Montag, 16. November 1914
Totenfeier für die gefallenen Krieger. Am nächsten Sonntag (Totensonntag) wird auf dem Nordfriedhof, nachmittags 3½ Uhr, eine Feier für die hier verstorbenen Krieger veranstaltet werden. Herr Pastor Lorenz wird die Totenrede halten.
In der Ortsgruppe Bonn des Kaufmännischen Verbandes für weibliche Angestellte (Berlin) spricht morgen abend 8½ Uhr im Nordische Hof die bekannte Rezitatorin und Lautensängerin Fräulein Tony Eick – Koblenz über „Heimat, Deutschtum und Arbeit“. Im Anschluß daran wird die Vortragende Lieder zur Laute singen. Der Eintritt ist frei.
Stadttheater. Das fröhliche Spiel „Als ich noch im Flügelkleide“ wurde gestern abend wieder von dem vollbesetzten Haus mit Beifall aufgenommen. Morgen soll das lustige Stück vorläufig zum letzten Male wiederholt werden. Für den nächsten Sonntag wird „Othello“ in neuer Einstudierung vorbereitet.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Das erste Schneetreiben trug gestern ein starker Nordwestwind über unsere Stadt und die Rheingegend. (…)
Feldpostbriefe. Fast täglich erhält unsere Redaktion Briefe von Soldaten, die ihre Eindrücke und Erlebnisse im Felde schildern. Wenn wir auch nicht alle Briefe zum Abdruck bringen können, so wollen wir von Zeit zu Zeit Auszüge aus besonders interessanten Briefen veröffentlichen. Aus allen Briefen aber spricht derselbe gesundpatriotische Sinn, dieselbe Vaterlandsliebe, Kampfbegeisterung und Siegeszuversicht, die unser ganzes Heer erfüllt und der wir unsere bisherigen schönen Erfolge verdanken.
Der Artillerist Toni Willems-Bonn schreibt über einen heruntergeschossenen feindlichen Flieger folgendes:
„Es ist sechs Uhr morgens. Gerade sind wir aus einem leichten Schlummer erwacht, so hören wir auch schon das uns wohlbekannte Motorrasseln mehrerer französischer Flugzeuge. „Sieh mal zu, ob der „Bauernschreck“ nicht wieder dabei ist“, sagt unser Geschützführer. Der so benannte Flugapparat ist ein gepanzerter französischer Doppeldecker, bemannt mit zwei Offizieren und ausgerüstet mit einem Maschinegewehr. Der „Bauernschreck“ wirft mit Vorliebe Bomben und hat uns schon manchen Schaden zugefügt. Und schon segelt der „Bauernschreck“ wie ein Habicht ruhig über unserer Stellung. Heute scheint er liebenswürdig: er schmeißt keine Bomben und fährt wieder zur französischen Stellung zurück. Es ist heute ein herrlicher Herbstmorgen. Die Sonne lacht uns so zu, als wollte sie sagen: „Liebet euch untereinander“. In dieser Morgenstille freuen wir uns auf den Kaffee, den unsere Kameraden ¾ Stunden hinter der Front bei den Protzen holen. Grade, als wir den heißen Trank mit Behagen einschlürfen, bekommen wir auf einmal „Zucker“ in Form von Bomben aus Himmelshöhe. Der Bauerschreck ist wieder da. Das ärgert uns, besonders wegen des guten Morgenkaffees. Wir springen auf. Kauend richten wir unser Geschütz. Kauend schwören wir, daß dem Bauernschreck heute sein Schicksal werden soll, und fangen an zu „bumsen“. Beim fünften Schuß ereilt ihn ein Volltreffer, der direkt hinter dem Motor einschlägt. Das Flugzeug fängt Feuer, macht einige tolle Spiralen und stürzt senkrecht mit markerschütterndem Krach zur Erde, sich etwa 200 Meter hinter unserer Batteriestellung eingrabend. Ungeachtet der sausenden Infanteriegeschosse stürmen wir aus unserer gedeckten Stellung, schwenken die Mützen und schreien, nein brüllen mit einer solchen Begeisterung Hurra, daß die Franzosen meinen, wir machen einen Sturmangriff. Die Rothosen schießen wie toll auf uns los. Wirkung: negativ. Unser Offizier kommandiert: „In Deckung!“ Um unsere Haut in Sicherheit zu bringen, verschwinden wir schnell in unseren Geschützunterständen, umarmen uns und lachen vor Freude, daß uns die Augen naß werden. Der Kaffee ist inzwischen kalt geworden, aber er schmeckt nun doppelt gut, denn wir haben die feste Ueberzeugung, daß noch recht viele feindliche Flieger dran glauben müssen. Inzwischen geht’s immer vorwärts „Mit Gott für König und Vaterland!“
