Samstag, 30. November 1918

   

Anzeige im General-Anzeiger vom 30. November 1918Der Durchzug der 18. Armee hat bisher noch nicht den Umfang angenommen, den man nach den umfangreichen Vorkehrungen – Sperrung der vier Marschwege für den privaten Fuhrwerksverkehr, Einstellung des Straßenbahnbetriebs – erwarten durfte. Den ganzen Tag fuhren schwere und leichtere Kraftwagen, Fuhrwerke, Geschütze usw. über die Brücke, im ganzen sind es aber wohl nicht mehr als auch Ende voriger Woche schon. Von Fußtruppen sind erst einige Regimenter durchgezogen. Die Rheinbrücke brauchte für den Fußgängerverkehr der Zivilbevölkerung noch nicht gesperrt zu werden, das für diesen Fall fahrbereit liegenden Fährschiff Hochstaden brauchte daher bislang nicht zu verkehren.

Einquartierungsausschuß. Die Ausgabe von Strohsäcken zu Einquartierungszwecken wird von heute an eingestellt. Bei allem Bestreben, die Belegung von Bürgerhäusern mit Einquartierungen in gerechter Weise durchzuführen, können Unstimmigkeiten, die den Eindruck ungerechter Verteilung erwecken, nicht vermieden werden. Die Bürgerschaft wird gebeten, diesbezügliche Beschwerden mit Rücksicht auf die ungeheure Arbeitslast des Einquartierungsgeschäftes tunlichst zu unterdrücken.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)

   

Für die heimkehrenden Truppen bat durch einen kurzen Aufruf in der Zeitung um eine Liebesgabe der Hilfsausschuß für Truppen. Am selben Abend spendete der Bonner Bürgerverein für diesen Zweck 300 Mk.; eine Sammlung am langen Tisch ergab 207,75 Mk. und einige weitere Zeichnungen beliefen sich auf 300 Mk., sodaß dem Hilfsausschuß sofort 807,75 Mk überweisen werden konten.

