Sonntag, 3. Januar 1915

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 3. Januar 1915Unerhörte Schändung eines deutschen Heldengrabes. Die Metzer Strafkammer verurteilte die 66 Jahre alte Witwe Chamant, geborene Bautrin aus Lly [Lille ??] wegen beschimpfenden Unfugs an einem deutschen Heldengrabe zu einer Woche Gefängnis. Vor dem Hause der Chamant war ein deutscher Soldat bei einem Gefecht gefallen und dort in dem Garten des Hauses der Frau bestattet. Einige Zeit später, als die Truppen abgezogen waren, hatte die Chamant das Grab mit Mist bedeckt und zu einem Gendarmen geäußert: „Die Franzosen werden auch nicht in geweihter Erde bestattet.“ Die Leiche des Soldaten ist ausgegraben und an anderer Stelle bestattet worden.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

 

Die Verwundeten der Nebenstelle des Reserve-Lazaretts IV in der Baumschul-Allee hielten am 23. Dezember eine Weihnachtsfeier ab, an der Herr Chefarzt, Geh. San.-Rat Bachem, sowie verschiedene Damen teilnahmen. Herr Pastor Richter hielt eine zu Herzen gehende Ansprache über Krieg und Frieden. Zum Schluß gabs eine reichliche Bescherung für die Verwundeten. – Am Donnerstag abend wurde den Verwundeten eine Silvesterfeier geboten, bei der es recht lustig zuging. Auch hierbei fehlte es wiederum nicht an Spenden für die verwundeten Soldaten.
   Der Westfalen-Verein bescherte den zahlreichen in Bonn untergebrachten westfälischen Verwundeten Weihnachten Tabak, Zigarren, sowie allerlei sonstige Gegenstände, die von den westfälischen Kriegern dankbar entgegengenommen wurden.
   Am dritten Weihnachtstage veranstaltete der Verein im „Kaiserhof“ eine Weihnachtsfeier, wobei namentlich die Kinder der im Felde stehenden Mitglieder reich bedacht wurden.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Weihnachtsfeiern“)

