Montag, 26. Oktober 1914
Eine Schulkarte der westlichen Kriegsschauplätze hat der Verlag E. Rister, Nürnberg, zum Preise von nur 0,90 Mk. Erscheinen lassen. Der Verlag ist bei der Herstellung der Karte aufgrund von Anregungen, die er aus pädagogischen Kreisen erhielt, von der Absicht ausgegangen, in einfachen Hauptthemen ein Kartenwerk herzustellen, das, im Gegensatz zu anderen mit Details überfüllten Karten, einen eindrucksvollen Gesamtüberblick über die westlichen Kriegsschauplätze (Belgien und Frankreich) ermöglicht. Es sollte als Schablone, von der aus auf Einzelheiten eingegangen werden kann, soweit ihre Festhaltung erforderlich werden wird, nur dasjenige geboten werden, was den geographischen Durchschnittskenntnissen eines Schülers entspricht. Die Gliederung zunächst nach den bekannten Flüssen, ferner diejenige nach den großen Linien der Festungen, sowie der die letzteren untereinander verbindenden Forts sind ohne weiteres als die hauptsächlichen strategischen Gliederungen erkennbar. (...) In der mit dem Fortgange der kriegerischen Ereignisse fortschreitenden Tätigkeit der Eintragung ist ein willkommenes und wirksames Hilfsmittel für die Pflege der Kriegsgeographie zu erblicken. (...)
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Beileidstelegramm des Kaisers. Die Mutter des auf dem Feld der Ehre in Frankreich gefallenen Regierungsassessors Dr. jur. Otto Gerber, Frau Maria Gerber, geb. von Sandt, erhielt am Sonntag abend das nachstehende Beistandstelegramm des Kaisers:
Großes Hauptquartier
Erfahre soeben durch meine Schwester Ihren schmerzlichen Verlust, den ich mit herzlicher Teilnahme begleite. Möchte das Bewusstsein, daß Ihr Sohn sein Leben für das Vaterland ließ und den schönsten Soldatentod fand, der Mutter mit Gottes gnädiger Hilfe Kraft geben, den großen Schmerz zu tragen.
Wilhelm I. R.
Ein lustiger Feldpostbrief ist uns von einigen „Bumsköpfen“, meistens Bonner Jungens, zugegangen. Es heißt darin u.a., daß es mit tausend Freuden begrüßt wurde, als ein alter lieber Bekannter, der „Bonner General-Anzeiger“, in ihre Hände gefallen sei. Zufällig sei darin berichtet worden, daß einige Krieger wegen Mangel an Tabak „Kleeblüten“ geraucht hätten. Die Redaktion hätte dahinter ein Fragezeichen gesetzt. Die Schwarzkragen bestätigen nun allen Ernstes, daß noch weit Schlimmeres geraucht wird, und es wird folgende Episode erzählt. Kommt da eines Tages ein Offizier an mir vorbei und bleibt unmittelbar in meiner Nähe stehen. Ich war soeben vom Heuboden eines Bauerngehöftes gekommen und hatte zwei Zwiebacksäckchen mit einem Gemisch von Kleeblüten, Kleeblättern, Kamillenblüten, Hundsblumen, getrockneten Zwiebelstengeln aller Art gefüllt, um das dringende Rauchbedürfnis meiner Kameraden und auch das meinige zu befriedigen. Mit dieser Mischung hatte ich meine Pfeife gestopft, und dem Leutnant muß der Dampf unter die Nase gekommen sein, denn er fragte: „Mensch, sagen Sie mir bloß um Himmelswillen, was rauchen Sie denn da für ein Kraut oder Unkraut?“ Ich antwortete ihm, daß es mir unmöglich sei, eine richtige Antwort zu geben. Um die Zusammensetzung dieser hervorragenden Mischung festzustellen, sei schon das Gutachten eines ausgereiften Botanikers nötig, der die chemische Analyse wohl nach gründlicher sechswöchiger Forschung angeben könne. Darauf lachte der Leutnant. „Dem Geruch nach, scheint mir das schon richtig zu sein!“ In dem Brief heißt es dann weiter, daß die Unterzeichneten bei der leichten Min.-Kol. 2. Abt. Feldart.-Reg. Nr. 23 fast alle Unteroffiziere aus Bonn oder Umgebung seien. (...) „Alle Neun“ seien noch kerngesund und frohen Mutes, obschon sie mehrfach im heftigsten Kugelregen gewesen seien. Wenn Butter, Schmalz, Wurst und Speck auch Dinge seien, die man fast nur noch aus Märchen kenne, so schmecke trotzdem die „Königstorte“ (trockenes Komißbrot) ganz vorzüglich. Der Brief schließt mit der Bitte, man möge den Kriegern doch ab und zu den „General-Anzeiger für Bonn und Umgebung“ schicken, der noch immer „das am liebsten gelesene Blatt im bürgerlichen Leben sei“.
