Donnerstag, 18. Juli 1918

    

Anzeige im General-Anzeiger vom 18. Juli 1918Trank gegen Trunk. Der Beschluß, den der Reichstag am 13. Juli, dem Tage seines Auseinandergehens unmittelbar vor dem Ende der Verhandlungen noch im Hammelsprung mit 117 gegen 109 Stimmen gefaßt hat, aus den Erträgen des neuen Branntweinmonopols, statt einer Millionen vier Millionen der Bekämpfung der Trunksucht zuzuwenden, findet auch in unserer Stadt volles Verständnis. Bonn hat früh und aus eigenen Mitteln, damaligen Anteilzeichnungen zur rheinisch-westfälischen Milchausschank-Gesellschaft, sich selbst die Einrichtung geschaffen, um dem Mißbrauch geistiger Getränke auf die einzig wirksame Weise entgegenzutreten: Nicht mit abmahnenden, warnenden Worten, sondern mit dem Ausschank eines anderes, alkoholfreien Getränks, das den Kampf aufnehmen konnte: Trank gegen Trunk! Das „Milchhäuschen“ auf dem Münsterplatz, zuerst wie bekannt recht klein und oft den Zuspruch nicht fassend, dann in der heutigen geräumigen Gestalt, war eins der Erstlinge von den jetzt fast 300, durch beide westliche Landesteile und weiterhin verbreiteten Trunkbekämpfungsstellen. Sie, die selbstredend jedermann, auch den „durchaus nicht Gefährdeten“ offen stehen, sind allerorts beliebt, ja volkstümlich geworden und so fest in Leben und Tageslauf ihrer Gäste eingebürgert, daß sie sich auch dann nicht entvölkerten, vielmehr besucht und geschätzt blieben, als der freie Ausschank der Milch ihnen genommen wurde, genommen werden mußte, um den Stadtempfängern, hoffenden und stillenden Frauen und der zarten Kindheit, vorbehalten zu bleiben. Ersatzgetränke mußten die Stellvertretung übernehmen. Mit ihnen – nicht mit der in größeren Mengen wohl so bald nicht mehr freiwerdenden Milch – wird man auch in absehbarer Zeit zu rechnen haben. Immerhin weit besser als das Nichts. Denn unsere vielfach mit „Kriegsdurst“ aus dem Felde heimkehrenden Landsleute dürfen nicht bloß die erhöhten Getränkesteuern als den Hinweis auf Alkoholisches vorfinden, ihnen muß zum mindesten die Freiheit der Entschließung auch nach der anderen Seite geschaffen werden: einfach zu errichtende Verkehrungen, doch anheimelnd und einladend zum Genusse der Getränke, die bei der Arbeit nun einmal die bestgeeigneten sind. Zu ihnen wird auch die dem deutschen Volke bestimmte Reichstagsspende den Weg einschlagen und dabei u. a. von unserer Stadt sich gerne beraten lassen.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)

    

Anzeige im General-Anzeiger vom 18. Juli 191825 Pfund seien frei!
Ein Vorschlag für Behörden und eine Aufforderung an Hamsterer.
Die Lebensmittelversorgung, die in der jüngsten Zeit Gegenstand verschiedener Sprechsaalartikel in unserem General-Anzeiger war, wird vom Kölner Lokalanzeiger ebenfalls zum Gegenstand regen Gedankenaustausches gemacht. Neuerdings gibt das Blatt Zuschriften Raum, in welchen dargestellt wird, daß Kinder bei der Rückkehr von Hamsterfahrten von Gendarmen auf das Bürgermeisteramt geführt wurden, wo man ihnen die mit viel Mühe zusammengeholten, zum Lebensunterhalt jetzt sicher unentbehrlich gewordenen Lebensmittel wieder abnahm. Da es Bonner Familien ähnlich ergeht, seien die Ausführungen des Kölner Blattes hier näher angeführt. Das Blatt sagt im Anschluß an die betr. Aeußerungen aus seinem Leserkreise: „Da müht man sich ab, für seine hungernde Familie unter größten leiblichen und seelischen Anstrengungen auf dem Lande einige Lebensmittel zu erhalten, muß sie zu ungeheuren Preisen bezahlen und schließlich riskieren, daß sie einem abgenommen werden. Hier waren es Kinder, die ihre Eltern erfreuen und ihr Teil dazu beitragen wollten, die häusliche Not zu lindern. Und dann, am Schlusse der mühseligen Fahrt und Wanderung, deren Strapazen nur die Freude über den errungenen köstlichen Preis ertragen läßt – kommt der Gendarm, dessen Aufgabe es sonst ist, nur den Verbrechern nachzuspüren, und nimmt einem die wenigen Pfund Lebensmitte ab, kraft Verordnung! [...]
    So kann es nicht weiter gehen! Die Freude am Staat steht bei vielen auf dem Spiele, und die Gesamtheit der Bevölkerung und die Behörden haben ein wichtiges Interesse daran, daß sie nicht untergraben wird. Man darf deshalb bei den Behörden Verständnis und Unterstützung erwarten, auch wenn andere Wege als bisher eingeschlagen werden müssen.
   Feststeht aber: 1. daß mit den zugeteilten Lebensmitteln niemand auskommen kann; 2. daß die Hoffnung der Behörden, sie durch Unterdrückung des kleinen Schleichhandels zu vermehren, sich nicht erfüllt hat. Wir stehen heute um nichts besser da, als jedes Mal zu Ende eines Erntejahres; 3. daß für die Lebensmittelpreise Wucherpreise gefordert und bezahlt werden.
   Wir machen daher allen Behörden, die es angeht, den Vorschlag, dafür einzutreten, daß Verordnungen erlassen werden zu dem Ziel: 1. von Lebensmitteln, welche für den eigenen Bedarf gehamstert werden, sind 25 Pfund frei. [..] 2. Der über den Höchstpreis bezahlte Betrag ist ungültig und wird auf Anzeige hin zurückerstattet. [...] Der Anzeigende bleibt straflos, auch wenn er Käufer ist. (Ohne letzteren Zusatz gibt es keine Anzeigen.)
   Neben diesen Vorschlägen für die Behörden aber ergeht eine dringende Aufforderung an die Hamsterer:
1. Bezahlt keine Wucherpreise, sondern haltet euch an die Höchstpreise! Wenn ihr aber den Verkäufer für seine Gefälligkeit belohnen wollt, so seien 10 Prozent das Höchste. 2. Haltet einander zur Innehaltung dieser Preisgrenze an. 3. Laßt euch nicht zu entwürdigendem Betteln herab!“

