Freitag, 11. Dezember 1914

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 11. Dezember 1914Aus dem Schützengraben. (Mitgeteilt von einem Freunde unseres Blattes.) Bei der Besichtigung der Unterstände in einem Schützengraben bemerkt der Hauptmann, als er hört, der betreffende Unterstand sei für zwei Mann bestimmt: „Da hat noch ein dritter Mann Platz!“ „Nein, Herr Hauptmann, da kommt der Weihnachtsbaum hin“.
   Bei Besichtigung eines Schützengrabens findet der General M. v. S. einen Mann mit grauen Haaren. „Wie alt sind Sie?“ „29 Jahre!“ „Was, erst 29 Jahre? Wie kommt es denn, daß Sie graues Haar haben?“ „Das ist feldgrau, Exzellenz!“

Volksliederkonzert. Die Lautensängerin, Fräul. Olly Koort veranstaltet am Sonntag, nachmittags 3 Uhr, im Bonner Bürgerverein ein Konzert, das unter freundlicher Mitwirkung von Frl. Dr. Edith Springer Volkslieder, Duette, Weihnachtslieder und Soldatenlieder bringen wird. Verwundete Soldaten haben freien Eintritt.

Gegen die Verbreitung falscher Nachrichten. Der Guvernör der Festung Köln, v. Held, macht bekannt: „Jede deutschfeindliche Kundgebung sowie jede Verbreitung unwahrer Nachrichten über den Krieg ist verboten. Wer sich im Bereich der Festung Köln einer deutschfeindlichen Kundgebung, sei es öffentlich oder nichtöffentlich, schuldig macht, ferner böswilliger- oder fahrlässigerweise unwahre Nachrichten über den Krieg verbreitet oder zur Zuwiderhandlung wider dieses Verbot auffordert oder anreizt, wird mit Gefängnis bis zu einem Jahre bestraft, sofern nach den bestehenden Gesetzen nicht höhere Strafen verwirkt sind.“

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

 

Zur Nachahmung! Ein Vermieter in Poppelsdorf ließ seinen Mietern sofort nach der Mobilmachung vom 1. August ab einen Teil der Miete ab. Drei Mieter bezahlen ihm statt 57 Mk. jetzt nur 45 Mk.

Ostpreußen. Heute Freitag veranstaltet der Hilfsausschuß für Ostpreußen einen geselligen Abend im Gartensaal der Lese, welcher mit einem Vortrag des Herrn Dr. Rosenmund: „Ostpreußische Geschichten“, beginnt. Alle Freunde Ostpreußens sind herzlich willkommen.

Unterhaltung für Verwundete. Am Mittwoch wurden die Verwundeten des Reservelazaretts I (Nervenklinik) durch Herrn Konzertmeister Scheidthauer und einigen anderen Herren durch mehrere gediegene Konzertstücke ernsten und heiteren Inhalts erfreut. Die Verwundeten brachten ihre Dankbarkkeit durch reichen Beifall zum Ausdruck.

In dem Vereinslazarettzug K 1 Bonn ist auch für die seelsorgerischen Bedürfnisse der zu befördernden Verwundeten aufs beste gesorgt. Unter den freiwilligen Krankenpflegern befindet sich je ein Geistlicher beider Konfessionen. Zudem hat die Leitung des Zuges in entgegenkommendster Weise die Mitnahme eines Feldaltares angeregt, sodaß auch im Zuge Gottesdienst gehalten wird. Die Mittel für den Feldaltar sind durch freiwillige Gaben in kürzester Zeit beschafft worden.

