Sonntag, 24. November 1918

  

Englische Besatzung für Bonn? Wie die Liberté meldet, soll Köln von englischen Truppen besetzt werden. Die Zweite und Vierte Armee mit australischen und kanadischen Kontingenten sollen das benachbarte Gebiet besetzen.

Neues Operettentheater. Die Direktion des Neuen Operettentheaters erfreute gestern nachmittag die Jugend mit dem Görnerschen Märchenspiel „Königin Tausendschön und Prinzessin Häßlich“. Es wird darin das alte Märchenmotiv von der bösen Stiefmutter verarbeitet, sie und ihre hochmütige Tochter werden gestraft, während die arme mißhandelte Stieftochter für ihre Tugenden belohnt wird, ihre Häßlichkeit durch den Schönheitssaft der Hexe verliert und sogar Gräfin wird. Die Aufführung ging in der üblichen trefflichen Besetzung flott und rasch vor sich; das Spiel war der Auffassungsgabe der Kleinen aufs beste angepaßt und auch die Szenerie recht wirkungsvoll, so daß am Schluß jedes der fünf Bilder kräftig Beifall gespendet wurde. Die kurzen Pausen wurden zudem noch von der Musik (Kapellmeister Hoffmann) angenehm ausgefüllt.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

Von glaubwürdiger Seite wird berichtet, daß am vorigen Sonntag in einer öffentlichen Versammlung, in der das weibliche Element stark vertreten war, eine Dame den traurigen Mut gezeigt hat, ihre Mitbürger aufzufordern, gegen die einrückenden Franzosen sich recht freundlich zu zeigen, denn sie kämen nicht als Feinde, sondern als Freunde. (Ganz so bestimmt hat die betreffende Dame diese Anschauung doch nicht geäußert. Die Schriftl.) Dieser Vorgang erinnert an ein geschichtliches Ereignis aus dem Jahre 1794. Schon damals gab es in Bonn solchen Franzosenfreunde. Einer derselben – wir sind der Chronik dankbar, daß sie uns seinen Namen, Matthieu, aufbewahrt hat – beschloß, den Franzosen entgegenzugehen und sie feierlich zu begrüßen. So machte er sich eines Morgens, umgetan mit einem nach damaliger Sitte reichgestickten Staatsrock und in der Hand einen Stock mit goldenem Knopf, auf und ging den von Godesberg her anrückenden „Freunden“ entgegen. Schon in der Dottendorfer Feldmark traf er auf sie. Aus seiner Anrede aber wurde nichts. Denn sofort ergriffen ihn ein paar Franzosen. Der eine nahm ihm die goldene Uhr und Kette fort, der zweite zog den Geldbeutel aus der Hosentasche, der dritte ergriff den Stock mit goldenem Knopf und ein vierter zog ihm den Staatsrock aus. Mit einigen Kolbenstößen flog Freund Matthieu in den Chausseegraben, wo er so lange liegen blieb, bis die Franzosen vorbeigezogen waren. Dann schlich er, gründlich von seiner Franzosenfreundschaft geheilt, auf Umwegen nach Hause. Nicht soll der Wunsch gehegt werden, daß der Dame vom vorigen Sonntag ein ähnliches Geschick beschrieben sein möge, aber verdient hätte es wahrlich. Dr. W.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Eingesandt“)

  