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Nochmals Kartoffelpreise. Heute morgen hatte ich Gelegenheit, einen Landwirt zu beobachten, der mit einem Wagen voll Kartoffeln durch einige nicht gerade von den wohlhabendsten Bürgern bewohnte Straßen fuhr. Für den Zentner ganz kleiner Ausschußkartoffeln, die auch ihrer Qualität nach sonst nur als Viehfutter Verwendung finden, verlangte er 4.30 Mk., für andere Sorten 7 Mk., wobei er den Leuten sagte, später müsse mehr als das Doppelte bezahlt werden. Einsender dieser Zeilen ist kein Bonner Bürger und die Höhe der hiesigen Kartoffelpreise könnten ihm daher ganz gleichgültig sein. Aber der Vorgang war so empörend, daß er festgenagelt zu werden verdient. Das sind Wucherpreise, die gerade bei der ärmeren Bevölkerung Erbitterung erregen müssen. Ich weiß nicht, wie weit hier die Verwaltung eingreifen kann, aber zur besseren Beleuchtung des Vorfalles will ich nur eine Bemerkung, die ich hörte, hinzusetzen: „Unsere Ernährer sind im Krieg, und uns schützt man nicht vor Ueberforderungen.“ Derartige bittere Aeußerungen lassen sich bei einer armen Hausfrau, die den übertriebenen Preis für eine wohlschmeckende Kartoffel nicht mehr erschwingen kann, und statt dessen Schweinefutter für 4 Mark und 30 Pfennige der Zentner angeboten bekommt, recht wohl verstehen. E.J.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Ein nächtlicher Patrouillengang in Feindesland. Ein aktiver 68er schreibt an seine Angehörigen in Bonn:
„… Am 28.10., nachmittags ½5 Uhr war es als wir, 6 Unteroffiziere und 30 Mann unter Führung eines Vizefeldwebels die Patrouille antraten. Wir hatten von unseren Kameraden herzlichst Abschied genommen und nahmen noch einen Wunsch unseres Bataillonskommandanten mit auf den Weg. Dann gings los. Wir überschritten einzeln unsere Schützengräben und sammelten uns in dem Dorfe P., welches 200 Meter vor unserer Linie liegt und durch unsere Artillerie vollständig in den Boden geschossen worden ist. Dort wurde die Einteilung unserer einzelnen Patrouillen bestimmt. Meine Patrouille, 2 Unteroffiziere, 8 Mann, hatte den Auftrag, die ca. 400 Meter vor uns liegenden Wäldchen zu erforschen, wie stark drin die Besatzung sei und wieviel Reserven event. dort wären. (…) Auf Händen und Füßen krochen wir über die Felder, das Gewehr am Riemen in dem Munde, jeder Strauch als Deckung benutzend, oft mußten wir ½ Stunde still liegen bleiben, um dunkle Wolken abzuwarten, da der Mond zu allem Unheil sehr hell schien. Jetzt waren wir noch 150 Meter von der feindlichen Linie entfernt. (…) Von einer vor uns liegenden Bodenwelle aus konnten wir die Wälder beobachten; ein langgestreckter Wald rechts von uns schien stark besetzt zu sein, denn wir sahen eine Menge Lichter und hörten 3 Feldküchen anfahren. Unserer Schätzung nach schien es über ein Bataillon zu sein. (…) Da wir zu schwach waren und zudem den Befehl hatten nicht zu schießen, zogen wir uns nach P. zurück. Auf dem Rückweg setzte starker Nebel ein, durch den wir glücklich ohne Schaden unseren Ort erreichten. (…) Nun gaben wir uns einige Stunden der Ruhe hin, da wir in dem Dorfe durch ein paar Unteroffiziersposten der unsrigen gedeckt waren. Dieser erste Patrouillengang dauerte im ganzen ca. 6 Stunden. Gegen ½5 Uhr morgens machten wir uns zum zweiten Gange zurecht. Diesmal gingen wir alle zusammen an einer anderen Stelle mehr rechts vor. Es galt einen feindlichen Unteroffiziersposten abzufangen. Dieser Posten stand ca. 800 Meter links der Straße. Wir schickten drei Mann auf der Straße vor, die den Posten unter Feuer nehmen sollten. Wir anderen gingen alle zusammen links der Chaussee in ausgeschwärmter Schützenlinie vor, um den Posten zu umzingeln. Die drei Mann feuerten verschiedentlich auf den Posten, der sich darauf zurückzog. Da es mittlerweile hell wurde, mußten wir uns selber zurückziehen, um ohne Verluste zurückzukommen. Im Dorfe sammelten wir uns und zum Glück hatte niemand von uns Schaden gelitten. Gegen 8 Uhr morgens trafen wir wieder bei unserer Kompagnie ein. Unser Zweck war, wenn auch nicht ganz, so doch zum Teil erfüllt, wußten wir doch, wie stark die feindliche Stellung vor uns war. Die beiden Patrouillengänge waren gefährlich, aber auch schön, es tat mir leid, daß wir unseren Zweck nicht ganz erfüllen konnten, hoffentlich erreichen wir das nächste mal mehr. Jetzt, wo ich dies schreibe, 1 Uhr mittag, tobt hier wieder heftiger Artilleriekampf. Na, hoffen wir, dem verbündeten Heere bald den Garaus machen zu können. Ihr seid wohl gerade beim essen und tatsächlich beneide ich Euch deswegen, denn ich bin gerade Zwieback am kauen. Schickt mir bitte etwas Chokolade …“
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Helft den Notleidenden. Es wird so schön für die Kriegerfamilien gesorgt. Denkt aber auch bitte an die, welche durch den Krieg in Not geraten sind. Wir alleinstehenden Büglerinnnen und Näherinnen sind ganz ohne Beschäftigung. Jetzt sind die Herren im Felde und brauchen keine Stärkewäsche. Wovon soll nun ein Büglerin leben? Darum helft auch ihnen. M.K.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)