Sonntag, 1. Dezember 1918

   

Erwerbslosenfürsorge. Den Stadtverordneten wird empfohlen, für die Stadt Bonn eine Erwerbslosenfürsorge einzurichten und sie nach den vom Demobilisierungsausschuß aufgestellten „Grundsätzen“ zu regeln. Der Finanzausschuß empfiehlt dazu, für die Zwecke von Erwerbslosenfürsorge zunächst 500.000 M. zu bewilligen. [...]

Einführung des Achtstundentages in den städtischen Betrieben. Der Verfassungsausschuß empfiehlt der Stadtverordnetenversammlung, vom 1. Dezember ab in allen städtischen Betrieben den achtstündigen Arbeitstag einzuführen. Trotz der Verkürzung der Arbeitszeit soll der einzelne Arbeiter künftig den gleichen Schichtlohn erhalten wie bisher. Für nicht planmäßige Ueberstunden an Wochen- und Sonntagen soll eine Sondervergütung von 50 v. H. des Stundenlohnes gewährt werden. Planmäßige Ueberstunden, Sonntags- und Nachtarbeit sollen nicht besonders vergütet werden.

Für Notstandsarbeiten sollen nach dem Vorschlage des Finanzausschusses von den Stadtverordneten zunächst 50.000 M. bewilligt werden.

Ein Ausschuß für Volksunterhaltungsabende, bestehend aus neun Mitgliedern, soll in der kommenden Stadtverordnetenversammlung gewählt werden.

Drei Ochsen hat ein Soldat seinem Truppenteil entführt und in der Nacht zum gestrigen Samstag an einen hiesigen Metzger verkauft. Der Soldat wurde gestern von der hiesigen Polizei festgenommen. Gegen den Metzger, R., wird ein Verfahren wegen Hehlerei eingeleitet.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)

   

In der Samstagssitzung des Arbeiter- und Bürgerrats teilte Baurat Piehl mit, daß der Presseausschuß eingehend darüber beraten habe, wie sich die Bevölkerung der Besatzung gegenüber zu verhalten habe. Näheres wird noch bekannt gegeben. Herr Kuhnert führte Klage über Planlosigkeit bei den Einquartierungen. Kleinere Wohnungen seien des öfteren mit mehr Einquartierungen bedacht worden als große. Es komme immer noch vor, daß Soldaten überhaupt nicht aufgenommen würden. So habe der Diener eines fürstlichen Haushalts erklärt, er nehme keine Einquartierungen an. Dieser Mann sei militärpflichtig, aber reklamiert gewesen und habe daher das Vergnügen gehabt, die vier Kriegsjahre über das Heimatpflaster zu treten. Trotzdem habe sich der Mann geweigert, ein solch kleines Opfer auf sich zu nehmen. Herr Kalt teilte mit, daß in den hiesigen Lazaretten noch größere Bestände an Watte vorhanden seien, die bei der Räumung zum Teil an Soldaten verteilt worden sei. Diese hätten die Watte verkauft. Er regte an, daß die überflüssige Watte zurückgegeben werden soll. Der Vertreter der Militärverwaltung will das nötige veranlassen. Vorsitzender M. Schmitz machte bekannt, daß Beigeordneter Lühl versucht habe, mit dem Bahnhofsvorsteher die Frage der Reiseausweise zu besprechen. Der Bahnhofsvorsteher habe sich jedoch derart ablehnend, ja geradezu unhöflich (!) verhalten, daß Verhandlungen nicht möglich gewesen seien. Die heutige Zeit sei nicht dazu angetan, daß sich Beamte derart unhöflich verhalten dürften. Oberbürgermeister Spiritus habe nun selbst mit dem Vorsteher verhandelt, und zwar mit dem Ergebnis, daß die Reiseerlaubnis von den Polizeikommissaren ausgestellt werden wird. [...] Der Vorsitzende verlas ein Schreiben des Verbandes Bonner Frauenvereine zum Schutze der weiblichen Jugend, in dem verlangt wurde, daß es den jungen Mädchen verboten werden soll, sich bis 11 Uhr abends auf der Straße aufzuhalten. Der Vorsitzende erklärte hierzu, daß ein solches Verbot schon bestehe und daß eine weitere Einschränkung nicht am Platze sei. In erster Linie se es Sache der Eltern, dafür zu sorgen, daß ihre Kinder rechtzeitig zu Hause seien. [...]
  
Ein Frontsoldat hatte sich schriftlich an den Arbeiter- und Bürgerrat gewandt, damit dieser dafür eintrete, daß die Arbeitgeber die aus dem Felde zurückkehrenden Soldaten wieder in Stellung nehmen. Seine Stelle sei durch eine weibliche Hilfskraft besetzt und der Prinzipal weigere sich, ihn wieder anzunehmen. Ein anderer Feldgrauer beschwerte sich über eine Möbelfirma, bei der er auf Abzahlung Möbel gekauft habe. Er habe von der Firma noch 500 M. für zurückerstattete Möbel zu bekommen, die er aber nicht erhalten habe. Der dem Schreiben beigefügte Vertrag zwischen dem Soldaten und dem Möbelhändler wurde als gegen die guten Sitten verstoßend und daher für ungültig erklärt. Die Sache wurde der Preisprüfungsstelle zur weiteren Untersuchung übergeben. [...]
   Herr Meyer rügt einige Bestimmungen auf dem vom Generalkommando verfaßten Plakate. So sei darin die Grußpflicht der Soldaten betont, obwohl außerhalb des Dienstes keine Grußpflicht bestehe. Wenn ein Soldat auf der Straße seinem Vorgesetzten begegne, sei dagegen nichts einzuwenden; zur Pflicht könne man das namentlich in der jetzigen Zeit nicht machen, wo viele Zivilisten, die vom Militär entlassen sind, noch die Uniform tragen. Auf der Rheinbrücke sei es vorgekommen, daß ein Soldat, der den Gruß verweigert habe, verhaftet wurde. Weiter wendet sich Herr Weber dagegen, daß in Flugblättern usw., die das AOK. [Armeeoberkommando] unter die Truppen verteilen lasse, gesagt wurde, daß in der Heimat ein Chaos und revolutionäre Diktatur herrsche. Es werde darin ferner der Rat gegeben, die Landes- und Reichsfahnen zu führen, aber keine roten Fahnen. Wir sind tolerant genug, nichts gegen andere Farben zu sagen, aber die rote Fahne sollte auch nicht ausdrücklich verboten werden. [...] Herr Niedermayr sprach sich dahinaus, daß es sittliche Pflicht der Armeeführer sei, darauf zu achten, jeden Zusammenstoß mit dem Volke zu verhindern. Es müsse alles vermieden werde, was aufreizend wirke. Die Grußpflicht hätte nicht besonders betont zu werden brauchen. Auch sei es nicht angebracht, daß die Posten noch immer mit dem Stahlhelm aufzögen, die den Soldaten selbst unnötige Schmerzen bereiten.
   Die nächste Sitzung findet am Montag statt.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

    

Von der 18. Armee zog heute die 18. Infanterie-Division über den Rhein. Der Kommandeur, General von Massenbach ritt an der Spitze bis zur Rheinbrücke. Dort nahm er den Vorbeimarsch der Truppen ab, die in tadelloser Haltung den Parademarsch ausführten.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)