Donnerstag, 18. September 1918
Von der Reichsfleischkarte gelten in Bonn die einzelnen Abschnitte nicht mehr auf 25 Gramm, wie darauf gedruckt ist, sondern auf den zehnten Teil der in Bonn ausgegebenen Wochenmenge. Die Metzger müssen daher die Abschnitte für die ganze Woche abnehmen, was sie freilich bisher auch schon allgemein getan haben.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
70. Geburtstag von Friedrich Soennecken. Kommerzienrat Friedrich Soennecken wird morgen 70 Jahre alt. Er ist trotz seines Eintritts in das psalmistische Patriarchenalter noch auf der vollen Höhe seiner Schaffenskraft und es entspricht nicht ganz seiner rastlos wirkenden Wesensart, an diesem Tage seine Lebensarbeit rückschauend zu verfolgen. Betrachtet er doch sein Werk durchaus noch nicht als abgeschlossen. Wir glauben die initiative Natur des Siebzigjährigen dahin bewerten zu sollen, daß er als einer der tätigsten und erfolgreichsten deutschen Industriellen nach dem Kriege sich an Deutschlands wirtschaftlichem Aufschwung noch gerne an seinem Teil beteiligen möchte. […]
Ein besonderes Kapitel der Betätigung Soenneckens, die wiederum seinem Sinn für schöne Schriftformen entsprang, bildet sein Eintreten für die Antiqua-Schrift in unsern deutschen Zeitungen und Zeitschriften. Namentlich in Rücksicht auf das Ausland, dem unsere Frakturschrift nicht geläufig ist, wirbt Soennecken hierfür, und er verspricht sich hierbei besondere Erfolge bei der Verfolgung unserer politischen und wirtschaftlichen Interessen. Obwohl Soennecken mit der Zähigkeit des Westfalen und mit außerordentlicher Gründlichkeit für die Antiqua-Schrift kämpft, hat sich unser Kultusministerium dieser Frage gegenüber bisher zum mindesten abwartend verhalten. […]
Es entspricht dem treudeutschen Sinne Soenneckens, ein glückliches Kriegsende für unser Vaterland zu erleben, und wir können ihm an seinem Jubeltage nichts Besseres wünschen, als daß er nach Einkehr des Friedens mit ungebrochener Schaffenskraft noch viele Jahre als geistesreger Leiter an der Spitze seiner blühenden Unternehmungen stehen möchte.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Beuel: Die geehrte Redaktion möchte ich „zur Gründung von ländlichen Arbeitsheimen für sittlich gefährdete Mädchen und Frauen“ auf Nachstehendes aufmerksam machen. Nicht allein, daß Mädchen und Frauen, die in den Munitionsfabriken arbeiten, sittlich gefährdet sind, sondern auch in den Kontors, Büros usw. Ganz besonders möchte ich auf die Vereine noch aufmerksam machen, die ihre jungen, meist unerfahrenen Mitglieder zu nächtlichen Ausflügen verleiten. Junge Mädchen sind von einem Verein eingeladen, um 8 Uhr abends einen Ausflug zu machen und kamen vom Ausflug nachts um 1 Uhr zurück. Ist das so richtig? Ist es an der Ordnung, daß solche jungen Leute in die Kneipen geführt werden? Hier müßte Behörde und Polizei eingreifen, um solche Ausflüge zu verhindern, oder aber den Einberufern ordentlich auf die Finger sehen. Jetzt im Kriege, wo der Vater im Felde, die Mutter über alle Maßen beschäftigt ist, die Aufsicht daher nicht so gehandhabt werden kann, muß auch in diesem Sinne etwas geschehen. In den meisten Büros, Kontors wird eine Sprache geführt, und zwar von Männern jungen Mädchen gegenüber, die alte Leute erröten lassen. Also nicht halbe, sondern ganze Arbeit machen. Ergebenst Frau E. D.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)