Sonntag, 6. Oktober 1918

  

Anzeige im General-Anzeiger vom 6. Oktober 1918Unsern verehrlichen dichtenden Mitarbeitern! Herzerfreulich ist für den Schriftleiter eines Blattes immer, die rege Anteilnahme, das Mitleben, Mitfühlen und vor allem Mithelfenwollen des einzelnen Lesers am gewohnten, liebgewordenen Blatte täglich neu zu erkennen. So freut es auch uns immer wieder, wenn schriftstellerische Beiträge aus dem Leserkreise eintreffen. Infolgedessen ist es uns doppelt schmerzlich, heute all unsere verehrlichen Mithelfer bitten zu müssen, von der Einsendung von Gedichten, und seien sie noch so vaterländisch, gut und kunstvoll, mit Rücksicht auf den knappen Raum bis auf weiteres absehen zu wollen. Die Schriftleitung.

Universität. Bei der gestrigen Immatrikulation sprach der Rektor, Geheimrat Zitelmann, in seiner Ansprache an die Studierenden zuerst von dem Ernst der gegenwärtigen Zeit und führte dann etwa folgendes aus: Wir stehen mitten in einer politischen Umwälzung, deren Folgen sich noch gar nicht übersehen lassen. Es ist an dieser Stelle und zu dieser Zeit nicht meines Amtes, zu den Vorgängen politisch Stellung zu nehmen und ihre Vorteile und Nachteile zu erörtern, ich spreche vielmehr jenseits von jedem Parteistandpunkt, wenn ich sage, was meines Erachtens für jeden zweifellos sein muß, welcher Partei er auch angehöre: Wehe dem Volk und dem Staat, in dem diejenigen, die durch ihren Beruf zu geistigen und sittlichen Führern des Volkes bestimmt sind, ihren Einfluß auf die Massen verlieren. […] Schon jetzt bietet sich Ihnen Gelegenheit, sich als solche künftigen Führer zu erweisen. Wie Sie wissen, ist auch außerpolitisch unsere Lage zurzeit ungünstig. Der ungeheuren Uebermacht unserer Feinde an Zahl und Material ist es gelungen, unsere Linien hier und da zurückzudrücken, und einer unserer bisherigen Verbündeten hat sich aus dem Bündnis losgemacht. Es wäre frevelhaft, sich über die Gefahr zu täuschen. Ebenso frevelhaft aber ist es und noch mehr, wenn jetzt in manchen Kreisen des Volkes die wildesten Gerüchte weitergetragen und geglaubt werden und mancher schon alles verloren sieht. Als ob das alte Wort, daß wir Deutsche Gott fürchten und sonst nichts auf der Welt, seine Wahrheit ganz verloren hätte! Das ist unwürdig; denn Mannhaftigkeit zeigt sich gerade in der Stunde der Not. Und hier ist es die Pflicht jedes Gebildeten und so auch jedes einzelnen von Ihnen, jedes Mannes und jeder Frau, daß Sie einen Mittelpunkt von Vertrauen, Zuversicht und Glauben bilden und diese auf andere ausströmen. Es verbinden geheime Fäden das Heimatland mit dem kämpfenden Heer, und auch der Kampfwille des Heeres muß erlahmen, wenn er nicht gestützt wird durch eine große Welle von gläubiger Siegeszuversicht und Siegeswillen daheim. In diesem Sinne können Sie schon heute wirken.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

   

Bonner Stadttheater. Spielplan vom 7. bis 13. Okt.: Mittwoch (Reihe A): „Hildebrand“, Drama in drei Akten von Lilienfein. Freitag (Reihe A): „Coriolanus“.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)