Dienstag, 2. Juli 1918

    

Anzeige im General-Anzeiger vom 2. Juli 1918Eine Siedlungsgesellschaft m. b. H. will die Stadtverwaltung ins Leben rufen, um dem nach dem Kriege zu erwartendem Mangel an Kleinwohnungen möglichst wirksam begegnen zu können. Zu einer vorbereitenden Versammlung, die gestern nachmittag im Rathause stattfand, waren die Inhaber bezw. Vertreter der hiesigen größeren geschäftlichen Unternehmungen, Baufachleute, Vertreter von Vereinen usw. eingeladen worden. Beigeordneter Dr. Lühl, der die Versammlung leitete, legte in längeren Ausführungen dar, daß infolge der Bevölkerungsverschiebungen durch die Kriegsindustrie, der vielen Familien-Neugründungen (in Bonn gab es 1917 939 Kriegstrauungen) und des gänzlichen Ruhens der Bautätigkeit in Bonn schon jetzt ein großer Mangel an Kleinwohnungen bestehe, so daß die Befürchtung einer Wohnungsnot nach dem Kriege durchaus nicht von der Hand zu weisen sei. Einer solchen Wohnungsnot aber müsse so wirksam wie möglich vorgebeugt werden. Die Heeresverwaltung habe neuerdings zur Herstellung von Kleinwohnungen die Freigabe von Baustoffen und die Entlassung der nötigen Arbeitskräfte zugesagt. Die Stadt Bonn habe einen Lieferungsvertrag über Ziegelsteine bereits abgeschlossen und einen Werkvertrag über die Herstellung von Schwemmsteinen vereinbart, von einer vertraglichen Sicherstellung anderer Baustoffe aber Abstand genommen, weil die Preise dafür bereits sinken. Bei den jetzigen und auch nach dem Kriege zunächst noch außerordentlich hohen Preisen werde die private Bautätigkeit natürlich nur zögernd einsetzen, zu spät jedenfalls, um die heimkehrenden Krieger unterzubringen, daher glaube die Stadt die Gründung einer gemeinnützigen Siedlungsgesellschaft m. b. H. zur Herstellung der notwendigen Wohnungen anregen zu sollen. Die Stadt werde das notwendige Baugelände unentgeltlich oder doch zu außerordentlich niedrigen Preisen zur Verfügung stellen, so daß das Unternehmen trotz der hohen Baukosten ertragsfähig sein werde. Auch sonst werde sich die Stadt in einem solchen Maße beteiligen, daß sie die Leitung des Unternehmens dauernd beeinflussen könne. Der Zweck der Gesellschaft solle sein, minderbemittelten Personen und Familien, besonders kinderreichen Familien, zweckmäßig eingerichtete Wohnungen in eigens erbauten oder angekauften Ein- und Mehrfamilienhäusern zu verschaffen. Es sei gedacht, den Mietern den Erwerb der Einfamilienhäuser zu ermöglichen, die Gesellschaft soll sich aber, um jede Spekulation auszuschließen, auf 100 Jahre das Vorkaufsrecht sichern. Die Stadt werde, die Zustimmung der Stadtverordneten vorausgesetzt, auch die Bürgschaft auch für zweite Hypotheken übernehmen, sie werde auch die schon vor dem Kriege beschlossene städtische Hypothekenanstalt zur Begebung zweiter Hypotheken einrichten und mit einem Kapital von einer Million ausstatten. Man hoffe, daß sich an der geplanten Siedlungsgesellschaft, die als gemeinnütziges Unternehmen nicht über 4 v. H. verteilen werde, in erster Linie die industriellen Werke, dann aber auch alle gemeinnützig empfindenden Einwohner, soweit sie dazu in der Lage sind, beteiligen werden, damit ein Werk geschaffen werden könne, das unserer weniger bemittelten Bevölkerung zum Segen gereiche. – In der dann folgenden längeren Besprechung erwähnte Beigeordneter Lühl auf eine Anfrage u. a., die in Aussicht genommenen Baugrundstücke bildeten kein zusammenhängendes Gelände, sie lägen teils im Norden, teils im Süden der Stadt. [...] Ueber die Art der Bauten habe der städtische Kleinwohnungsausschuß der zu gründenden Gesellschaft nicht vorgreifen wollen, aus rein wirtschaftlichen Gründen werde sich aber empfehlen, dem Einfamilienhaus den Vorzug zu geben, weil sein Bau erheblich billiger, die baupolizeilichen Vorschriften auch nicht so streng seien. Es sei auch daran gedacht, auf Wunsch etwas Acker- oder Gartenland mitzuvermieten. Die Versammlung beauftragte schließlich mit den weiteren Schritten für die Gründung der Siedlungsgesellschaft einen Ausschuß, der sich zusammensetzt aus fünf Mitgliedern des städtischen Kleinwohnungsausschusses sowie den von der Versammlung gewählten Herren Fabrikant Becker, Fabrikdirektor Dr. Heine, Fabrikdirektor Kutsch, Fabrikbesitzer Dr. Meyer und den Regierungsbaudmeister Thoma. In möglichst kurzer Zeit soll eine neue Versammlung einberufen werden.

