Donnerstag, 29. Oktober 1914
Kriegs-Wollsammlung. Der Kriegsausschuß bittet die Lehrherren der Mitglieder des Pfandfinderkorps, diese Jungen am Freitag, dem Tage der Wollsammlung, zu beurlauben. Die Jungen sollen für die sammelnden Damen das Fortschaffen der gesammelten Sachen übernehmen. Angesichts des Zweckes der Sammlung und der geschäftsstillen Zeit dürfte der Ausschuß keine Fehlbitte tun.
Kartoffelpreissteigerung. In der letzten Zeit ist mehrfach darauf hingewiesen worden, daß die Kartoffelpreise zu einer Höhe angestiegen seien, welche direkt eine Notlage unter der städtischen Bevölkerung und namentlich demjenigen Teil derselben erzeuge, welcher durch Arbeitslosigkeit und Einberufung des Ernährers zu den Fahnen in eine schwierige Lage geraten ist. Die Schuld an der Preissteigerung wird der Landwirtschaft zugeschoben, welche die Kartoffelzufuhr zurückhielte, um möglichst hohe Preise zu erzielen. In einem Artikel „Erscheinungen im Kartoffelhandel“, der im Organ der Landwirtschaftskammer für die Rheinprovinz, der „Landwirtschaftlichen Zeitschrift für die Rheinprovinz“ abgedruckt ist, wird nun ausgeführt, die Gründe, die zu dem ungewöhnlichen Ansteigen der Kartoffelpreise führten, seien andere: In diesem Jahre lägen die Verhältnisse ganz anders wie in früheren Jahren. So sei die Nachfrage besonders stark und zeitig aufgetreten, weil jeder wegen des Krieges seinen Bedarf rechtzeitig decken will, in der Vermutung, daß später die Preise steigen könnten. Dann wollten viele Familien ihren Haushalt sparsam einrichten und gingen darum im erhöhten Maße zur Verwendung der Kartoffel über. – Ferner sei der Grund für die Preissteigerung darin zu suchen, daß in diesem Jahr Herbstbestellung und Kartoffelernte verzögert wurde durch die Einberufung der Arbeitskräfte. (...)
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Welche Kleidung erfordert ein Winterfeldzug? Von ärztlicher Seite wird uns geschrieben: Die Oeffentlichkeit beschäftigt sich, besonders angeregt durch die große Wollsachensammlung, mit Recht mit der Lösung der Frage, wie sie unsere Soldaten im Winter anziehen sollen. Die ungeheuren Ballen von Wollwaren, die ins Feld hinausgeschickt werden, tragen bereits viel zur Lösung dieser Frage bei. Andererseits werden Vorschläge gemacht, die sich bei Nordpolfahrten gut bewährt haben. Es fragt sich nun, ob eine große Reihe dieser Vorschläge nicht weit über das Ziel hinauszeigt. In Frankreich sind die Winter wärmer als in Deutschland. Sie erfordern also durchaus nicht größere Vorbereitungen, als man in Deutschland treffen würde. Der Regen ist dort viel schlimmer als die Kälte. Es wäre darum erfreulich, wenn die Fürsorgemaßnahmen bei Herstellung der Liebesgaben sich auch auf wasserdichte Umhänge und wasserdichte Mützen erstrecken würden. Nun die Vorbereitungen für einen voraussichtlichen Winterfeldzug in Rußland! Hier wird stark über das Ziel hinausgegangen. Das russische Gebiet, in dem der Winterfeldzug stattfinden wird, ist selbst, die nordöstliche Grenze genommen, noch durchaus europäisch. Russische Winter haben bei uns einen harten Klang, aber man muß bedenken, daß der Krieg nicht in Nordrußland oder Sibirien geführt wird. Gewiß gibt es selbst in den Kriegsgebieten Rußlands scharfe Winter und starke Kälte, welche die unsrige übertrifft. Aber die Kältetage wechseln doch ganz unberechenbar mit wärmeren Tagen ab, in denen der Schnee schmilzt, auch für diese Tage muß gesorgt werden. Erste Vorbedingung für Gesunderhaltung des Leibes und des Magens sind warme große Stiefel, die am besten mit Stroh ausgefüllt werden. Wasserdichte Sohleneinlagen sind streng zu vermeiden, da sie meist luftundurchlässig sind und das Kältegefühl steigern. Warme Unterkleider sind selbstverständlich. Aber das wollene Hemd sei nicht so dick, daß es bei warmem Wetter eine Plage bildet. Das Wichtigste aber sind dicke warme Ohrschützer. Jeder, der in Petersburg war, weiß, daß den Ohren die größte Gefahr von der Kälte droht, und daß die Petersburger sich gegenseitig darauf aufmerksam machen, wenn die Ohren gefährdet sind. Also warme Stiefel, ein erträglich warmes wollenes Unterhemd, dicke wollene Beinkleider, die selbst an wärmeren Tagen nicht lästig werden, und sehr dicke wollene Kopf- und Ohrschützer.
