Dienstag, 9. Februar 1915
Der Bonner Wehrbund veranstaltete am Sonntag nachmittag eine größere Geländeübung, in der auch die Abteilung des Kgl. Gymnasiums in großer Zahl, eine Abteilung des Ernst-Moritz-Arndt-Bundes und eine Kolonne der Freiwilligen Sanitäter teilnahmen. Der Uebung lag der Gedanke zu Grunde, daß eine blaue Westarmee bei Rheindorf den Rhein zu überschreiten suche, dem eine rote Ostarmee mit der Absicht entgegen träte, die Absicht des Feindes nicht nur zu verhindern, sondern ihn auch noch zurückzuschlagen. Die Parteien rückten von Dransdorf und vom Nordfriedhof aus gegeneinander vor. Im Gelände des Tannenbusches kam es zum Zusammenstoß beider Parteien, der zu einem wiederholten Begegnungsgefecht in lang gezogenen Schützenlinien führte. Den Blauen gelang es erst durch eine Flankenbewegung die Roten in Bedrängnis zu bringen; bei einem zweiten Vorgehen der Roten mußten sich die Blauen aber auf Dransdorf zurückziehen. Die Roten folgten ihnen, nahmen eine größere Abteilung gefangen, erlagen aber bei einem kühnen Sturmangriff auf das Dorf den Blauen, die eine fast uneinnehmbare sichere Stellung eingenommen hatten. Um 6 Uhr zogen alle Abteilungen mit der Freiwilligen Sanitätskolonne, die im Sande des Tannenbusches wiederholt Gelegenheit gehabt hatte, markierte Verwundete aus dem Gefechtsfeld zu schaffen, in langem Zuge wieder in die Stadt ein. Die Ungunst des sandigen Geländes und der wiederholte Sturmlauf auf ansteigendem Boden hatte eine reichliche körperliche Anstrengung der Mannschaften erfordert und damit den Hauptzweck der ganzen Uebung in hohem Grade erreicht, die Teilnehmer an anstrengende Leistungen zu gewöhnen.
Die Allgemeine Sterbekasse zu Bonn teilt in ihrem Jahresbericht mit, daß infolge des Ueberschusses vom Jahre 1911 den zum Dienst im Heere und in der Marine einberufenen Mitgliedern ihr voller Sterbegeld-Anspruch verbleiben kann. Um die Ausgaben, die durch die Kriegssterbefälle eintreten, zu verringern, beschloß der Vorstand, eine Rückversicherung aller am Kriege teilnehmenden Mitglieder bei der Kriegsversicherung der Rheinprovinz mit je einem Anteilscheine zu 10 M.
Der Fastenhirtenbrief des Kölner Kardinals. In dem am Sonntag erschienenen Fastenhirtenbrief des Kardinals Erzbischof von Hartmann heißt es u.a.: „Gott war mit unseren heldenmütigen Kriegern im Westen wie im Osten, auf dem Meere und in der Luft. Jeder von uns muß mutig die von ihm geforderten Opfer bringen. Unsere Krieger sind in den aufgezwungenen Krieg gezogen für das Fortbestehen und die Freiheit unserer geliebten deutschen Heimat. Und welche Heldentaten haben unsere Truppen nicht schon unter Gottes Schutz vollbracht, voran ihre herrlichen Führer, der Kaiser und die deutschen Fürsten, Heldentaten, die fortleuchten werden durch alle kommenden Zeiten. Auch kostbare Früchte des Opfermutes und der Nächstenliebe hat der Krieg gebracht, sowohl in der Heimat wie im Felde.“ Nachdem der Kardinal noch der auf dem Felde der Ehre Gefallenen gedacht hatte, fordert er die im Felde stehenden Truppen auf, weiter auszuharren bis zum endgültigen Siege.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Bonner Lazarettzug K 1. Man schreibt uns: Die dritte und vierte Fahrt führte den Bonner Vereins-Lazarettzug nach Chouny in der Nähe von Soissons. Der große Erfolg der Unseren daselbst war allerdings mit großen Opfern verknüpft, und namentlich unmittelbar nach dem Siege hat der Zug sehr viele recht schwer Verletzte aufgenommen. So wurde die dritte Fahrt eine Probe auf die tatsächliche Leistungsfähigkeit der Einrichtungen des Zuges und seines Personales. Man darf sagen, daß beide ihre Probe gut bestanden haben. Als besonders wohltuend hat sich dabei die schon nach der zweiten Fahrt vollkommen durchgeführte Einrichtung der Lagerstellen mit Matratzen erwiesen. Bei der Schwere der Verletzungen ist es nicht verwunderlich, daß schon weit vor dem Ziele der Fahrt, das Nürnberg war, Verwundete ausgeladen werden mußten, so in Aachen und Bonn selbst. Mit annähernd 200 Kranken erreichte der Zug aber seine Endstation, an der in mustergültiger Weise in etwa 2 ½ Stunden alle Verwundeten ausgeladen waren.