Anzeige im General-Anzeiger vom 11. Dezember 1914Bonner Straßenbilder. Der Bilderbogen. Nun also, da sind sie ja wieder, die Freunde der Jugend und des besinnlicheren Alters. Dachte ich doch gleich, daß etwas Besonderes in dem Schaufenster sein müsse, weil so viele Kinder um das Fenster standen und Finger und Nasen gegen die Scheibe drückten. Da hängen sie wieder, die lieben alten Freunde: die Bilderbogen mit den schreienden Farben, dem dicken Schwefelgelb, dem grellen Zinnoberrot, Giftgrün und unmöglichem Blau. Ich stelle mich hinter die Kleinen und wir staunen zusammen über die kühne Buntheit der Farben. Natürlich sind die Bilderbogen auf den Krieg zugeschnitten und man sieht Deutsche, Franzosen, Engländer, Russen und Japaner, und zwar in ihrer charakteristischen Eigenart. Vor allem macht es die Farbe. Unsere Krieger sind im schönsten Feldmausgrau gemalt, die Franzosen fallen durch die brennend roten Klexe ihrer Hosen auf, die Engländer vornehmlich durch ihr Nußknackergebiß, die Russen aber durch ihr verwildertes bärtiges Buschmannsgesicht und der unvermeidlichen Wutli[Wodka]flasche in der Hand, die Japaner endlich zeigen Gesichter im schönsten Dottergelb mit geschlitzten Augen und herunterhängenden Bartkommas. Auf den Bilderbogen werden heftige Schlachten geschlagen; dabei wird mit besonderer Ausgiebigkeit mit Rot gearbeitet. Blutrote Feuersbrünste stehen am Himmel und das Blut der Gefallenen ist mit viel Aufwand an Fläche hingemalt. Man schlägt sich die Köpfe blutig, Kanonen speien dicke Kegelkugeln aus und alles das ist mit großer Sinnfälligkeit, man möchte sagen, mit linearer Einfachheit hingezaubert.
  
Das kleine Mädchen neben mir liest die blutige Geschichte von dem Kosaken Wladimir vor, dessen Kampf und Gefangennahme durch die Deutschen, die auf den Bildern nur siegreich sind, in ebenso blutigen Versen geschildert wird. Der Kosak Wladimir aber fühlt sich in der deutschen Gefangenschaft unendlich wohl und er erhebt seine Hände und fleht: „Himmel mach den Krieg nicht aus, daß ich nicht mit meinem Bauche wieder weiter hungern brauche für den Zaren Nikolaus“. Ein Knirps, der die Rolle des Sachverständigen übernommen hat, erklärt der aufhorchenden Schar die Bilder und knüpft seine Bemerkungen daran. „Datt senn de Franzose, on datt de Englände. Die Oeste kriggen se fies gezopp.“ Die Kleinen lachen und freuen sich über die schönen Geschichten.
   Ein alter, sehr ehrwürdig aussehender Herr kommt heran und stellt sich ebenfalls vor das Fenster. Er wirft einen Blick auf die schreiend-schöne Herrlichkeit, und ich höre, wie er zu seinem Begleiter sagt: „So’n Kitsch. Wie kann man derartigen Schund ausstellen?“ – Dann entfernen sie sich. Ich aber stehe noch immer vor dem Fenster und lese mit Behagen die Geschichte von dem Landwehrmann Kulicke, der mit seinen derben Fäusten drei „Japanerlein“ heranschleppt, oder die Geschichte von Mister Stock, der mit den Deutschen Fußball spielen wollte, aber nicht so weit kam, da er vorzeitig von den Deutschen abgefangen wurde.
   Gewiß, die Farbe der Bilderbogen ist aufdringlich, die Verse holperig, aber das gehört nun einmal zum Bilderbogen. Solange große Tagen geschehen, so lange muß der Bilderbogen dafür herhalten. Stellen sie auch nicht mit photographischer Treue die Tatsachen dar, sondern so, wie sie sich in der Phantasie des Kindes abspielen, so wird doch der Zweck erreicht, denn die Bilderbogen gehören den Kindern und bilden ein Stück von diesem Kinderparadies. – Und darum lasse ich mir meine Freude an den schönen bunten Bilderbogen nicht verderben.
   Ein Straßenkolleg. Fast täglich sieht man Verwundete und Arbeiter, Frauen und Kinder, auch gutgekleidete Herren zusammenstehen, die sich lebhaft über Kriegsereignisse unterhalten. Gestern sah ich zwei verwundete Gardisten auf dem Wilhelmsplatz stehen. Um sie herum eine Marktfrau mit ihrem Gemüsekorb, ein Bäcker mit weißer Schürze und verschiedene halbwüchsige Burschen. Ich trat hinzu, um ebenfalls zuzuhören. Der Gardist mit einem vierwöchigen Bart, der wie eine Wichsbürste aussah, ums Kinn, erzählte seine Erlebnisse. „Na, wie war’s denn vor S.?“ frage ich, da ich höre, daß er die Kämpfe bei S. mitgemacht hat. „Ja, da ist sie nicht viel groß zu erzählen,“ meinte der Sohn vom Elbestrand, „wir waren kaum von Potsdam nach Frankreich nachgeschoben, als es auch schon losging. Das ging sie nu meerschtendeels hinein im de Schützengräben, wieder naus und wieder hinein. Und dann ging’s immer „dschupp – dschupp“ (er machte die entsprechende Armbewegung). Dann war sie nämlich ene Kugel vorbeigeflogen. Und dann ging’s wieder emal „dschupp, dschupp“ (entsprechende Armbewegung) und ich hatte ene sitzen. S’ hat sie hellisch weh getan, bis sie das Rosinchen (er meinte die Kugel) gefunden hatten, aber nu is ganz gut und die nächsten Dage mach’n wir wieder vor die Front.“