Anzeige in der Deutschen Reichs-Zeitung vom 2. Juli 1918Nachforschung nach vermißten Heeresangehörigen in Rumänien. Nachdem der Rücktransport der in rumänische Gefangenschaft geratenen deutschen Heeresangehörigen nunmehr nahezu als durchgeführt erachtet werden kann, soll in Rumänien eine Sonder-Nachforschung nach denjenigen eingeleitet werden, die aus der Gefangenschaft geschrieben haben oder gemeldet worden sind, über deren Schicksal aber weiter keine Nachrichten vorliegen. Zu diesem Zweck ergeht hiermit an alle Angehörigen von in rumänische Gefangenschaft geratenen Soldaten, die ihren Wohnsitz in den Kreisen Bonn-Stadt, Bonn-Land, Ahrweiler, Rheinbach und Siegkreis haben, das Ersuchen, die Namen solcher Vermißten der städtischen Zentralstelle für Auskunfterteilung und Hilfe jeder Art während der Kriegszeit, Abteilung Gefangenenfürsorge, Bonn, Franziskanerstraße 8. Erdgeschoß, bekanntzugeben, und zwar unter Vorlegung einer handschriftlichen Mitteilung des Betreffenden aus der Gefangenschaft oder einer sonstigen Unterlage, aus welcher einwandfrei festgestellt werden kann, daß der Vermißte tatsächlich in rumänischer Gefangenschaft war.

Neues Operettentheater. Die beliebte Posse „Filmzauber“ ist das nächste Werk, das unter Leitung des Direktors Steffter an dieser Bühne aufgeführt wird. Vom Stadttheater her in bester Erinnerung stehend, wird dieses lustige Werk auch hier in bester Rollenbesetzung seines Erfolges sicher sein.

Eine Rheinfahrt nach Linz und zurück mit Konzert auf dem Schiff und in Linz veranstaltet das Ersatzbataillon der 65er am morgigen Mittwoch zum Besten der Hinterbliebenen gefallener Regimentsangehöriger. Das Schiff verläßt Bonn (Köln-Düsseldorfer Gesellschaft) um 11 Uhr vormittags.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)

    

Universitätsbibliothek. Dem von Direktor Ermann erstatteten Jahresbericht 1917 entnehmen wir folgende Angaben: Die durch den Krieg und durch das in jeder Hinsicht unzulängliche Gebäude verursachten Schwierigkeiten bestanden auch im Berichtsjahr unvermindert fort und wurden noch vermehrt durch den ungewöhnlich ungünstigen Gesundheitszustand mehrere Beamten. Die Bearbeitung der Zugänge erlitt daher unerwünschte Verzögerungen und beträchtliche Reste sind entstanden. Das Ausleihgeschäft konnte im allgemeinen aufrecht erhalten werden, die Benutzung am Ort erfuhr im Winter eine Einschränkung, da, um an Beleuchtung und Heizung tunlichst zu sparen, nachmittags schon mit Eintritt der Dunkelheit geschlossen werden mußte. Auch wäre die der Fliegergefahr wegen angeordnete Verdunkelung aller Fenster bei der Ausdehnung des Gebäudes kaum durchführbar gewesen. Zum Ersatz für die verkürzte Oeffnungszeit wurde die Bibliothek in den Wintermonaten morgens schon um 8½ Uhr und während der sehr langen Osterferien auch an den Nachmittagen geöffnet. Auf die sonst während der Ferien übliche Verkürzung der Arbeitszeit der Beamten wurde verzichtet, um das im Winter Versäumte einigermaßen nachzuholen. [...]

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

Bessere Preise für die abzugebenden Anzüge. Dem General-Anzeiger vom 28. Juni zufolge hat die freiwillige Angabe von Männeranzügen den erwünschten Erfolg nicht gehabt, und soll eine Verordnung in Aussicht stehen, wonach strenge Maßregeln getroffen werden für diejenigen, welche einen Anzug bisher nicht abgegeben haben.
  