Auf der dritten und vierten Fahrt hat der Zug wieder viele Liebesgaben mitgenommen, die von Bonnern aller Kreise gestiftet waren. Das Rote Kreuz in Nürnberg gab uns einen großen Korb Orangen mit. Alle Gaben fanden dankbarste Abnehmer bei dem Etappenarzt, der die weitere fachgemäße Verteilung regelte und der allen Gebern herzlichst danken läßt.
Die vierte Fahrt verlief glatt. Wieder war der Zug vollbesetzt mit 250 Verwundeten. Auch diesmal mußten in Aachen etwas 20 unserer Braven ausgeladen werden, da ihre Weiterverbringung nicht rätlich erschien. Ziel war diesmal Frankfurt und Hanau.
Nun geht’s zur fünften Fahrt. Mannigfache Aufgaben stehen uns bevor. Immer gibt es noch zu bessern und vervollkommnen. Dazu bedarf es der Mitwirkung aller Seiten, und wir zählen nach wie vor auf den bewährten Opfersinn unserer lieben Vaterstadt zum Wohle unsrer Väter, Söhne und Brüder, die mit ihrem Blut uns den häuslichen Herd bewahren.
Wünschenswert sind vor allem Bettlaken, 120x240 Zentimeter, wollene Decken, Schokolade, Zigarren und Zigaretten. Sammelstelle Bahnhofstraße 40, Geldbeträge bittet man auf der Deutschen Bank, Zweigstelle Bonn, einzuzahlen. (...)
Die Pflichten der Hausfrau im Kriege. Ueber dieses Thema, das jetzt besondere Aufmerksamkeit fordert, ist in unserer Stadt bereits des öfteren gesprochen worden. Wir erinnern nur an die ganz ausgezeichneten Darlegungen des Oekonomierates Kreuz sowie von Frau Dr. Wegscheide-Ziegler, die über zweckmäßige Ernährung zur Kriegszeit vom volkswirtschaftlichen Standpunkt sprachen. Gestern abend war es Frau Prof. Schumacher, die im großen Saal der Lese vor einem zahlreichen Zuhörerkreise ebenfalls das Thema beleuchtete und bemerkenswerte Anregungen bot. Dabei ging Rednerin aus von der jetzt notwendig werdenden Sparsamkeit mit unseren Vorräten an Lebensmitteln. Vor allem gelte es, die Nährstoffe für die menschliche Nahrung nutzbar zu machen, die notwendig werdenden Konsequenzen aus de Futternot zu ziehen und die Lebensmittel für die nächste Zeit richtig zu verteilen, insbesondere auch Dauerwaren aufzuspeichern. – Sparksamkeit sei vor allem erforderlich in der Benutzung von Fetten, Butter, Seife, Malzkaffee, Spiritus, Stärke, Petroleum, Kohle, Eiern, Brot und Brotgetreide. Insbesondere sei gegen die immer noch geübte Verschwendung von Brot und Brotgetreide, Brotresten, energisch Einspruch zu erheben. Reichlicher möge man dagegen Käse jeder Art, Magermilch usw. verwenden.
Da bei dem beschränkten Raum einer Tagespresse nicht auf Einzelheiten auch dieses Vortrages eingegangen werden kann, mag der Anregung Raum gegeben werden, daß sich die maßgebenden Kreise, die, wie Eingangs gesagt, über die Frage bereits gesprochen haben, untereinander verständigen, ihre Erfahrungen und Gedanken auszutauschen. Auf Grund dieser Besprechungen mögen sie das Wichtigste des zeitgemäßen Themas in gedrängter Form gemeinverständlich klar zusammenfassen und durch Drucklegung den weitesten Kreisen unserer Bevölkerung entweder umsonst oder für einen mäßigen Betrag zugänglich machen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Lengsdorf, 7. Febr. Von der Strafkammer in Bonn wurde am Samstag der Student Josef K. aus Bonn wegen Beleidigung des hiesigen Pfarrers Nolte zu einer Geldstrafe von 100 Mark verurteilt. Der Angeklagte hatte einen Artikel in das seiner Familie gehörende Blatt aufgenommen, der geeignet war, den Pfarrer in der öffentlichen Meinung herabzusetzen. Im Urteil wurde festgestellt, daß der Pfarrer in keiner Weise seine Befugnisse überschritten habe.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Von Nah und fern“)
5 Bonner Krankenschwestern nach Rußland. Nachdem am 28. Januar der Vaterl. Frauen-Verein Stadtkreis Bonn 6 Schwestern nach Lodz ausgesandt hatte, und inzwischen die Nachricht eingetroffen ist, daß diese glücklich an ihrem Bestimmungsorte angelangt sind, fuhren am 7. Februar wiederum fünf Schwestern des Vaterl. Frauen-Vereins Stadtkreis Bonn nach Rußland. Die Ausreise geschah zusammen mit einer größeren Anzahl anderer Schwestern, von Koblenz aus. Herr Bergassessor Lossen hat es übernommen, als Vetreter des Vereins die Schwestern bis Lodz zu begleiten.