Das Reichs-Gesundheitsamt über die Grippe. Man schreibt uns von unterrichteter Seite: Die gegenwärtig in Deutschland ziemlich verbreitete, sogenannte „spanische Krankheit“ war am 11. d. M. Gegenstand einer Besprechung im Reichs-Gesundheitsamt. Die übereinstimmende Anschauung ging dahin, daß es sich nicht um eine neue, sondern die unter dem Namen „Influenza“ wohlbekannte Krankheit handelt, die bei uns im Winter 1889/90 und einige Jahre darauf recht heftig aufgetreten war. Im Gegensatz zu damals ist ihr Verlauf bisher milde. Nur dann nimmt die Krankheit zuweilen einen ernsten Charakter an, wenn die Lunge mit ergriffen wird. Der Reichs-Gesundheitsrat war der Ansicht, daß bei der überaus leichten Uebertragbarkeit der Krankheit persönliche Schutzmaßnahmen kaum Erfolg gegen Ansteckung versprechen. Sofort beim Auftreten der ersten Krankheitsmerkmale empfiehlt es sich aber, Bettruhe aufzusuchen; man versäume namentlich bei ernsteren Krankheitserscheinungen nicht, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Schädlich ist es, die Krankheit hinzuschleppen oder die völlige Wiedergenesung nicht abzuwarten.
   Die Dauer der früheren Epidemien betrug 6-8 Wochen. Es darf daher damit gerechnet werden, daß die Krankheit, die mittlerweile in allen europäischen Staaten eingekehrt ist, ihren Höhepunkt bei uns bald erreicht hat und bei günstiger, warmer Witterung mit Sonnenschein bald wieder abnehmen wird. Jedenfalls liegt zu Beunruhigung kein Anlaß vor.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

Kriegsbeschädigte. Nachdem von dieser Stelle aus schon viele berechtigte Bitten und Wünsche erfolgreich zur maßgebenden Stelle gelangt sind, möchte auch ich diesen Weg wählen, um einem vielgehegten Wunsche Ausdruck zu verleihen. Die Stadtverwaltung gab kürzlich bekannt, daß, wie bisher, auch in diesem Jahre den Schülern auf den städtischen Bahnen Fahrpreisermäßigung gewährt werden soll. Wäre es nicht möglich, diese Vergünstigung auch auf die im Gehen stark behinderten Kriegsbeschädigten (z. B. Amputierte) auszudehnen? Es wäre die gewiß nicht unbillig, wenn man bedenkt, daß diese Kriegsbeschädigten in viel höherem Maße auf die städt. Bahnen angewiesen sind wie die hier bevorzugten Schüler, die in der Mehrzahl doch gut zu Fuß sind. Wie häufig muß ein Beinverletzter, dem das Gehen trotz allen vortrefflichen orthopädischen Erfindungen sehr sauer wird, die Bahnen für ganz kurze Strecken benutzen, die mit gesunden Gliedern in einigen Minuten zurückzulegen sind. Und hierfür jedes Mal den hohen Fahrpreis zu entrichten, stellt für sehr viele eine erhebliche Mehrbelastung dar. – Vielleicht genügt dieser Hinweis, die Herren Stadtverordneten zur wohlwollenden Prüfung dieser Frage zu bewegen. Der Dank vieler wäre ihnen sicher. W. K.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)

     

Eine harte Maßnahme, die aber mit richtigem Verständnis aufgenommen werden muß, hat das Lebensmittelamt für die nächste Woche notgedrungne einführen müssen. Die Kartoffelmenge mußte auf drei Pfund herabgesetzt werden. Schweren Herzens mußte man sich dazu entschließen, weil die Zufuhren noch stocken. Die langanhaltende Trockenheit vor mehreren Wochen hat die Ernte der Frühkartoffeln in vielen Bezirken, besonders im Osten, sehr verzögert, in unserer Gegend auf das Auswachsen der Kartoffeln hemmend eingewirkt, sodaß die Ernte hinter dem erhofften Gewichte zurückbleibt. Die Anlieferung aus dem Stadtbezirke Bonn genügt aber bei weitem nicht, um die nötige Menge zur Ausgabe zu bringen. Einen Vorteil hat die Bevölkerung insofern, als es lediglich neue Kartoffeln sind, die nur sehr geringen Abfall haben. Um den Ausfall auszugleichen, werden in reichlicherer Menge als bisher Nährmittel wie Graupen, Nudeln und Hülsenfrüchte ausgegeben. [...] Es steht bestimmt zu erwarten, daß die Einschränkung nur von sehr kurzer Dauer sein wird, da unser Lebensmittelamt nichts unversucht läßt, um mehr Kartoffeln hereinzubringen, vorerst aber leider nach dem Grundsatz handeln muß: Was ich nicht habe, kann ich nicht geben.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)