Vaterländische Reden und Vorträge. (Achter Abend.) Prof. Dr. Holldack: „Der Automobilmotor und die Verkehrsmittel im Kriege.“ Mit Papierdrachen, Flugzeugmodellen, Kreide, Lichtbildern und sonstigen Vorrichtungen und Apparaten wurde gestern abend operiert, um das Leben des Motors zu veranschaulichen. (...) Es wurden technische Einzelheiten auch des Bootsmotors klargelegt, der Diesel-Motor als Schiffsmotor gewürdigt und zum Schluß der komplizierte Mechanismus des Unterseebootes, dem in diesem Krieg eine ganz besondere Rolle zufällt, besprochen. Aus allen diesen Darlegungen ging immer wieder hervor, wie sehr deutscher Fleiß und deutsche Arbeit auch auf dem Gebiete des Motors führend geworden sind. Und wenn England auch deutsche Patente klaut und Frankreich versucht, Diesel-Motore zu bauen, so kann uns das weniger anfechten, denn: Deutschen Geist, deutschen Fleiß und deutsche Arbeit können unsere Feinde uns nicht nehmen. Das ist neben der braven Tapferkeit unseres Heeres ein weiterer Trost im gegenwärtigen Kriege.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Etwas für die Bayern. Ein für den Kriegsschauplatz bestimmter Militärzug, der an Bonn vorüberfuhr, enthielt zwölf Wagen Münchener Flaschenbier, zusammen 50.000 Flaschen. Die Wagen waren durch weithin lesbare Doppelschilder als Liebesgabe der Vereinigten Münchner Brauereien an das 1. bayerische Armeekorps bezeichnet. Wie werden die Bayern sich freuen, in Feindesland diesen Heimattrunk zu erhalten.
Die Arbeitgeber, welche Mitglieder des Pfadfinderkorps als Lehrlinge usw. beschäftigen, werden auch an dieser Stelle ersucht, den jungen Leuten morgen (Freitag) freizugeben. Sie sollen bei der Kriegs-Wollsammlung, die morgen von Haus zu Haus stattfindet, mithelfen. Wir sind überzeugt, daß jeder Handwerker, Gewerbetreibende und Kaufmann seinen Lehrling gerne für einen Tag entbehrt, wenn es sich um einen Dienst im Interesse unserer wackeren Soldaten handelt.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Liebesgaben. In allen Aufrufen, die in Zeitungen wegen des Versandes von Liebesgaben an die im Feld stehenden Truppen erlassen werden, befindet sich immer wieder auch Schokolade aufgeführt. In fast allen Briefen, die unsere tapferen Soldaten an ihre Lieben daheim schicken, bitten sie immer und immer wieder um Schokolade. Dieser Wunsch ist durchaus verständlich, wenn man den der Schokolade innewohnenden großen Nährwert berücksichtigt. (...) Unter diesen Umständen ist es kein Wunder, daß die von vielen deutschen Schokoladefabriken meist von der Firma Gebr Stollwerk in Köln in den Handel gebrachten Feldpostbriefe mit Schokolade und Pfeffermünz einen außerordentlichen Anklang bei allen denen gefunden haben, die ihren Lieben im Felde etwas Gutes zukommen lassen möchten. Wir verweisen auf das Inserat genannter Firma in unserer heutigen Nummer, das alles Nähere über diese Packungen enthält.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Geschäftliches“)