Bonner Straßenbilder vom Durchzug der Truppen.
Es ist ein buntes Bild, was unsere Straßen jetzt belebt.
Es bietet Fröhliches und Trübes sich dem Auge dar;
Der Menschenstrom wog durcheinander, jeder strebt
Zu schauen möglichst viel von unserer Kriegerschar.
Da kommen sie in langen Reihen anmarschiert,
Die Mütze schön geschmückt, ein Sträußlein an der Brust
Und das Marschieren geht noch gerade wie geschmiert,
Sodaß es anzuseh’n ist eine Lust.
Wir freuen uns für jeden, der da kehrt zurück,
Daß Gott bewahrte ihn in dieses Krieges Schrecken.
Es streift voll Wehmut alle unser Blick,
Wie schön, wenn wir was Liebes auch entdecken.
Wenn die Kapelle spielend zieht an uns vorüber,
Vergessen wir auf kurze Zeit das Schwere, was uns drückt.
Der Bönnschen Jugend ist es auch bei weitem lieber,
Wenn solchen Ohrenschmaus zu hören ihnen glückt.
Das ist ein Fest jetzt für die Kinderwelt,
Genoß doch nie sie solche seltene Freuden
Jetzt wird von ihnen alles auf den Kopf gestellt,
Voll Trauer denken sie schon an der Krieger Scheiden.
Stolz wie die Spanier reiten Buben auf dem Pferde,
Wie sie sich brüsten, ist gar drollig anzuseh’n;
Und als Besitzer fühlen sie sich von der ganzen Erde
Sie finden diese Zeit ja gar zu schön.
Soldaten zieh’n vorbei mit fröhlichem Gesang,
Gottlob, daß sie verlernten nicht das Singen;
Wir lauschen noch, wie sie die Straße geh’n entlang,
Doch schon wird aufgenommen man von anderen Dingen.
Bagagewagen in unendlich großer Menge,
Mit Tannenbäumen, Bändern schön geziert.
Sie fahren sicher und vorsichtig durch’s Gedränge,
Die Kinder oben drauf lustig und ungeniert.
Ein großer brauner Hund, der mit im Krieg gewesen,
Sitzt auf dem Vordersitz dicht hinter seinem Herrn;
Man kann’s aus treuen Hundeaugen lesen,
Bei dem Gebieter war sogar im Krieg er gern.
Ein kleiner Knabe, der zehn Pfenn’ge nennt sein eigen,
Geht zu der Blumenhändlerin mit flinkem Schritt,
Er will den Kriegern auch die Dankbarkeit erzeigen,
Drum nähm’ für sein Vermögen er gern Blumen mit. -
Für dieses Geld spricht sie, kann ich nicht Blumen geben,
Die sind zu teuer jetzt, wie kannst Du denken das?
Und er hätt’ Blumen ja gehabt gern für sein Leben,
Für seine Feldgrau’n und das Auge wird ihm naß.
Die Blumenfee sagt: Ist’s für die, so sollst Du haben
Ein ganzes Sträußchen, das du kannst verteilen;
Für sie sind ja nicht gut genug die schönsten Gaben,
Wie konnte unser Junge nun zu seinen Feldgrau’n eilen.
Und alle Kinder möchten uns’re Krieger schmücken,
Ihr kleines Ärmchen reicht oft kaum zu ihm empor;
Der Kriegsmann muß sich oft gehörig bücken,
Wenn eine kleine Hand ihr Sträußlein hält ihm vor.
Ein Offizier hat unter’m Mantel warm geborgen,
Ein winzig kleines Hündchen, treu in seinen Armen;
Von diesem Ausguck schaut die ganze Welt es an ganz ohne Sorgen.
Das ist Barbarentum, was auch mit Tieren hat Erbarmen!
Die jungen Mädchen schlagen züchtig ihre Augen nieder,
Wenn an so vielen Herr’n der Welt sie geh’n vorbei.
Doch ist zu interessant es, und sie gucken wieder,
Es ist nicht schlimm, nur eine kleine Spielerei! –
So sind umgeben wir von ungezählte Bildern,
Die uns erstaunen oft, betrüben und ergötzen;
Wenn man versuchen wollte alles dies zu schildern,
Man könnt’ es nicht auf tausend Bogen setzen!
So zieht ihr Tapfern nun zur teuren Heimat hin.
Der Dank begleitet euch bis in die weit’sten Fernen;
Für euch, die ihr bewahret euren treuen Sinn,
Lebt unser Gott noch über lichten Sternen. –
                                                                 Kjeidsen

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

   

Anzeige im General-Anzeiger vom 30. November 1918Die Sozialdemokratische Partei Bonn veranstaltet heute abend 7.30 Uhr eine große Frauenveranstaltung. Ueber die Menschenrechte der Frau spricht Frau Röhl aus Köln.

Die Zentrumspartei (Freie deutsche Volkspartei) wird am Sonntag den 1. Dez., morgens 11 Uhr, im großen Saale des Bonner Bürgervereins eine große Volksversammlung abhalten. Es werden reden: Reichstagsabgeordneter Chrysant, Lehrer Schultheis und Arbeitersekretär Klüber über das Thema: Was uns nottut.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)

Wäre es jetzt nicht gerade am Platze, daß die Chefs, Firmen und Behörden sich sozusagen auf ihre Pflicht besinnen und Platz schafften für die heimkehrenden Frontsoldaten, indem sie die Damen, die doch bloß durch das Einrücken der Männer ins Feld, in die Betriebe und Kontors hereinkamen, baldigst entließen. Durch die Damen wird bloß tatkräftigen und arbeitsfreudigen Feldgrauen der Verdienst genommen. Ist das der letzte Dank der Frauenwelt, daß Männer betteln gehen sollen? Also hinter die Kochtöpfe, in den Haushalt! Nehmt Euch einen Mann und verheiratet Euch, Ihr Damen! Im Ehestand dient Ihr am besten einer guten Sache. Ein Feldgrauer im Namen Vieler.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)