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 3. Januar 1915Ein alter Bonner Student schreibt aus dem Schützengraben an Herrn Professor Dr. Bülbring:
Bei la Bassée, d. 28. Nov. 14
Sehr verehrter Herr Professor!
   Haben Sie vielen Dank für die übersandten Liebesgaben nebst Brief, die mir gestern abend hier im Schützengraben ausgehändigt wurden. (...) Selbst die spärlichste Nachricht aus der Heimat wird mit dankbarem Herzen aufgenommen. Bei der feenhaften Beleuchtung meines Erdpalastes (durch einen 10 Millimeter „langen“ Kerzenstumpf) habe ich Ihren Brief durchgelesen und bin mit den Delikatessen zu meinem Leutnant und Kompagnieführer geeilt, um sogleich mit ihm ein Festessen zu veranstalten, wozu er Brot und zwei Bouillonwürfel lieferte. Wir sahen beide dreckig und schmierig aus, wie Kanalarbeiter, die bei einem intensiven Landregen Wasserleitungsrohre legen. So verschwenderisch haben wir lange nicht gelebt. Dabei ist der Weg, den die Essenholer morgens und abends in der Dunkelheit zurückzulegen haben, ein gar gefährlicher. Mehrere Abende hindurch geschah es, daß Leute von uns beim Essenholen durch verirrte Kugeln getötet oder verwundet wurden. Selbst im Graben ist man nicht absolut sicher. Vorgestern wurde wieder ein Posten in der Deckung erschossen. Der Schädel wurde ihm zerschmettert. Wir mußten über den Toten klettern, wenn wir von einem Ende des Grabens zum andern wollten, da bei Tage kein Verletzter oder Toter hinausgeschafft werden kann. Mein Mantel ist voll Blut und Lehm. (...)
   Doch ich möchte lieber einmal das schon so oft beschriebene Leben in unseren Erdwohnungen schildern und sonst persönliche Erlebnisse, wenn die „Engle“ mir mit ihren Stinkgranaten nur Ruhe lassen. Die Englishmen sitzen nämlich nur 500 Meter von uns entfernt, ebenfalls tief eingegraben. Das geht nun schon so wochenlang: Lange Tage und Nächte im Infanterie- und Artilleriefeuer, von Lüttich über Namur, St. Quentin, Chalons, Reims, Neuve Chapelle und La Baffée, um nur die größten Schlachten zu nennen und ohne etwas abzukriegen – man glaubt fast an Wunder. Jedenfalls lassen da philosophisch-logische Erwägungen ganz und gar im Stich. Im Frieden kann man sich das unmöglich vorstellen. Gerade schlagen zwei Kugeln neben mir ein. Wie kommt es überhaupt, daß ich noch lebendig, ja unverletzt bin? Im ersten Gefecht bei Anderlues (Belgien), wo ich das Eiserne Kreuz erhielt, haben wir, mitten im rasenden Feuer der Franzosen das Lied „Puppchen, du bist mein Augenstern“ angestimmt, während links und rechts die Kameraden fielen, wo wir 16er über eine freie Wiese gegen die Stellung der Franzosen auf einem Schlackenberge (Kohlenbergwerk) vorstürmten und sie eroberten. Im Totenwäldchen b. Berticourt blieb ich von etwa 12 Kameraden, die alle fielen, allein übrig, weil ich fortgeschickt wurde, um Munition zu holen; das ganze Wäldchen dabei unter furchtbarem Granatfeuer. Beim nächtlichen Sturm auf den Aisne-Kanal, wo ich mit einem Beobachter in strömendem Regen 18 Stunden fast regungslos 50 Meter vor dem französischen Schützengraben lag, ab und zu von Salven begrüßt, sodaß ich mich zum Tode fertig sah. Und dann, das Entsetzlichste, der 3malige Sturm der 16er auf Neuve-Chapelle. Ersparen Sie mir die Schilderung dieses grauenhaften Kampfes. Volle drei Wochen, als man schon Hunderte beerdigt hatte, lagen noch viele, viele Leichen von Engländern auf Straßen und in Gräben umher, das schöne, stattliche Dorf ein wüster, brennender Trümmerhaufen, an dessen glimmender Asche wir uns, zum Teil in der Gosse liegend und im Wasser, die erstarrenden Hände wärmten. Aber auch dann wieder Stunden und Augenblicke unbändigsten Humors und unverwüstlicher Soldatenlaune, wenn, wie es in unserer Kompagnie geschehen ist, ein Musketier auf einen Engländer zusprang, ihm am Halse griff und rief: „Herr Leutnant, da habe ich so einen verdammten Hallunken!“ So geschehen bei Illies an der bei der 4/16 bekannten Pappelallee. (...)
   Wir lesen im Unterstand die neuesten Nummern des Bonner Generalanzeigers, auf den ich abonniert bin als alter Bonner Student und dem Sie vielleicht dieses oder einen Auszug davon zur Verfügung stellen mögen, denn ich habe manche mir Nahestehende dort, denen ich nicht ausführlich schreiben kann, schon deshalb nicht, weil wegen feindlichen Feuers oder dienstlicher Angelegenheiten nicht die Gelegenheit dazu ist. Alle Bekannte, welche diese Zeilen lesen werden, grüße ich hiermit herzlich, besonders auch Herrn Dr. P. Ihnen selbst aber und meinem lieben Bonn bin ich allzeit mit rheinischem Gruße
Ihr E. Brunältler, Vizefeldwebel d. R.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Feldpostbriefen“)