Wir wundern uns über den Mißerfolg der freiwilligen Abgabe nicht in Anbetracht der sehr billigen Preise, welche für noch guterhaltene Anzüge vom städtischen Bekleidungsamt bezahlt werden! ! !
   Viele Anzüge sind seiner Zeit nach Ostpreußen gewandert und der übrig gebliebene Vorrat ist meistens von guter Beschaffenheit, so daß Munitions- usw. Arbeiter, die bekanntlich sehr, sehr hohe Löhne erhalten, die getragenen Anzüge gut bezahlen können. Die Preise für Neuanschaffungen sind so enorm hoch, daß nicht viele Menschen diese bezahlen können.
   Zu wünschen bleibt also, daß bessere Preise für getragene Anzüge bezahlt werden. H.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)

   

Testamente. Bei der Ordnung der Familienangelegenheiten gefallener Kriegsteilnehmer tritt die Erfahrung zu Tage, daß in den weitaus meisten Fällen keine letztwillige Verfügung über den Nachlaß getroffen worden ist. Wir machen die Kriegsteilnehmer darauf aufmerksam, daß es doch gut ist, der Frage näher zu treten, ob beim Tode, der dem Krieger näher steht wie den Daheimgebliebenen, die Regelung der Vermögensfrage dem Gesetze überlassen bleiben soll. Nach dem bürgerlichen Gesetzbuch erbt der überlebende Ehegatte neben Kindern ein Viertel des Vermögens. Sind keine Nachkommen da, so erbt er neben Eltern und Geschwistern die Hälfte; außerdem fallen ihm die Haushaltungsgerätschaften und Hochzeitsgeschenke ganz zu. Mancher wird diese Regelung der Erbfolge als wenig gerecht empfinden, besonders wenn Ehegatten in guten und bösen Tagen treu zusammenstanden und vielleicht gar das Vermögen durch gemeinsamen Fleiß erworben haben. Nachdenkende Ehegatten machen deshalb meist von ihrem Rechte Gebrauch und bestimmen durch Testament, wie es nach ihrem Tode mit dem Vermögen gehen soll. [...] Im Felde können die Kriegsteilnehmer außerdem noch ein sogen. Militärtestament auf Grund des Reichsgesetzes vom 2. Mai 1874 errichten. Dabei sind drei Arten zulässig, nämlich: 1. eigenhändige Niederschrift, bei der jedoch abweichend von dem Testament nach dem bürgerlichen Gesetzbuch das Datum fehlen darf; 2. eine von einer anderen Person geschriebene Erklärung, die der Krieger nur zu unterzeichnen braucht, wenn außerdem zwei Zeugen oder ein Kriegsgerichtsrat oder ein Offizier mitunterschreiben. Im Lazarett genügt die Mitunterzeichnung durch einen Militärarzt, einen Militärgeistlichen oder einen höheren Lazarettbeamten; 3. eine protokollarische Erklärung – die von dem Testator nicht unterschrieben zu werden braucht – von einem Kriegsgerichtsrat oder einem Offizier in Gegenwart zweier Zeugen oder einem weiteren Gerichtsoffizier. Im Lazarett kann das Protokoll von einem Militärarzt oder Militärgeistlichen oder oberen Lazarettbeamten aufgenommen werden. Die Militärtestamente verlieren mit Ablauf eines Jahres nach der Entlassung oder Demobilmachung des Truppenteils ihre Gültigkeit. Die Kriegsteilnehmer sollte deshalb rechtzeitig in der erst erwähnten Form ein bis zur ausdrücklichen Aufhebung wirksam bleibendes eigenhändiges Testament errichten.

Fahnenflucht. Während der langen Kriegsdauer ist es vorgekommen, daß Heerespflichtige durch Fahnenflucht der Dienstpflicht zu entgehen versuchten. Durch solches Verhalten haben die betreffenden Personen ihren Angehörigen schwere Schädigungen zugefügt. Die Familienunterstützung wird den Angehörigen entzogen, wenn der Dienstpflichtige sich der Fahnenflucht schuldig macht, oder durch gerichtliches Erkenntnis zu Gefängnisstrafe von länger als 6monatiger Dauer oder zu einer härteren Strafe verurteilt wird. Beim Wiedereintritt in den Dienst wird die Unterstützung den Angehörigen wieder gewährt.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)