Erster städtischer Volksunterhaltungsabend. Um unliebsamen Weiterungen rechtzeitig vorzubeugen: wir halten nicht dafür, daß es genug sei, für das Volk überhaupt diese Abende zu veranstalten. So sie nicht eine geistige und seelische Bereicherung der Menge bringen, sind sie wert- und zwecklos. Soll aber das Ziel erreicht werden, dann ist – wir möchten nachdrücklich darauf hinweisen – auf die Auswahl des Gebotenen und – nicht zuletzt! – auf die Ausführung ein größeres Gewicht zu legen, als das vorgestern geschah. Mit einer Ouvertüre über den Choral „Ein feste Burg ist unser Gott“ von O. Nicolai hätte uns z.B. Kapellmeister Sauer wirklich verschonen dürfen. Ein trockeneres Opus, in dem sich ein kaum konservatoriumsreifes Fugengebilde mühsam zu Ende schleppt, ist uns bisher selten zu Ohren gekommen. Aus diesem Grunde ist das beinahe noch eintönigere Spiel unserer Musiker uns wenigstens einigermaßen verständlich, wenn auch nicht ganz entschuldbar. Dagegen freuten wir uns aufrichtig über die Wiederholung der sechs „Altniederländischen Volkslieder“ in der Bearbeitung von Eduard Kremser. Kaum ein anderes Werk der Männerchorliteratur trifft so die Stimmung unseres Volkes, den Geist unserer Zeit, wie diese schlicht-ernsten Gesänge. Aber: man kann sie wirkungsvoller, eindringlicher zum Vortrag bringen. Von besonders aufgewandter Mühe seitens des „Bonner Männer-Gesangs-Vereins“ war wenig zu spüren. Dazu drückten die Tenöre, sonst der Stolz der rheinischen Männerchöre, derart auf die Stimmen, daß – abgesehen von wenig schönem Klang – ein stetes Sinken unausbleiblich war. Der uns neue Solist Rosseling muß sich abgewöhnen, nur Glutturaltöne zu formen, ebenfalls im Interesse des Klanges und der Aussprache. Einzig gut waren das „Kriegslied“ und „Berg op Zoom“, und „Der Abschied“, der von Fritz Tasche gut ausgelegt wurde. Anstatt der Ladenhüter von Dregert und van der Stücken möchten wir demnächst – wenn wirklich sonst nichts weniger bekanntes aufzufinden ist – lieber sämtliche Webersche Leyer- und Schwert-Lieder hören. Einstweilen haben wir genug „Ueber’s Jahr“. (...) Mit dem „Steuermannslied“ aus dem „Fliegenden Holländer“ und dem Schubertschen „Militärmarsch D dur“ zeigte das Orchester, daß es trotz seines jetzigen papierenen Dienstes das Spielen nicht verlernt hat, wenn wir auch hier des ewigen Einerleis sattsam überdrüssig sind. – Wertvolles boten die Rezitationen Georg Wittmanns. Er mocht nun lesen die von hoher Heimatliebe durchglühte Vision eines Prinzen zu Schönaich, das dramatische Gedicht von Julius Wolff, die Kriegidyllen eines Mautner oder Hofmann, die tragische „Anfrag“ oder die wundersamen Zeilen „Für uns“ des Charlottenburger Obertertianers, das ja den meisten Hörern wohl aus unserer Zeitung bekannt war. (...)
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Katholischer Verein. In der heutige Versammlung um ½9 wird unser Präsident, Herr Kaplan Fuhrmanns, einen Vortrag halten über das Thema: „Der Krieg und die göttliche Vorsehung“. Unsere allwöchentlichen Abendversammlungen sammeln von Montag zu Montag immer mehr Mitglieder in unserem Vereinshause Josephstraße 46. Anregend und gemütlich verlaufen nur zu schnell die Stunden.
Geschmackvolle Postkarten. Aus Anlaß des Krieges kommen neben einer zum Teil recht guten Literatur auch Drucksachen, namentlich auf den Krieg bezügliche Postkarten, zum Verkauf, die wohl als Scherzkarten gelten sollen, aber als geschmacklos und roh zu bezeichnen sind und jedenfalls dem Ernst der Zeit nicht entsprechen. Da diese Art Darstellungen schon mehrfach Aergernis hervorgerufen hat, wird darauf hingewiesen, daß der Vertrieb solcher Karten als Verübung großen Unfugs angesehen und bestraft werden kann. Unseren Sodaten im Felde bereitet man mit diesen Karten gewiß keine Freude.
Bonner Bürger-Verein. Am verflossenen Donnerstag hielt bei Gelegenheit der Mitgliederversammlung Herr Rechtsanwalt Henry einen interessanten Vortrag über seine Fahrt mit Liebesgaben zum Kriegsschauplatz. Redner, der als Vorstandsmitglied des hiesigen freiwilligen Hilfsausschusses die Fahrt unternommen, gab in anregender Weise eine lebendige Schilderung der Fahrt und wußte seinen Zuhörern ein klares Bild über die jetzigen Verhältnisse im Feindesland zu bieten. Alsdann hielt Herr Lorenz Schröder einen Lichtbildervortrag über Belgien.
Etwa 80 Bilder zeigten die hervorragendsten Gegenden des belgischen Kriegsschauplatzes, Lüttich, Namur, Brüssel, Löwen, Antwerpen; eine Reihe der Bilder war nach der Zerstörung und der Einnahme der betreffenden Städte aufgenommen. Eine in der Versammlung veranstaltete Sammlung zugunsten hülfsbedürftiger österreichischer Krieger im Westen unseres Vaterlandes, ergab alsbald den Betrag von rund 175 Mark.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Ehrung unserer in Bonn verstorbenen Krieger
Kurz nach der Mobilmachung hatte die zuständige Kommission auch für einen Ehrenplatz zur Beerdigung unserer hier verstorbenen Krieger Sorge getragen.
Der schönste Teil, rechts und links des Hauptweges, im neuen Teil des Nordfriedhofes wurde dafür ausersehen. Es sind bis heute 44 Deutsche und 3 Franzosen bestattet worden. Nach Beendigung des Krieges soll dieser Ehrenfriedhof unsrer Vaterlandsverteidiger eine besondere in sich abgeschlossene gärtnerische Ausgestaltung erfahren. Sogar der Platz für ein künftiges Kriegerdenkmal ist bereits bestimmt (...)
(Volksmund, Rubrik „Bonner Angelegenheiten“)