Sonntag, 10. Januar 1915

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 10. Januar 1915Zu Gunsten des Bonner Lazarettzugs wird Schriftsteller Willy Helm nächsten Donnerstag abend in der Aula des Kgl. Gymnasiums seinen Vortrag „Warum wir siegen müssen“, den er schon in mehreren rheinischen Städten gehalten hat, auch hier wiederholen. Wir müssen siegen, nicht aus materiellen, militärischen Gründen, sondern aus ethischen, und daß wir physisch stark sind, hat seine letzte Ursache in unserer sittlichen Kraft; dies ist der Grundgedanke des Vortrages. Daß unser Lazarettzug auch fernerhin immer noch großer Mittel bedarf, ist jedem Bonner zur Genüge bekannt; der Besuch des Vortrags ist aus diesem Grund schon zu empfehlen.

Vaterländische Volksfeier. Am Kaisersgeburtstag wird abends im großen Saale des Bürgervereins eine Vaterländische Volksfeier für die gesamte Bürgerschaft Bonns stattfinden, deren Veranstaltung der Vorstand des Bonner Wehrbundes in die Hand genommen hat. Es werden Ansprachen gehalten, gemeinsame Lieder gesungen und künstlerische Darbietungen geboten werden, die dem Ernst und der Würde der Zeit entsprechen und doch dem Bedürfnis des Volkes Rechnung tragen, in diesem Jahre der Bedeutung des Tages, an dem sich von jeher mehr als an jedem anderen Tage des Jahres die Herzen unserem Kaiser zugewandt haben, besonderen festlichen Ausdruck zu geben. Da der Geburtstag des Kaisers auf einen Wochentag fällt, so kann der Wehrbund an diesem Tage im übrigen seine Mitglieder, die zum großen Teil im gewerblichen Leben stehen, nicht zu einer dem militärischen Charakter des Wehrbundes entsprechenden Veranstaltung vereinigen. Es wird daher eine derartige Veranstaltung in Gestalt eines Appells aller Abteilungen des Wehrbundes auf dem Kaiserplatz auf den Sonntag nach dem Geburtstag des Kaisers verlegt.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 10. Januar 1915Jungdeutschland in Nöten. Ein Leser unseres Blattes, ein Studiosus, erzählt in einem Briefe an uns eine kleine Episode, die er auf einem Sammelplatz des Jungdeutschlandbundes in der Nußallee beobachtet hat. Der Herr Leutnant gibt die Befehle an „seine Leute“, Knaben im Alter von acht bis elf Jahren, die die Beschaffenheit mehrerer Wege festzustellen haben. Namentlich ist darauf zu achten, ob die Wege für schwere Geschütze befahrbar sind. Als noch der eindringliche Befehl ergeht, auf die Zeit zu achten, tritt der Führer der zweiten Abteilung auf den Leutnant zu, steht stramm und sagt: „Zu Befehl, Herr Leutnant, ich hann kenn Uhr.“ Kameradschaftlich löst der Herr Leutnant seine Uhr und gibt sie dem Gefreiten mit der freundlichen Mahnung: „Datt de se mir ävve net kapott mähß!“ Der Unteroffizier von der ersten Abteilung, der ebenfalls ohne Uhr ist, erklärt stolz: „Dat maache me och ohne Uhr; die hamme em Kopp.“ – Erneuter Befehl: „Marsch!“ und dann trennen sich die Abteilungen. Nach etwa 20 bis 25 Minuten sind die einzelnen Führer mit ihrer Mannschaft wieder zur Stelle. Sie erstatten vorschriftsmäßig Meldung und der Führer der dritten Abteilung, der beobachtet hatte, daß der Wittelsbacher Ring besonders günstig sei, weil überall die Möglichkeit der Deckung vorhanden ist, wurde für diese Beobachtung mit dem Eisernen Kreuz am schwarz-weiß-roten Bande ausgezeichnet. Seine Kameraden beglückwünschten ihn mit drei Hurras. Dann folgte eine heimliche Beratung, bei der nur das Wort „requirieren“ verständlich wurde. Was dies zu bedeuten hatte, wurde ich später gewahr, als ich bei einem Freunde, der in der Nähe der Baumschule wohnt, vorsprach und ihm im Hausflur meine jüngsten Kriegserlebnisse erzählte. Es klingelte und bald darauf stand ein Gefreiter und ein Gemeiner in strammer Haltung vor uns baten um – ein Butterbrot. Erstaunt betrachte ich die beiden. „Ja Jungens, habt Ihr vergessen, von der Mutter Euren Tornister packen zu lassen? Ihr kommt doch gerade von einer militärischen Uebung.“ Da reckt sich der Gefreite, steht stramm mit den Händen an der Hosennaht und meldet: „Der Jung, der söns für die Feldköch ze sorge hät, eß hück ußgeblevve, on do hät de Leutnant ons gescheck, Botteramme ze requiriere!“ Der Herr Gefreite hat die nötigen Butterbrote für die Kompagnie erhalten.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

 

Es gibt Hochwasser. Der Rhein und seine Nebenflüsse steigen infolge des anhaltenden Regenwetters von Tag zu Tag. Neckar, Main, Nahe und Mosel steigen innerhalb 24 Stunden um 30 bis 65 Zentimeter.