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 3. Januar 1915Beuel 2. Januar. Am Neujahrstage versammelten sich die Mitglieder des katholischen Arbeitervereins mit ihren Angehörigen und Gästen im Vereinshause zu einer eindrucksvollen patriotischen Feier. Statt des sonst üblichen Weihnachtsfestes hielt man dieses Jahr einen Kriegsabend ab. Schon die Ausschmückung des Saales zeigte recht vaterländischen Einschlag. Prangte auf der einen Seite der Bühne ein Weihnachtsbaum, so sah man auf der anderen Seite die Büste des Kaisers geschmackvoll zwischen Blattpflanzen aufgestellt, wobei die Farben der drei verbündeten Staaten zu einem wirkungsvollen Hintergrund gruppiert waren. Deutsche und österreichische Fahnen zierten die Wände und selbst eine türkische Fahne fehlte nicht, die Herr Zigarettenfabrikant Vitos von der Poststraße freundlichst zur Verfügung gestellt hatte. Nachdem Herr Pastor Claren in seiner Begrüßungsrede zu Herzen gehende Worte über Weihnachten und Weltkrieg gesprochen, hielt Herr Kaplan Dr. Honecker die Festrede über den Krieg als Tröster. In formvollendeter Rede feierte er die tröstlichen Früchte, die der blutige Weltkrieg eingetragen, als da sind die feste Einmütigkeit des deutschen Volkes und die sittlich religiöse Erneuerung. Den Höhepunkt des Abends bildete der belehrende und zugleich begeisternde Lichtbildvortrag des Herrn cand. phil. Schäfer. In etwa vierzig Bildern zeigte er die verschiedensten Szenen vom Kriegsschauplatze des Westens, Vorgänge aus der Front wie aus den Etappengebieten, die gerade durch das Erzählen der selbst erlebten Eindrücke die Aufmerksamkeit der Zuhörer aufs stärkste fesselten. Sinnige Gedichte, Solo- und gemeinschaftliche Gesänge umrahmten die Feier in hübscher Weise. Eine für die Krieger und ihre Familien abgehaltene Sammlung brachte ein gutes Ergebnis.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Umgegend“)

 

Anzeige in der Deutschen Reichs-Zeitung vom 3. Januar 1915Bonner Landsturm in Libramont. Aus Libramont erhalten wir folgenden Bericht:
   Eine erhebende Christfeier veranstaltete die zweite Kompagnie des Landsturm-Bataillons Nr. 60 am hl. Abend in Libramont. Der Bat.-Kommandant eröffnete die Feier mit einem von den alten Landstürmern begeistert aufgenommenen Kaiserhoch. Ein Doppelquartett, in dem Mitglieder der Bonner Liedertafel, des Walbrül’schen Männerchores und des Kessenicher Liederkranz vertreten waren, sang unter Leitung von Kamerad Ebert „Heil Kaiser und Reich“ in formvollendeter Weise. Der Kommandeur sprach dann über die Bedeutung des Weihnachtsfestes. Nun wechselten eigens zu diesem Feste verfaßte Deklamationen von Kamerad Esser, mit Gesangvorträgen ab. Allgemeiner Jubel erhob sich, als der Kommandeur bekannt gab, daß Frau Prinzessin Adolf zu Schaumburg-Lippe reiche Liebesgaben für die Besatzung von Libramont geschickt und das bekannte Bierhaus „Em Höttche“ zirka 200 gefüllte Zigarrenetuis gespendet habe. In fürsorglicher Weise hatte der Kommandeur die am hl. Abend dienstlich verhinderten Landsturmleute zum 26. Dezember abends 6 Uhr eingeladen. Außerdem die ganze Jugend von Libramont. Mag des in Feindesland etwas gewagt erscheinen, so übertraf der Erfolg die kühnsten Erwartungen. Um 5 Uhr war der Saal bis auf das letzte Plätzchen besetzt und die Kinder in Begleitung der Eltern, des Bürgermeisters und des Pfarrers an der Spitze, bewunderten mit strahlenden Gesichtern die prachtvoll aufgeputzten Riesentannen und Dekorationen des Saales. Unser Kommandeur hielt jetzt eine Rede in französischer Sprache. Deutscher Gesang wechselte mit französischen Liedern ab. Die von den Damen des Roten Kreuzes verabreichte Schokolade und Leckerbissen wurden mit gutem Appetit verzehrt. Das ganze bot ein reizendes Bild, das für alle Teilnehmer unvergeßlich bleiben wird. So feierten wir alte Landsturmmänner Weihnachten in Feindesland. Eine Ehrenpflicht ist es, noch zu erwähnen, daß die Damen vom Roten Kreuz um die Verpflegung und Herr Feldwebel Kofferath (Bonner) für die Ausschmückung des Saales sich Verdienste erworben haben.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)