Samstag, 6. Februar 1915
Die vaterländischen Reden und Vorträge finden von jetzt ab nur noch Mittwochs statt. Wiederholungen können nicht mehr gehalten werden. Infolgedessen fällt auch die Wiederholung am heutigen Samstagabend bereits aus. Den nächsten Vortrag hält am nächsten Mittwoch Herr Privatdozent Dr. Ohmann über die Psychologie des Krieges. Eintrittskarten zu diesem Vortrag werden von Montagmorgen ab in den Buchhandlungen von Friedrich Cohen und Peter Hanstein und in der Musikalienhandlung Sulzbach ausgegeben.
Bonner Wehrbund. Am Sonntagmorgen findet um 12 Uhr ein Appell der Feldwebel der einzelnen Abteilungen auf der Werbestelle Thomasstraße 2 statt. Sonntagnachmittag vereinigen sich alle Abteilungen um 3 Uhr an der Karlsschule zu einer größeren Geländeübung zwischen Dransdorf und Rheindorf.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Der Ausschuß für hauswirtschaftliche Kriegshilfe hat Franziskanerstraße 9 (Zimmer 24) eine Beratungsstelle eingerichtet, wo am Dienstag und Freitag vorm. 10 bis 12 Uhr über Fragen des wirtschaftlichen Lebens während der Kriegszeit Auskunft erteilt wird. Man kann dort Kochrezepte erhalten, die Einrichtung von Kochkiste und Kochbeutel einsehen und dergl
Mehl zur Herstellung von Seife. Das Verbot der Verwendung von Kartoffelmehl zur Herstellung von Seife ist nunmehr durch den kommandierenden General des stellvertretenden 8. Armeekorps auch auf Reisstärkemehl, Maisstärkemehl, Mandiokamehl und Tapiokamehl ausgedehnt worden.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Aufgefundene Patronenhülsen und Patronen werden von den militärischen Verwaltungsbehörden gegen Zahlung von 25 Pfg. für 1 Kilo angenommen.
August Macke lebt. Vor etwa vier Monaten wurde berichtet, daß einer der begabtesten unter unseren jüngeren Malern, der Bonner August Macke, bei Arras gefallen sei. Nun erzählt Wilhelm Schmidtbonn, der als Berichterstatter des „Berliner Tageblatts“ auf dem westlichen Kriegsschauplatz weilt, daß Macke nur totgesagt worden sei, in Wirklichkeit aber wohlbehalten, wenn auch als Kriegsgefangener in England lebe. Schmidtbonn, der mit Macke befreundet ist, hatte lange an die Todesnachricht nicht glauben wollen: „Obwohl man schließlich darauf gefaßt sein muß, daß einer, der im Krieg steht, fällt, nahm mein Gehirn tagelang diese Nachricht nicht auf. Denn es konnte keinen lebendigeren Menschen geben als diesen hohen, breiten, lachenden August Macke, der nun – unweit einer Stelle, wo er vor ein paar Jahren mit Herbert Eulenberg und mir oft durch den Morgenwind unter Kunstgesprächen gewandert war, und dazu kämpfend gegen die Franzosen, deren Kunst ganz seine Seele füllte – aus diesem bunten Leben ausgestrichen sein sollte. Aber ich glaubte endlich, mußte endlich glauben. Wie alle seine Freunde. Wir schrieben Briefe an seine Frau, die uns unendlich schwer wurden, viele schrieben Nachrufe in den Zeitungen. Aber das Wunderbare war, daß diese junge Frau, fast ein Kind, noch nicht glaubte. Trotz amtlicher Mitteilung nicht glaubte. Trotzdem Kameraden ihren Gatten hatten fallen sehen. Trotzdem nicht der geringste Umstand einen Anlaß gab, an der Tatsache des Todes zu zweifeln: dennoch nicht glaubte. All die Monate hindurch ihre Tage hinlebte in einer fast unheimlichen heiteren Gewißheit. Und jetzt, heute, während unweit die Geschütze rollen: erhalte ich die Nachricht, daß der Tote auferstanden ist, lebt. Er ist in England gefangen. Ich schlage diese junge Frau für das Eiserne Kreuz vor.“ (Frankf. Ztg.)
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Ein Landwirt über die teueren Kartoffel.
Gerade diejenigen schimpfen in den Zeitungen am meisten über die hohen Kartoffelpreise, die die Ursachen dieser Teuerung am wenigsten kennen. Das ist Anmaßung. Und es ist eine bodenlose Frechheit, zu behaupten, daß wir Landwirte die hohen Preise hervorgerufen hätten, um uns unverdienterweise zu bereichern. Alle Lebensmittel sind doch im Preise gestiegen, nicht nur die Kartoffel. Warum macht man den Produzenten jener anderen Waren nicht dieselben Vorwürfe, die man jetzt schon seit Monaten gegen uns erhebt. Wenn ich meine Kartoffel für 3,50 Mark den Zentner verkaufen will und es kommt jemand und bietet mir ohne weiteres 4 Mark, dann bin ich, und auch kein anderer Mensch, so bescheiden und weise die 50 Pfg. pro Zentner zurück. Wir Landwirte richten unsere Preise eben nach dem Angebot. Das möge man doch endlich einmal behalten.
Man sagt, wir hätten unsere Vorräte eingekellert, um sie im Frühjahr zu enormen Preisen abzugeben. Wer nur ein wenig mit den landwirtschaftlichen Verhältnissen vertraut ist, der weiß, daß diese Behauptung glatter Unsinn ist. Die Finanzen des Landmannes stehen nicht so, daß er seine Kartoffelernte überwintern lassen kann. Er muß sie im Herbst verkaufen, um seine November- und Januar-Rechnungen bezahlen zu können. Nur ganz reiche Bauern können sich den Luxus des Ueberwinterns erlauben. (...)
Noch einmal bemerkt: wir Landwirte können die Preise für unsere Waren nie selbst stellen. Dies tuen andere, und wir müssen verkaufen für das, was uns geboten wird. Grade bei uns ist durch Aufbewahren der Ware bis zum Frühjahr nur selten etwas zu verdienen, da Kartoffel an Gewicht und Fäulnis durchweg mehr verlieren, als der Frühjahrspreis aufbringt. Die Verhältnisse, die der Krieg im Gefolge hatte und die Spekulationsmanöver gewisser Leute haben die Preise in die Höhe getrieben.
Auch müssen wir Landwirte in dieser Zeit sicher schwerer tragen, als den Städtern bekannt ist. Die besten Kräfte an Menschen und Tieren sind uns genommen, alles was die Landwirtschaft benötigt, ist im Preise um ein Drittel, oft sogar um die Hälfte gestiegen und nur mit aller Mühe ist es uns möglich, die Felder einigermaßen ordnungsmäßig zu bestellen. Das, was uns heute mehr gezahlt wird für Getreide und Kartoffel, kann unsere Verluste anderseits nicht aufwiegen. Erst die kommende Ernte wird hier deutlicher sprechen.
Ich glaube im Sinne vieler Landwirte gesprochen zu haben, welche all die vielen Zeitungsartikelchen geduldig über sich ergehen ließen. Ein Landwirt.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)