Donnerstag, 2. Juli 1914
Am 30. Juni beging der Alldeutsche Verband sein Sommerfest in der Villa Friede in Mehlem. In seiner Festrede betonte Dr. Rosemund:
„Wohl aber wissen wir dieses, daß die Gefahren, die uns umdreuen, infolge des Todes von Oesterreichs Thronfolger sich vermehren und uns näher rücken. Und wir wissen ganz bestimmt auch dieses, daß von dem von solchen Krisen durchzuckten Oesterreich uns keine Hilfe kommen kann, daß wir allein abwehren müssen, was uns bedroht. ... Wir müssen wie mit Waffen uns auch im Geiste rüsten, müssen uns die sittlichen Kräfte wahren, die unserem Volkstum eigen sind, und überall, wo wir mitzuwirken es vermögen, daran mitarbeiten, daß solches geschieht. Ausgerüstet mit der vortrefflichen kriegerischen Wehr und mit der alten Kraft der Hingabe an das Vaterland werden wir dann siegreich alle Gefahren überwinden, die uns auf unserem Schicksalswege drohen. ...“
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Einen Hitzschlag erlitt gestern mittag kurz vor 3 Uhr auf der Kasernenstraße eine Frau, die ihr Kind zur Klinik bringen wollte. Ein junger Mann alarmierte sofort die Feuerwehr, die die Frau zur Klinik brachte.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Das Kriegsgericht der 15. Division trat gestern vormittag in der Infanteriekaserne zusammen. Der Musketier F. von der 5. Kompagnie des Inf.-Reg. Nr. 160 hatte sich wegen unerlaubter Entfernung zu verantworten. Er war im Juli 1910 in Aachen für das Inf.-Reg. Nr. 99 in Zabern ausgehoben worden, hatte sich aber schon vorher bei einer Glasfabrik in Mexiko verpflichtet und reiste kurze Zeit nach der Aushebung nach Mexiko. Vor einigen Monaten, als die politischen Wirren ihm den Aufenthalt in Mexiko unangenehm machten, kehrte er nach Deutschland zurück und stellte sich in Aachen dem Bezirkskommando. Er wurde dann sofort beim Bonner Infanterie-Bataillon eingestellt. Das Kriegsgericht berücksichtigte, daß der Angeklagte von der mexikanischen Fabrik schon Geld bekommen und von dem Gelde einen Teil verbraucht hatte, so daß er, wenn er nicht hingegangen wäre, wegen Unterschlagung hätte verfolgt werden können, es verurteilte ihn zu der Geringststrafe von 43 Tagen Gefängnis. – Der Unteroffizier der Reserve B., der bis 13. Juni d. J. der 5. Kompagnie des Inf.-Reg. Nr. 160 angehört hatte, mußte sich wegen Ungehorsams, Unterschlagung und Anstiftung zum Ungehorsam verantworten. Der 22jährige Unteroffizier hatte sich im vorigen Winter mit den Rekruten seiner Korporalschaft photographieren lassen und entgegen dem bestehenden Verbot ohne Einwilligung seines Kompagnieschefs das Geld für die Bilder in Teilbeträgen eingesammelt, die eingesammelten 38 Mark aber nicht an den Photographen abgeführt, sondern unterschlagen. Als der Photograph die Sache angezeigt hatte und der Unteroffizier verhaftet worden war, hatte er der Arresthaus-Ordonanz einen Kassiber zur Besorgung an einen Kapitulanten gegeben und den Kapitulanten darin erbeten, für ihn günstig auszusagen. Das Urteil lautete auf vier Wochen, drei Tage Mittelarrest und Degradation. – Der Musketier H. der 8. Kompagnie des Inf.-Reg. Nr. 100, der schon einmal im Jahre 1912 wegen Fahnenflucht zu zehn Monaten Gefängnis verurteilt und in die zweite Klasse des Soldatenstandes versetzt worden war, hatte am 15. Dezember v. J. wiederum seinen Truppenteil verlassen. Er hatte sich einen Tag in der Familie eines ihm bekannten Mädchens in Bonn aufgehalten, mit bürgerlicher Kleidung versehen und war dann nach Luxemburg gefahren, wo er schon vor seinem Dienstantritt elf Jahre gelebt hatte. Er wurde in Luxemburg zur Verbüßung einer schon früher gegen ihn erkannten Strafe verhaftet und später ausgewiesen. Nachdem er noch eine Reise nach Paris gemacht, kehrte er nach Bonn zurück und wurde hier auf Veranlassung eines Mannes, dessen Stiefel er bei seiner Flucht nach Luxemburg angezogen hatte, verhaftet. Bei der Festnahme gab er dem Kriminalbeamten zunächst einen falschen Namen an. Im Militärgewahrsam zeigte er sich mehrfach widerspenstig. Das Kriegsgericht verurteilte den Musketier wegen Fahnenflucht im ersten Rückfalle, Preisgabe von Dienstgegenständen, Beharrens im Ungehorsam in drei Fällen und Gebrauchs eines falschen Namens zu einem Jahre vier Monaten Gefängnis und einer Woche Haft, es erkannte auch erneut auf Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes. – Zu der ersten und dritten Verhandlung waren 40 Einjährige als Zuhörer kommandiert. Der zweiten Verhandlung durften sie nicht beiwohnen, da es sich mit der Disziplin nicht verträgt, daß Untergebene Gerichtsverhandlungen gegen Vorgesetzte beiwohnen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Vorabendausgabe, Rubrik „Bonner Nachrichten“)