehrung. Noch sei die Zeit nicht gekommen, um Bis­marcks Leben in allen seinen Einzelheiten darzustellen und er wolle sich auch nicht ver­messen, im Laufe eines Vortrages ein Lebensbild von Bismarck zu geben. Redner wies dann in kurzen Zügen auf die Entwicklung Bismarcks vom Junker des ersten preußischen Abgeordnetenhauses hin zum deutschen Reichskanzler und dem großen Staatsmann. Sein Grundgedanke sei immer das Preußentum zugleich als ein einiges Deutschland ge­wesen. Nur wenn man dies beachte, verstehe man ihn. Mit einer Parallele zwischen Goe­the und Bismarck schloß Redner seinen sehr beifällig aufgenommenen Vortrag.
   Die zahlreichen Anwesenden stimmten zum Schluß „Deutschland über alles“ an.

Anzeige im General-Anzeiger vom 1. April 1915Die Schülerinnen der Stiftsschule haben in den letzten 4 Wochen 4790 Mark in Goldgeld gesammelt und es teils bei der Post, teils bei der Reichsbank gegen Papiergeld umgetauscht.

Bonner Wehrbund. Das Königl. Bezirkskommando Bonn veröffentlicht in der heutigen Nummer des „General-Anzeigers“ eine Bekanntmachung, in der der nichtgediente Landsturm, die Ersatz-Reservisten usw. aufgefordert werden, dem Bonner Wehrbund als Mitglied beizutreten, um den großen Anforderungen, die die Heeresverwaltung an die körperliche Leistungsfähigkeit der Truppe stellen muß, gewachsen zu sein. Die Erreichung dieses Zieles hat sich der Bonner Wehrbund mit bestem Erfolg zur Aufgabe gemacht, und zwar durch Exerzieren, Freiübungen, Märsche und kleinere Uebungen an Turngeräten. Den Teilnehmern entstehen keine Kosten.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

  

Prozession. Es sei auch an dieser Stelle auf die seit nahezu zwei Jahrhunderten von der Marianischen Junggesellen-Sodalität veranstaltete Karfreitagsprozession nach dem Kreuzberge hingewiesen. Dieselbe dürfte besonders in dieser schweren Kriegszeit ihre alte Anziehungskraft beibehalten und sich einer großen Teilnahme der Bürgerschaft Bonns erfreuen. Die Prozession zieht um 1 Uhr mittags von der Münsterkirche aus.

Deutsche soziale Fürsorge und deutscher Siegeswille lautet das Thema des Vortrages, den der Präsident des Reichsversicherungsamtes Wirkl. Geh. Ober-Regierungsrat Dr. Kaufmann demnächst hier in seiner Vaterstadt halten wird.
  
Es steht zu erwarten, daß dem für alle Berufsstände wichtige Vortrage großes Interesse entgegengebracht wird, zumal er von der berufensten Seite gehalten wird. Der Reinertrag ist für die hiesigen Vaterländischen Vereinigungen bestimmt. Näheres über den Vortrag, den Verkauf der Eintrittskarten usw., ist aus dem Anzeigenteil ersichtlich.

Die Drachenfelsbahn nimmt heute wieder ihren Betrieb auf. Der Betrieb der Petersbergbahn ruht während der Dauer des Krieges.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)