Sonntag, 7. Februar 1915

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 7. Februar 1915Für den türkischen Lazarettzug sind in der Geschäftsstelle der Bonner Zeitung weiter eingegangen von E.D. (Für jedes Fremdwort, dir entschlüpft, ein Scherflein in die Büchse hüpft.) 20,55 Mark. (...) Die Sammlung in Bonn wird hiermit geschlossen und der Betrag von annähernd 5000 Mark an die Zentral-Sammelstelle für den ersten deutschen Lazarettzug für die türkische Armee in Halle (Saale) gesandt.

Vor der Strafkammer wurde gestern die Beleidigungsklage gegen den Verleger des „Volksmunds“ verhandelt. Der Dechant Winter und der Pfarrer Nolte aus Lengsdorf hatten Strafantrag gestellt wegen eines Artikels in der Nummer 89 vom 16. Mai 1914 des „Volksmunds“. In dem Artikel wurde dem Pfarrer vorgeworfen, daß er die meisten Arbeiter und Handwerker als Sozialdemokraten und sie als nicht zur Kirche gehörig, betrachte, gegen die jedes Mittel, auch das der brutalsten Gewalt anzuwenden, erlaubt sei. Die Kinder dieser Arbeiter betrachte er als künftige Marats und Robespierres, und habe sie geradezu mißhandelt. Die Lehrpersonen behandelte er als seine Untergebenen und drangsaliere sie so, daß eine Lehrerin einen dreimonatigen Urlaub nehmen mußte. Er habe eine sehr genaue Kontrolle ausgeübt, ja, sogar an den Schultüren gehorcht. Einer Familien, die ihr Kind vorzeitig aus der Schule entlassen zu sehen wünschte, habe er, trotzdem der Schulvorstand die Aermlichkeit der häuslichen Verhältnisse anerkannte, einen abschlägigen Bescheid gegeben. Pfarrer Nolte fühle sich eben als Alleinherrscher, und dulde keinen neben sich, nicht einmal seinen Kaplan. So habe er auch das Abschiedsständchen, daß die Gemeinde dem scheidenden Kaplan, der ihr Vertrauen genoß, untersagt. In einer Versammlung habe er Männer, die seiner Meinung nicht waren, mit „grüne Jungen“ angeredet, und einen Wirt in seiner Existenz schwer bedroht, daß er in öffentlicher Versammlung abriet, dessen Lokal zu betreten. Zum Schluß des Artikels hieß es, daß so Sozialdemokraten Anzeige in der Deutschen Reichs-Zeitung vom 7. Februar 1915herangebildet werden und dies durch einen geistlichen Herrn, der unter dem Vorgeben, sie zu bekämpfen, und – entgegen seinem Auftrage als Seelsorger – Zwietracht und Erbitterung geschaffen hat. – Der Angeklagte Kroth bestritt zunächst seine Verantwortlichkeit für die Aufnahme dieses Artikels, gab aber zu, daß er veranlaßt habe, daß der Artikel an dem betreffenden Tage in das Blatt kam. Im übrigen wollte er den Wahrheitsbeweis antreten. – Darauf wird der Zeuge Pfarrer Nolte vernommen. Er legte dar, daß von Anfang an in Lengsdorf eine Partei gewesen sei, die gegen ihn gearbeitet habe, an ihrer Spitze der Hauptlehrer. Als er nach Lengsdorf als Pfarrer gekommen sei, im Juli 1912, seien die Verhältnisse sehr verwildert gewesen, besonders das Schulwesen habe im Argen gelegen. Da sei es sein Recht und seine Pflicht gewesen, als Ortsschulinspektor und Seelsorger, diesen Zuständen abzuhelfen. In freundschaftlichem Tone habe er den Lehrern Ermahnungen zuteil werden lassen. Die übrigen Behauptungen des Artikels wies der Pfarrer als unwahr oder entstellt zurück.
     In den Zeugenaussagen bekundete die Lehrerschaft und auch andere Zeugen, daß Pfarrer Nolte die in dem Artikel erwähnten Vorwürfe verdiente. Die Lehrer und Lehrerinnen von Lengsdorf waren der Ansicht, daß der Pfarrer viel zu weit gegangen war; ferner wurde bekundet, daß er einmal 48 Schüler hintereinander mit dem Stocke gezüchtigt hatte. Daß er einen Wirt durch seine Rede in seiner Existenz schwer bedroht habe, wurde durch die Aussagen der Zeugen festgestellt, ferner Anzeige in der Deutschen Reichs-Zeitung vom 7. Februar 1915daß er den Ausdruck „grüne Menschen“ gebraucht hat gegenüber einem erwachsenen Mann; auch daß durch des Pfarrers scharfes Vorgehen Uneinigkeit und Erbitterung in der Gemeinde herrschte bestätigten einige Zeugen. Andere Zeugen sprachen zu Gunsten des Pfarrers aus. – Nach der Zeugenaussage nahm der Staatsanwalt das Wort. Er hielt den Beweis für erbracht, daß durch den Artikel des Volksmund der Pfarrer beleidigt worden sei und beantragte eine Geldstrafe von 300 Mark. Nach den Plaidoyers der Vertreter des Angeklagten und des Nebenklägers, des Pfarrers, zog sich das Gericht zur Beratung zurück. Das Gericht kam zu dem Beschluß, daß die Beweisanträge abgelehnt werden müßten. Es müsse anerkannt werden, daß der Pfarrer in manchen Fällen zu energisch vorgegangen wäre und daß dadurch die Verstimmung in Lengsdorf entstanden sei. Im großen und ganzen habe der Pfarrer es aber als seine Pflicht betrachtet, in die schwierigen Verhältnisse Ordnung zu schaffen. Mehrere Behauptungen des Aritkels, wie die Sache mit dem Kelche seien als unwahr nachgewiesen. Andere Behauptungen seien nicht als Tatsache angeführt, sondern als allgemeine Kritik und zwar in einem höhnischen Tone und deshalb seien sie strafbar. Das Gericht erkannte, daß der Angeklagte im Drange der Geschäfte gehandelt habe, und verurteilte ihn mit Rücksicht auf sein jugendliches Alter zu 100 Mark Geldstrafe und zu den Kosten des Verfahrens. Dem Pfarrer wurde das Recht der kostenlosen Veröffentlichung des Urteils im Volksmund zugestanden.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

 

Die Bonner Stadtverordneten traten Samstag nachmittag zu einer vertraulichen Besprechung zusammen, die der Beratung und Beschlußfassung über die Frage der Ernährung unserer Bürgerschaft während des Krieges galt. Zu der Beratung war eine Anzahl Sachverständiger hinzugezogen worden. U.a. waren die Herren Prof. Herm. Schumacher und Dr. Reinhardt, der Generalsekretär der Landwirtschaftskammer der Rheinprovinz, anwesend. Beide Herren legten in eingehenden Vorträgen ihre Ansichten über die Frage der Volksernährung während der Kriegsdauer dar. Da die Verhandlungen einen vorberatenden Charakter trugen, war die Sitzung nicht öffentlich. Ueber das Ergebnis der Beratungen werden wir nähere Mitteilung machen, sobald die Frage spruchreif gewordne ist.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)