Freitag, 5. Februar 1915

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 5. Februar 1915Bonner Lichtspiele. Gewaltig sind die Fortschritte, die der Kintopp in den letzten Jahren sowohl in technischer als auch künstlerischer Hinsicht erfahren hat. Die anfängliche Scheu anerkannter Künstler, auf der Lichtbildbühne aufzutreten, ist gewichen und heute sieht man selbst die Größten unserer Schauspielkunst im Lichtbild ihre ausdrucksvolle Sprache reden. Den bedeutendsten Werken der Filmkunst, wie beispielsweise „Quo vadis“, „Kleopatra“ usw., hat sich nunmehr ein weiterer Riesenfilm „Julius Caesar“ angeschlossen, den die Bonner Lichtspiele am Samstag vorführen. Es handelt sich um einen sechsaktigen 2300 Meter-Film, dessen Abkurbelung über zwei Stunden erfordert. Der Film ist von der Berliner Presse glänzend besprochen worden.

Die Pflichten der Hausfrau. Am kommenden Montag wird die Gattin des Herrn Professors H. Schumacher im großen Saal der Lese einen Vortrag über die Pflichten der Hausfrau im Kriege halten.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

 

Flickendecken für die Schützengräben.
Bei dem furchtbaren Wetter in den letzten Wochen sind die wollenen Decken in den Schützengräben für die Truppen fast nicht mehr brauchbar. Um nun schnell unsern Truppen neue Decken zuzuführen, ist angeregt worden, in Deutschland Flickendecken herzustellen aus Flicken, wie sie in jedem Haushalt in größeren Mengen vorhanden sind. Die Decken müssen 150 Zentimeter breit und 2 Meter lang sein. Eine große süddeutsche Stadt hat 50 000 solcher Flickendecken in Aussicht gestellt. In Bonn wird auch jedenfalls eine sehr große Menge zusammenkommen, wenn unsere Frauen und Mädchen sich an der Herstellung beteiligen. Die Annahmestelle ist der Freiwillige Hilfsausschuß im hause der Rhein.-Westf. Diskonto-Gesellschaft am Münsterplatz. Die Frauen werden gebeten, halbfertige oder fertige Decken dort abzuliefern.

Anzeige im General-Anzeiger vom 5. Februar 1915Russische Gefangene am Vorgebirge. In mehreren Brikettfabriken am Vorgebirge werden seit einigen Tagen russische Gefangene als Arbeiter beschäftigt. Andere Werke werden solche demnächst noch einstellen.

Ein stadtbekannter Krüppel von hier mußte sich vor dem Kölner Kriegsgericht verantworten. Der Angeklagte, der nur ein Bein hat, ist augenscheinlich ein geistig minderwertiger Mensch, der dem Trunke im bedauerlichsten Maße ergeben ist und der ständig mit den Gesetzen in Konflikt gerät. Insbesondere steht er sehr schlecht den Beamten gegenüber. Diesmal wurde er, was man von einem Krüppel kaum für möglich halten soll, der Widerstandsleistung und des tätlichen Angriffs auf zwei Polizeibeamte beschuldigt. Die Beamten sagen aus, sie hätten den Angeklagten auf der Straße skandalierend vorgefunden und ihn ermahnt, sich ruhig zu verhalten. Alle Vorstellungen waren aber fruchtlos, so daß sie zur Vorführung hätten schreiten müssen, um die Ordnung aufrecht zu erhalten. Der Angeklagte habe sich nun in der erheblichsten Weise widersetzt, sich auf die Erde geworfen und mit den Krücken nach ihnen geschlagen. Mit größter Mühe hätten sie ihn aufnehmen können. Kaum daß der Beschuldigte aufrecht gestanden haben, sei einer der Beamten von ihm heftig vor den Leib getreten worden. Schließlich sei dann der Angeklagte mit ihnen gegangen. Das außerordentliche Kriegsgericht sah in dem Verhalten des Krüppels eine erhebliche Ausschreitung gegen die öffentliche Ordnung und verurteilte ihn zu zwei Jahren Gefängnis.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)

