Donnerstag, 9. Mai 1918
Wegen des Feiertags Christi Himmelfahrt erscheint an diesem Tag nur die Bonner Zeitung.
Fliegergefahr!
Bei den letzten Fliegerangriffen auf deutsche Städte sind wiederum eine Anzahl friedlicher Einwohner, vor allem Frauen und Kinder, getötet und verletzt worden. Diese schmerzlichen Verluste sind umso bedauerlicher, als sie bei richtigem Verhalten fast durchweg hätten vermieden werden können. Fast alle Getöteten und Verletzten wurden nämlich auf offener Straße oder an Fenstern und Türen ihrer Wohnungen von Splittern der Bomben getroffen.
Unsere Einwohner sind durch Wort und Bild eingehen darüber unterrichtet, wie sie sich im Falle eines Fliegerangriffs zu verhalten haben. Die Zweckmäßigkeit der hierfür gegebenen Vorschriften hat sich besonders bei zahlreichen Angriffen auf das von den feindlichen Fliegern am meisten heimgesuchte lothringische Industriegebiet gezeigt. Dank der sorgfältigen Befolgung dieser Vorschriften sind die Einwohner dieses Gebiets bei den meisten Angriffen von Verlusten völlig verschont geblieben. Das Gleiche ist in allen bedrohten Gebieten zu erreichen. Jeder Mann und jede Frau überlege in ruhiger Stunde, wie er und die Seinen sich auf Grund der Vorschriften im Falle eines Fliegerangriffs zu verhalten haben. Jeder einzelne zu Hause muß die Stelle kennen, an die er sich bei einem Angriff zu begeben hat. Kommt ein Angriff, so sucht er sie mit möglichster Eile, aber ohne sinnlose Ueberstürzung auf. Befindet er sich auf der Straße, so tritt er in das nächste Haus und sucht dort Deckung. Ist er auf freiem Feld, so wirft er sich in der nächsten Vertiefung hin. Keiner lasse sich durch den Wunsch, etwas zu sehen, dazu verleiten, seine Deckung zu verlassen, ans Fenster zu treten, durch die Türspalte zu schauen, oder gar aus dem Haus heraus auf die Straße zu gehen. Neugier ist Tod! Bei jeden Angriff werden die meisten Menschen auf der Straße oder in der Nähe der Fenster getroffen. Der Franzose Maurice Barrès empfahl in edeler
Menschenfreundlichkeit nach dem Angriff auf Mannheim am Heiligen Abend 1917 ausdrücklich, derartige Angriffe bei Tage auszuführen, weil dann die Straßen belebt seien und den Bomben mehr Menschen zum Opfer fallen würden. Wer bei Fliegerangriffen ans Fenster tritt oder auf die Straße geht, spielt also unseren Gegnern in die Hände. Stattdessen sollte jeder durch verständiges Benehmen dazu beitragen, den ruchlosen Krieg unserer Feinde gegen Leben und Stimmung der Bevölkerung zuschanden zu machen. Je mehr sich die Bewohner durch richtiges Verhalten vor Verlusten bewahren und damit von der Zweckmäßigkeit der behördlichen Anweisungen überzeugen, desto gelassener werden sie derartige Angriffe als unabwendbare, aber verfehlte Kriegsmittel unserer Gegner hinnehmen.
Verwundete - -
Von Felix Joseph Klein
Der Bonner Frühling ist noch der alte. Das Grün, die Sonne, der Mai fragen nicht danach, ob sich ihr helles Lachen in heitere oder ernste Gesichter widerspiegelt.
Lang, lang ists her – da zeigte ein Konzertgarten am Eingang der Poppelsdorfer Allee ein fröhliches Bazartreiben. Sie sangen und tanzten für die Wohltätigkeit. Auch in unseren Tagen wird hier wohlgetan. Aber wo das Rote Kreuz von einfacher Baracke leuchtet, da gibt’s kein Singen und kein Tanzen. Durch den Spalt, der von der Allee Einblick gestattet, sieht man nur stille Arbeit, wenn der Lazarettzug Halt gemacht hat. An der Tragbahre hat kein Tanzmeister etwas verloren.
Der Bonner Lazarettzug K 1 hat seine 100. Fahrt hinter sich. Heuer hätte sich in unseren ehrwürdigen Promenaden wieder einmal manch bunte Mütze auf greisem Haupt unter unseren jungen Studentenscharen gezeigt, wie es 1868 gewesen, so sollte es 1918 doppelt sein – ein glanzvolles Fest zur Zentenarfeier der Alma mater. Nun in der Aula eine stille Feier für die – Lazarettzugbesatzung. Eine Alma mater kann nicht laute Feste begehen, wo sie den Tod so vieler ihrer Besten beklagt. Auf der Gedenktafel von 1870/71 neun Namen, auf der von 1914 bis 1918 – hunderte! So der Universitätsrektor.
Eine symbolische Bedeutung hat, so meint das Oberhaupt unserer Stadt, der Lazarettzug: Er verbindet Heer und Heimat. Allerdings – ernste Grüße, ernste Mahnung sendet aus das Heer durch seine Fahrgäste. Manch einer, der Bonn in frohen Tagen gesehen oder sehen wollte, genießt nur mit mildem Blick seine Frühjahrspracht - - von der Tragbahre.
Sie wird zur Kanzel, von der gewaltige Predigt kommt. Bloß neugierige Gaffer hören sie natürlich nicht. Habt ihr sie schon vernommen? Haben sich eure Hände genügend aufgetan oder öffnete sich nur euer Mund zum rasch gesprochenen Wort „Verwundete“? Sagt „Unsere Verwundeten in der Heimat“ und – handelt danach.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)