Zeitgemäßer Karneval.
Der kommandierende General des 8. Armeekorps erläßt folgende Bekanntmachung:
„Um Kundgebungen, die der ernsten Zeit nicht entsprechen, während der bevorstehenden Karnevalstage vorzubeugen, verbiete ich für den Bezirk des 8. Armeekorps während der Zeit vom 11. bis 17. Februar 1915:
1. den gewerbsmäßigen Ausschank von Branntwein (Spirituosen) aller Art in sämtlichen Wirtschaftsbetrieben;
2. die Veranstaltung von Versammlungen und Sitzungen auch von Vereinen jeder Art, soweit es sich nicht um wissenschaftliche, religiöse oder rein geschäftliche Angelegenheiten handelt;
3. das Tragen von Verkleidungen oder karnevalistischen Abzeichen in der Oeffentlichkeit und in Vereinsräumen;
4. die Veranstaltung karnevalistischer Aufführungen und Vorträge, das Singen und Spielen karnevalistischer Lieder in öffentlichen Lokalen oder Vereinsräumen, sowie auf Straßen und öffentlichen Plätzen;
5. den Verkauf von Konfetti, Luftschlangen und anderen Karnevalsartikeln.
Die Polizeistunde wird für die angegebene Zeit auch auf geschlossene Gesellschaften ausgedehnt. Sie wird unter Aufheben aller Ausnahmen auf 12 Uhr abends festgesetzt, soweit nicht durch örtliche Maßnahmen eine frühere Stunde bestimmt ist.
Zuwiderhandelnde werden auf Grund des § 9b des Gesetzes über den Belagerungszustand vom 4. Juni 1851 bestraft. –
Wie verlautet, sind für die angegebene Zeit alle Urlaubskarten der Militärpersonen ungültig. Unteroffiziere und Mannschaften müssen um 9 Uhr abends in ihren Quartieren sein.
Brauchen wir noch Hilfslazarettzüge?
Es ist jüngst in Bonn in einem Vortrag gesagt worden, eines der wichtigsten Hilfsmittel, vielleicht das wichtigste Hilfsmittel im Kriegs-Sanitätsdienste, seien die Hilfslazarettzüge. Man müsse zu deren Beschaffung den letzten Pfennig hergeben. Die Rote-Kreuz-Korrespondenz erfährt aber von unterrichteter Seite, daß die von Vereinen, Stadtverwaltungen und privaten Wohltätern ausgerüsteten Hilfslazarettzüge, deren Zahl bereits etwas 150 beträgt, schon jetzt zum Teil wochenlang unbenutzt stehen bleiben müssen. Ihre Vermehrung würde nur noch mehr wertvolles Kapital brach liegen lassen. Unter diesen Umständen sollte die Bereitstellung weiterer Hilfslazarettzüge zunächst unbedingt unterbleiben. Die hierfür bestimmten Spenden könnten besser anderen geeigneten Zwecken zugeführt werden, vor allem der rechtzeitigen Fürsorge für unsere Kriegsinvaliden.
Der städtische Wald auf dem Venusberg für die Viehzucht freigegeben. Nachdem die Staatsforsten in weitgehendster Weise für Viehzüchter zur Streunutzung und Weidezwecke freigegeben worden sind, soll auch der städt. Waldbesitz auf dem Venusberg zu diesem Zwecke nutzbar gemacht werden. Minderbemittelte, die Vieh halten und selbst keinen Wald besitzen, erhalten bei der städt. Gartenverwaltung, Rathausgasse 16 entsprechende Ausweise und einen bestimmten Bezirk angewiesen. Den Besitzern größerer Privatwaldungen wird diese Entgegenkommen, welches zu kleinen Teil zur Unterstützung der Viehzucht und Ernährung unseres Volkes beitragen will, zur Nachahmung empfohlen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)