Gastspiel der Berliner Urania. Die bekannte Berliner Urania veranstaltet am Montag, den 18. Januar, im Bürgervereinssaal ein einmaliges Gastspiel. „Auf den Schlachtfeldern in Ostpreußen“ heißt der mit 120 großen Lichtbildern ausgestattete kochaktuelle Vortrag. Direktor Frank Goerke von der Urania, selbst Ostpreuße und daher genauer Kenner des Landes, ist gleich nach der Schlacht bei Tannenberg im Kraftwagen den Spuren der Russen gefolgt und hat die erschütternden Bilder zu einem hochinteressanten Vortrag vereinigt. Der Vortrag ist ständig im Berliner Theater der Urania ausverkauft und kürzlich fand derselbe den ungeteilten Beifall der Kronprinzessin und der z.Zt. in Berlin anwesenden höheren Offiziere. – Eintrittskarten in der Musikalienhandlung Sulzbach, Fürstenstraße 1, Telephon 620.

Anzeige in der Deutschen Reichs-Zeitung vom 10. Januar 1915Handtücher für unsere Kämpfer im Felde. Unsere Truppen sind bisher mit Handtüchern noch nicht planmäßig ausgerüstet worden. Wie nun der Chef des Feldsanitätswesens vom Großen Hauptquartier mitteilt, sei es erwünscht, die Liebesgabentätigkeit auch auf diesen Gebrauchsgegenstand auszudehnen. Man vermeide jedoch zu große und schwere Handtücher und sende kein Frottiergewebe. Zweckmäßig erscheinen kleine Gerstenkornhandtücher, 60 Ztm. lang und 30 Ztm. breit, die sich bequem im Tornister verpacken lassen.

„Landmacht und Seemacht“. Gymnasialdirektor Dr. Niepmann führte in seinem heute wiederholten Vortrag über „Landmacht und Seemacht“ (dem 18. in der Reihe der Vaterländischen Reden und Vorträge) etwas folgendes aus:
   Dem Ringen unserer Armeen in West und Ost sieht man in Deutschland mit großer Spannung, aber mit vollem Vertrauen auf einen glücklichen Erfolg entgegen; dagegen besteht begreiflicherweise Unsicherheit und auch wohl Besorgnis über den Ausgang des Kampfes mit unserem Gegner zur See: England. (...) Der Redner skizzierte (...) Verlauf und Ergebnis der vier großen Kriege zwischen Land- und Seemacht, die das Problem am reinsten erkennen lassen, der beiden je zehnjährigen Kämpfe zwischen Sparta und Athen, des ersten punischen Krieges zwischen Rom und Karthago und des langen Ringens zwischen England und dem Napoleonischen Frankreich mit Hervorhebung der kriegsgeschichtlich bedeutsamen Gesichtspunkte und der ausschlaggebenden Faktoren. (...)
   Die vergleichende Zusammenstellung der Ergebnisse am Schlusse der historischen Skizze ergab bemerkenswerte Uebereinstimmungen und interessante Parallelen zu dem heutigen Kampfe. (...) So bestätige – damit schloß der Redner – die Geschichte, die freilich eine Lehrerin, aber keine Prophetin sei, das Urteil unserer Politiker, Militärs, Volkswirtschaftler, daß wir dem Ausgang des Riesenkampfes mit guter Zuversicht eintgegensehen könnten, wenn uns erhalten und immer mehr gefestigt werde: die Stärke des Willens zum Siege.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)

 

Das „K“-Brot. Veranlaßt durch die häufigen Mahnungen in Ihrer Zeitung, daß man das sogenannte „K“-Brot essen soll, habe ich bei den verschiedensten Läden darnach gefragt. Leider mußte ich feststellen, daß es hier nicht geführt wird. Man sagt: Ja, das wird bei uns nicht verlangt, daher führen wir es nicht. Dies ist sehr bedauerlich, und es sollte nach meiner Ansicht von der Behörde dafür gesorgt werden, daß verschiedene Läden das „K“-Brot führen. Noch besser wäre es, wenn die Ladenbesitzer veranlaßt würden, Plakate aufzuhängen, die darauf hinweisen, daß man aus wirtschaftlichen Gründen das „K“-Brot essen soll. Dies würde dann auch selbstverständlich die Ladenbesitzer zwingen, das „K“-Brot zu führen.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)