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

 

Anzeige in der Deutschen Reichs-Zeitung vom 11. Dezember 1914Student und sozialpatriotische Tätigkeit. Die 4 Vorträge, die Herr Dr. H. Wohlmannstetter (M.-Gladbach) am 7.,8. und 9. November im Saal des hiesigen Borromäushauses hielt, hatte zum Ziel, die Studenten anzuregen und vorzubereiten zur Betätigung im Vortragswesen in Vereinen, bei Lazarettabenden und dergl. Die Vermittlung besorgt die Sozialstudentische Zentrale, Clemensstraße 7. Vorträge wurden schon in Bonn und Umgegend und in Köln gehalten. – Am Montag begann die sozialstudentische Ortsgruppe ihre Lazarett-Tätigkeit mit einem Vortragsabend im Hospital der barmherzigen Brüder. Zwei Studenten lasen Kriegsnovellen vor und rezitierten ernste und heitere Gedichte, u. a. von Heine, Liliencron, Lulu von Strauß und Torney. Dazwischen sangen zwei Studentinnen zur Laute alte Volks- und Soldatenlieder und ernteten damit reichen, wohlverdienten Dank. In Stoff und Form suchten alle Darbietungen das Schlichte, Volkstümliche im besten Sinne.

Opfersinn unter den Bonner Dienstmädchen. Wir erhalten folgende Zuschrift:
  
Voll Begeisterung fürs Vaterland öffnet heute ein jeder Herz und Hand, um die Wunden, die der Krieg schlägt, zu lindern und zu heilen. Was die Opferfreudigkeit anbelangt, so stehen nicht an letzter Stelle unsere Bonner Dienstmädchen. Es ist rührend und erhebend zu erfahren, mit welcher Liebe und mit welchem Eifer insbesondere die Mitglieder des Marienvereins – Verein für kath. Jungfrauen in häuslicher Stellung, Bachstr. 4, Präses Herr Kaplan Reinermann – ihr Scherflein opfern, ja oft größere Summen spenden, um der Not des Krieges zu steuern. Abgesehen davon, daß viele Mädchen ihre im Felde stehenden Brüder und Anverwandten reichlich mit Liebesgaben versehen, geben sie gern und freudig auch für allgemeine Kriegszwecke. Eine Sammlung, die aus Anlaß einer Namenstagsfeier für diese Zwecke gehalten wurde, ergab die schöne Summe von 300 Mark. Vielfach werden Gaben ohne Namensangabe dem Briefkasten des Präses anvertraut. So fand dieser einmal 100, ein andermal 50, mehrmals 20 und 10 Mark gespendet von Mitgliedern des Marienvereins. Im ganzen wurden bis jetzt etwa 700 M. dem Präses für Kriegszwecke zur Verfügung gestellt; dazu verschiedene Gold- und Silbersachen: eine Uhrkette, mehrere Finger- und Ohrringe usw. Hier gilt das Wort der hl. Schrift: „Viele geben von ihrem Ueberfluß, diese aber opferten von ihrem Notwendigen“. Möge Gott der Herr es ihnen reichlich vergelten.
   Die Gaben wurden vewandt für Seelsorge und Krankenpflege im Felde, für die Kapellenautos, ferner als Liebesgaben für unsere im Felde stehenden und verwundeten Soldaten und für ähnliche Zwecke.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)