Samstag, 26. Oktober 1918

   

Anzeige im General-Anzeiger vom 26. Oktober 1918Wegen der Grippe muß der Straßenbahnverkehr eingeschränkt werden. Von Sonntag ab fährt die Linie 3 nicht mehr bis zur Drachenfels-, sondern nur noch bis zur Reuterstraße, und Linie 1 fährt nicht mehr bis Grau-Rheindorf, sondern nur noch bis zum Betriebsbahnhof der Straßenbahn.

Freiwillige Hilfsdienstpflichtige für das besetzte Gebiet. Die Kriegsamtstelle Koblenz erläßt folgenden Aufruf: „ Vaterländischer Hilfsdienst! Aufforderung der Kriegsamtstelle Coblenz zur freiwilligen Meldung gemäß § 7 des Hilfsdienstgesetzes. Zu Bauarbeiten (Baracken-, Stellungs- und Straßenbauten) im besetzten Gebiet werden dauernd Arbeitskräfte gebraucht. Nur hartnäckigster Widerstand im Westen kann uns einen ehrenvollen Frieden bringen und unsere Heimat vor dem Einfalle der erbarmungslosen Feinde schützen. Das weiß heute jeder Deutsche! Deshalb werden auch alle nicht mehr wehrpflichtigen (über 48 und unter 17 Jahre alten) Arbeiter, die mit Bauarbeiten vertraut sind, zur Meldung aufgefordert. Die Meldungen sind zu richten an die zuständigen Hilfsdienstmeldestellen, bei denen auch die Lohn- und Arbeitsbedingungen zu erfragen sind. Den Meldungen ist beizufügen: ein polizeiliches Führungszeugnis und eine zum Aufkleben bestimmte Fotographie.“

(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)

     

Anzeige im General-Anzeiger vom 26. Oktober 1918Kriegsgericht. Unter dem Verdacht der Selbstverstümmelung stand ein Musketier vor dem Kriegsgericht. Er war eines Tages in ärztliche Behandlung gekommen, jedoch hatte seine Wunde bei dem Arzte sofort durch ihr eigenartiges Aussehen Bedenken erregt. Der Musketier erzählte über die Entstehung der Verletzung, daß er sich verbrüht habe. Die Brandblase habe er aufgestochen und das Bein dann mit essigsaurer Tonerde behandelt, die er vor mehreren Jahren gekauft habe. Der als Sachverständiger gehörte Arzt war der Ansicht, daß die Essigsäure die Ursache der Verwundung gewesen sei. Das Kriegsgericht vertagte die Entscheidung, um vorher noch einen anderen Sachverständigen über die Möglichkeit der Entstehung der Wunde zu hören. – Wegen Fahnenflucht war ein Musketier angeklagt. Er hatte sich heimlich aus seiner Garnison entfernt und war nach Holland gegangen. Dort hatte er als Gärtner gearbeitet und seinen Lebensunterhalt durch Schmuggeln erworben. Schließlich war er nach Deutschland zurückgekehrt und hatte sich freiwillig gestellt. Er wurde zu vier Monaten Gefängnis verurteilt, wovon drei Monate durch die erlittene Untersuchungshaft für verbüßt erklärt wurden. Ein Musketier aus Köln hatte sich heimlich von seiner Truppe entfernt und einen gefälschten Urlaubspaß benutzt, auf den er in Köln Lebensmittel zu erhalten versuchte. Er wurde zu drei Monaten Gefängnis verurteilt, auf die ein Monat und 14 Tage der erlittenen Untersuchungshaft angerechnet werden sollten.

Gegen Verhelfung zur Flucht. Die Gerichte haben in zahlreichen Fällen gegen Personenschmuggler, die Heerespflichtigen sowie Kriegs- und Zivilgefangenen zur Flucht ins Ausland verhalfen, wegen Landesverrats hohe Freiheitsstrafen verhängt. Und dies mit Recht. Denn jeder, der einen Kriegs- oder Zivilgefangenen, einem ausländischen Arbeiter oder einem wehrpflichtigen deutschen oder verbündeten Staatsangehörigen zur Flucht über die Grenze verhilft, leistet dem Feinde Vorschub und benachteiligt die deutsche Kriegsmacht, begeht also Landesverrat.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

    

Ein erweiterter Geschäftsverkehr auf die Dauer von 10 Stunden ist am nächsten Sonntag als am Sonntag vor Allerheiligen gestattet. Die Ladengeschäfte dürfen mit Ausnahme der Hauptgottesdienstzeiten bis abends 7 Uhr für den Verkauf geöffnet bleiben.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)

   

Eine große Volksversammlung hat der Sozialdemokratische Verein Bonn-Rheinbach auf Sonntag, nachmittags 4½ Uhr, nach dem großen Saale des Bürgervereins einberufen. Reichstagsabgeordneter J. Meerfeld (Redakteur an der Rheinischen Zeitung) wird über „Deutschlands Schicksalsstunde“ sprechen. Die gesammte Bürgerschaft, Männer und Frauen, ist eingeladen. Es ist zu erwarten, daß sich zu dieser Versammlung die Bürgerschaft einfinden wird. Auf diese Versammlung sei auch an dieser Stelle noch besonders ausdrücklich verwiesen.

(Volksmund, Rubrik „Bonner Angelegenheiten“)