In der Samstagssitzung des ABS-Rats verlas der Vorsitzende Herr Kuhnert ein Telegramm aus Remagen, in dem gebeten wurde, von Bonn aus keine Arbeiter mehr dorthin zu schicken, da die Anfuhrstraßen zur neuen Rheinbrücke so weit gediehen seien, daß die erste Straße bereits Sonntag dem Verkehr übergeben werden könne. Dies bedeutet für die Bonner Brücke eine große Entlastung. Eine längere Aussprache rief der Antrag des Reservelazarett-Direktors hervor, im Interesse der Soldaten das Viktoriabad sobald als möglich zu öffnen, und zwar nicht nur die Brausebäder, sondern auch die Schwimmhallen. Im Grundsatz war man mit diesem Vorschlag einverstanden, aber von mehreren Seiten wurde auf den Kohlenmangel, der gerade jetzt durch die Transportschwierigkeiten ganz besonders fühlbar geworden ist, hingewiesen. Oberbürgermeister Spiritus bemerkte, daß es zwar sehr erwünscht sei, den Truppen hier Badegelegenheit zu bieten, unter den heutigen mißlichen Verhältnissen in der Kohlenversorgung sei er indes nicht dafür, daß die Schwimmhalle eröffnet werde. Der erste und einzige Grundsatz müsse sein, zuerst die Bürgerschaft mit Heizmaterial zu versorgen. Der Antrag wurde der Ortskohlenstelle zur Prüfung überwiesen.
   Herr Kalt teilte mit, daß mehrere Bonner Lazarette aufgehoben werden sollen. Er stellte den Antrag, in erster Linie die Beethovenhalle frei zu machen, da die Halle für andere Zwecke sehr notwendig sei. Der ABS-Rat erklärte sich hiermit einverstanden.
   Das Bezirkskommando ist wegen Verlegung geschlossen worden. Durch Anschlag wird bekannt gemacht, wohin sich die hier weilenden Truppen bei An- und Abmeldungen zu wenden haben. Nähere Auskunft in allen Fragen wird in der Zentralauskunftsstelle im Nordischen Hof (Poppelsdorfer Allee und Quantiusstraßen-Ecke) erteilt.
   Es wurde beschlossen, den Militärpersonen der Jahrgänge 1896/99, die nicht zur Entlassung kommen, keine Anzüge mehr zu geben, da die geringen Vorräte nicht im Entferntesten ausreichen, um die jetzt Entlassenen mit Kleidungsstücken zu versorgen.
   Auf Anfrage teilte Beigeordneter Bottler mit, daß infolge der knappen Zufuhren an Kohlen man jetzt noch nicht in der Lage sei, die Gassperre aufzuheben. Es sei besser, jetzt zu sparen, als später die Beleuchtung ganz einstellen zu müssen.
   Der Vertreter des Generalkommandos, Hauptmann Weniger, erklärte, daß das 59. Infanterie-Regiment hier in Bonn den Sicherheitsdienst ausüben werde. Die Mannschaften werden in der Fortbildungsschule und in der Infanterie-Kaserne untergebracht. Des weiteren gab der Vertreter des Generalkommandos die für Bonn wichtige Erklärung ab, daß die 7. Armee, die zusammen mit der 18. Armee hier durchkommen soll, nach neuerer Entscheidung ausschließlich über die Remagener Rheinbrücke und mit Fähren befördert wird. Die Remagener Brücke ist bereits vom 25. ds. ab für eine Kolonne, vom 29. ab für zwei Kolonnen bereit. Nur die schweren Lastwagen gehen über die Bonner Brücke, da die Rampen der Remagener Brücke nocht nicht beständig genug seien. Zur weiteren Entlastung der Bonner Brücke werden außerdem noch zwei Pontonbrücken über den Rhein geschlagen werden, und zwar die eine oberhalb Mondorf, die andere bei Niederdollendorf. Mit dem Bau der Brücken soll bereits am Montag begonnen werden.
   Auf den Antrag des Militärvertreters, die Rheinbrücke noch einmal auf ihre Tragfähigkeit prüfen zu lassen, gab Beigeordneter Piehl die Erklärung ab, daß an maßgebender Stelle keine Bedenken über die Tragfähigkeit der Brücke beständen. Lastautos überfahren die Brücke in Abständen von 50 Metern und für den Uebergang der Fußgänger sei nichts zu befürchten. Da drei Kolonnen nebeneinander die Brücke passieren, wird während dieser Zeit der Uebergang für Zivilpersonen gesperrt. Die Brückentore werden schon heute Sonntag ausgehoben.
   Oberbürgermeister Spiritus sprach namens der Bonner Bürgerschaft der Militärverwaltung den Dank dafür aus, daß sie einen Ausweg gefunden hat, Bonn durch die Ueberleitung der 7. Armee nach Remagen zu entlasten.
   Es wurde beschlossen, daß Gastwirtschaften zwei Drittel ihrer Betten für Einquartierung bereit halten müssen.
   Eine Kommission für den Besatzungsausschuß wurde gebildet, die je nach Bedarf noch erweitert werden kann. Dieser Kommission gehört auch der engere Vorstand des ABS-Rats an. Nach Schluß der Sitzung trat schon die Kommission mit der Verwaltung zu einer Sitzung zusammen.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

  

Die Bonner Husaren werden Sonntag nachmittag Bonn verlassen und nach Meppen ziehen.

Helft unseren heimkehrenden Kriegern durch Abgabe getragener Kleidungsstücke. Die Annahmestelle des städtischen Bekleidungsamtes, Martinstraße Nr. 18, nimmt täglich vormittags von 9 – 12 Uhr solche entgegen und zahlt höchste Preise.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)