Samstag, 13. Juli 1918

   

Die fleischlosen Wochen. Wie aus Berlin gemeldet wird, sollen die fleischlosen Wochen für die nächsten Monate nunmehr festgesetzt worden sein, und zwar die Wochen vom 19. bis 25. August, 9. bis 15. September, 29. September bis 6. Oktober und 20. bis 27. Oktober.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

  

Auf dem Bonner Wochenmarkt wurden gestern sage und schreibe 3 Mark und 50 Pfennig für ein Pfd. Pilze (Pfifferlinge) verlangt und bezahlt. Der Markt war im allgemeinen gut beschickt, hauptsächlich aber wieder mit Gemüse, Kopfsalat und Kleinzeug. […] Der Verkauf war im allgemeinen recht flott. Auf dem Großmarkt auf dem Stiftsplatz haben sich die Zufuhren noch immer nicht gebessert. Auch gestern war wieder so gut wie gar keine Ware zu haben. Beim städtischen Verkauf war gestern wieder reiche Auswahl an Waren vorhanden. Außer Grüngemüse waren Möhrchen zum 90 Pfg., fremde grüne Erbsen zu 90 Pfg., hiesige Zwiebeln mit Laub zu 47 Pfg. das Pfund, fremder Blumenkohl zu 1,50 Mk., fremde Gurken zu 1 Mk. das Stück, hiesiger beschlagnahmter Rot- und Weißkohl, Kohlrabien und etwa 80 Pfund beschlagnahmte Waldbeeren zu haben. Der Verkauf war im allgemeinen sehr flott, außer in Grüngemüse, worin nach Schluß des Marktes noch größere Ueberstände verblieben.

Zwei Mark für ein Pfund Waldbeeren. Man schreibt uns: Gestern morgen erschienen drei Mädchen von auswärts mit je einem gut verdeckten Korb voll Waldbeeren auf unserem hiesigen Wochenmarkt und boten sie im ganzen und im geheimen einer Verkäuferin zu zwei Mark für das Pfund an. Selbstverständlich sammelten sich auch im Augenblick einige Frauen um die so geheimnisvollen Körbe und blieben hier und da Bemerkungen nicht aus. Als die Sache brenzlich wurde, beschloß man, den Kauf etwas abseits vom Markt in der Sternstraße abzuschließen. Unterdessen war unsere Marktpolizei von diesem unerlaubten Handel in Kenntnis gesetzt worden. Sie schritt sofort zur Beschlagnahme der ganzen Waldbeeren, etwa 70 – 80 Pfund, und ordnete an, daß sie am städtischen Verkauf zu Höchstpreis im Kleinhandel verkauft wurden. In kurzer Zeit war der ganze Vorrat eines in diesem Jahre so sehr selten oder gar nicht auf dem Markt kommenden Artikels natürlich vergriffen. Dasselbe geschah mit einer kleineren Menge Weiß- und Rotkohl.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

Neues Operettentheater. Der „Neugierige“ im Sprechsaal hat am Donnerstag von der Bühne herab eins ausgewischt bekommen. Adalbert Steffter, der vielseitige gewandte Leiter des Unternehmens, der von Hause aus Schauspieler ist, sang an dem Abend die Tenorpartie des erkrankten Herrn Hietel. Dabei polemisierte er gegen das „Eingesandt“, das sich gegen die leichtfertigen Mütter richtete, die mit ihren halberwachsenen Töchtern sich „Grigri“ u. dergl. ansehen. Herr Steffter meinte in seinen in den Text eingeflochtenen Worten, wie mir berichtet wird, daß man in seinem Theater nichts Unsittliches lernen könne. Ich möchte auf dieses Thema nicht näher eingehen. Schon die Zitierung des Couplettextes im „Filmzauber“ „Kind, ich schlafe so schlecht“, der eine nicht mißzuverstehende Einladung an die Angebetete darstellt, und der Text von „Grigri“, „Walzertraum“, „Graf von Luxemburg“ usw. widerlegen die Auffassung des Herrn Steffter, daß seine Bühne für Kinderohren und Kinderaugen geeignet sei. „Wenn ihr’s nicht fühlt, ihr werdet’s nicht erjagen“, sagt ein gewisser Goethe, der Herrn Steffter aus der Zeit seiner ernsten Künstlerschaft vielleicht noch im Gedächtnis ist. Ich bleibe beim meiner Auffassung, daß Kinder und Halberwachsene, deren sittliche Festigkeit noch nicht gesichert ist, von der Operettenbühne als einer moralischen Anstalt keinen Gebrauch machen sollten. Hoffentlich ist unsere Schulbehörde der gleichen Auffassung. Der Neugierige.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)