Mehr Ruhe und mehr Ernst. Ein verwundeter Oberjäger schreibt uns: Es war gestern um die Mitternacht, als uns alle im Lazarett (am Römerplatz) ein heiseres Johlen und Gröhlen aufschreckte. Aufs tiefste empören mußten uns diese liederlichen eklen Gassenhauer aus einer schwülen Kultur vor dem Kriege; und, nicht für möglich hielt ich’s: sogar weibliche Anzeige im General-Anzeiger vom 5. Februar 1915Stimmen gellten so widerlich dazwischen. Stundenlang trieben sie ihr schändliches Wesen. Um 2 Uhr setzte das Lärmen mit unverschämter Gewalt von neuem ein. Sogar: „Es braust ein Ruf wie Donnerhall“ sangen diese betrunkenen Laffen! Das Lied, das uns alle begeisterte, als wir auszogen, und das noch alle begeistert, hier mußten wir es schändlich in den Schmutz gezogen sehen. Kann man sich da noch halten vor Zorn? Muß man noch fragen, wo denn diese Leute ihr besseres Selbst verloren? Eine Schandel ist’s um diese verd.... Kneipereien in solcher Zeit. Stopft diese Bierlöcher! Man faßt sich an den Kopf: „Bin ich denn wirklich noch in Deutschland, sind die da drunten wirklich Deutsche?“ Erkennt ihr immer noch nicht, daß euer schlimmster Feind da innen bei euch sitzt? Oder meint ihr, daß die da draußen alle zusammen euch so tief erniedrigen könnten, als dieser eine? Den habt ihr niederzukämpfen, die ihr im Vaterland die Wache halten sollt. Reinigt unser Volkstum von diesem einzigen Schandfleck! Dann seid ihr würdig eurer Brüder und Söhne da draußen. Wollte ich’s ihnen erzählen, was ich hörte und sah, sie würden es nicht glauben, weil sie viel höher denken von dem Vaterland, das hinter ihnen steht. Bonn, den 1. Februar 1915.

Anzeige im General-Anzeiger vom 5. Februar 1915Die elektrische Bahn Bonn-Siegburg und die Arbeiter der Geschoßfabrik und des Feuerwerks-Laboratoriums. Dem Einsender F. vom 27. Januar 1915 des Artikels über die elektrische Bahn Bonn-Siegburg kann man nur dankbar sein, daß er die Beförderungsart der in Siegburg beschäftigten Leute einmal eingehend beleuchtet. Nur kann man nicht verstehen, weshalb er nur für diejenigen Leute eintritt, welche auf der Geschoßfabrik tätig sind. Dort sind 3000, auf dem Feuerwerks-Laboratorium dagegen 9000 Personen beschäftigt, welche doch auch zur Zeit die Bahn benutzen. Außer der Herabsetzung des hohen Fahrpreises am Sonntag, wo wir doch nicht besser befördert werden wie Werktags, wäre auch noch anzustreben, daß der Zug, der morgens um 6.30 Uhr von Siegburg nach Bonn fährt, anstatt auf dem 2., auf dem 1. Geleise abfährt, dann könnten die ankommenden Leute aus der Nachtschicht sofort einsteigen und brauchten nicht die lange Zeit in Wind und Wetter zu stehen.
   Die Ermäßigung des Fahrpreises für die Leute, welche am Sonntag arbeiten müssen, ist bei einer solchen Massenbeförderung wohl ganz selbstverständlich.
   Wenn wir auch von der Direktion der Bahn nach den bisherigen Erfahrungen wenig auf Entgegenkommen rechnen können, so hoffen wir doch, daß unsere Stadtverwaltung einsieht, daß wir bei unserer anstrengenden Tätigkeit ein Recht auf anständige Beförderung haben. Einer, der auch mitfährt.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)