Sonntag, 8. Dezember 1918
Auf das falsche Gerücht, die Engländer seien im Anmarsch, sammelten sich gestern gegen Abend Hunderte von Menschen auf dem Markte an. Die Engländer, wenn sie wirklich gekommen wären, hätte dieser „Kundgebung“ wohl nur berechtigte Verachtung entgegengebracht. Ueber das Eintreffen der Besatzung war auch gestern abend nichts Bestimmtes bekannt.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Zur Besetzung von Bonn. Vor Redaktionsschluß wird uns mitgeteilt, daß der Vortrupp der englischen Besatzungstruppen in Stärke von 150 Mann Kavallerie, die gegenwärtig in Meckenheim in Quartier liegen, voraussichtlich Sonntag früh in Bonn zu erwarten ist. Die uns von anderer Seite zugegangene Nachricht, wonach die Truppen bereits Samstag abend hier zu erwarten seien, scheint sich nicht zu bestätigen. Dem Besatzungsausschuß war nichts Bestimmtes bekannt.
Arbeiter- und Bürgerrat. In der Samstagssitzung des Arbeiter- und Bürgerrats erklärte das Mitglied des Besatzungsausschusses Assessor Dr. Pape, daß über die Stärke der englischen Besatzung sowie über die Zeit ihres Eintreffens noch nichts Bestimmtes bekannt sei. Auf Grund weiterer Unterhandlungen habe die Universität vier Hörsäle und die Turnhalle für Besatzungszwecke zur Verfügung gestellt. Außer den Ställen der Artilleriekaserne sollen auch die Ställe der übrigen Kasernen sowie die militärischen und privaten Reitbahnen zur Unterbringung der Pferde in Anspruch genommen werden. Da die Offiziere der Besatzungstruppen es vorziehen, in Gasthöfen zu wohnen, sind mit verschiedenen größeren Gasthöfen, wie Stern, Rheineck, Rheinischer Hof, Königshof usw. diesbezügliche Verhandlungen gepflogen worden. Der Nordische Hof in der Poppelsdorfer Allee ist als Kommandatur in Aussicht genommen. Die Bonner Bürgerschaft braucht sich wegen Einquartierung keine Sorge zu machen, da man hoffe, mit den Kasernen, den Schulen und den übrigen öffentlichen Gebäuden auszureichen. Die Feststellungen bei der Bürgerschaft seien nur gemacht worden, um Unterlagen zu haben. Alleinstehende Frauen oder Mädchen würden von vornherein von Einquartierung ausgeschlossen. Für 6000 Mann sei jetzt schon Platz geschaffen. Da auch Betten genügend vorhanden sind, braucht auf die von der Bürgeschaft angebotenen Betten nur für den Fall zurückgegriffen zu werden, daß die Besatzung größer wird, als man annimmt. Wenn die zur Verfügung gestellten Betten benötigt werden sollten, dann würden sie auch selbstverständlich bezahlt werden. Es wurde erwogen, den Besatzungstruppen ein Soldatenheim mit Lesehalle usw. zur Verfügung zu stellen, das in einem unbewohnten Hause untergebracht werden soll. Die Artilleriekaserne, die Karlschule und das Lyzeum, die bereits zur Aufnahme von Truppen bezw. Offizieren hergerichtet sind, wurden am Samstag nachmittag von Mitgliedern des Arbeiter- und Bürgerrates besichtigt.
Wie Polizeikommissar Burckardt erklärte, hat der Unfug des Schießens auf den Straßen schon bedeutend nachgelassen. Die Polizei habe Haussuchungen vorgenommen, wobei eine Menge Patronen usw. beschlagnahmt werden konnten.
Es wurde angeregt, die noch hier beschäftigten Polen sobald als möglich zu entlassen, damit sie durch deutsche Arbeiter ersetzt werden könnten. Die Polen machten dadurch, daß sie sich zu billigeren Löhnen anböten, unsern Arbeitern Konkurrenz. Diejenigen Arbeitgeber, die heute noch Polen beschäftigenm, werden ersucht, sich in dieser Angelegenheit mit der Stadtverwaltung in Verbindung zu setzen.
Nach einer längeren Aussprache über die von Köln ausgehende Bestrebung auf Errichtung einer Republik Rheinland-Westfalen brachte Herr Kolak folgende Entschließung zur Annahme ein:
„Die vom Kölner Zentrum ausgehenden Bestrebungen auf Gründung einer rheinisch-westfälischen Republik verurteilt der Arbeiter- und Bürgerrat auf das entschiedenste. Die Absplitterung des Rheinlandes und Westfalens von Preußen bedeutet wirtschaftlich eine nicht absehbare Schädigung der Interessen Preußens bezw. Deutschlands, außenpolitisch haben diese Absplitterungsbestrebungen unabsehbare Folgen. Der Arbeiter- und Bürgerrat erneuert seinen Beschluß, der die baldige Einberufung der Nationalversammlung verlangt.“
In einer auf Sonntag vormittag 13 Uhr im Rathaus einberaumten Sitzung soll über diese Entschließung abgestimmt werden.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Die englische Besatzung war bis Samstag mittag noch nicht hier eingetroffen; wohl durchfuhr ein Kraftwagen mit englischen Offizieren heute mittag unsere Stadt, ohne Aufenthalt zu nehmen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)