Samstag, 24. Oktober 1914
Die Arbeitsstube für Heimarbeit, Riesstr. 11, veranstaltet heute von 3 bis 7 Uhr und morgen von 11 bis 1 Uhr in ihren Räumen einen Verkauf von Kleidungsstücken für Frauen und Kinder, die sich zu Weihnachtsgeschenken für Landwehrfamilien und Dienstboten eignen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Übermäßig hohe Kartoffelpreise. „In dieser schweren Kriegszeit sind die Bauern die einzigen Geschäftsleute, welche keinen Schaden erleiden, indem dieselben ihre Erzeugnisse flott absetzen und gute Preise erzielen. Wie anders wäre es gewesen, wenn der Feind ins Land gekommen und alles verwüstet hätte, wie in Belgien, Ostpreußen und Frankreich. Da muß nun jeder ehrliche Deutsche mit Bedauern sehen, wenn diejenigen Familien, deren Ernährer im Felde stehen, ihr Leben für uns alle einsetzen, um den Feind von der Heimat fernzuhalten, so hohe Preise für Kartoffeln zahlen sollen. 4 Mark wurden gestern morgen von einem Landwirt für Industrie-Kartoffeln gefordert. Jeder Geschäftsmann muß verdienen; wenn aber zwei Drittel aller Geschäftsleute nichts verdienen und sich sehr schwer durchkämpfen, sollten auch hier die Landleute mit bescheidenem Nutzen zufrieden sein. Wenn diese unbegründeten Preistreibereien andauern, werden schließlich die Behörden eingreifen müssen. Man wird die Kartoffelvorräte für die Volksernährung beschlagnahmen, wie man die Benzinvorräte bereits für Heereszwecke mit Beschlag belegt hat. L.W.“
Wir bemerken zu den vorstehenden Ausführungen, daß der kommandierende General in Münster bereits Festsetzung von Höchstpreisen für Kartoffeln angeordnet und bei Weigerung der Produzenten, für diese Preise zu verkaufen, die Beschlagnahme der Kartoffelvorräte in Aussicht gestellt hat. (...)
(Bonner Zeitung, Rubrik „Eingesandt“)
Der Hilfslazarettzug, der demnächst von hier aus in Tätigkeit tritt, bedarf zu seiner Einrichtung noch einer Vervollständigung seiner Leinenschränke. Gute Handtücher, weiche große Servietten und altes Leinen werden mit großem Dank im Oberbergamt Zimmer 39 entgegen genommen. Also die Herzen und Leinenschränke auf.
„Sonne“. Der Krieg hat in jeden Stand und Beruf mit lähmender Hand eingegriffen. Insbesondere hat das lustige Völkchen der Künstler unter der Kriegsnot zu leiden. Viele Künstler und Künstlerinnen sind brotlos, und nur allmählich sucht eine Bühne nach der anderen schüchterne Wiederbelebungsversuche. Nachdem das hiesige Stadttheater seine Tätigkeit wieder aufgenommen, hat auch das Spezialitäten-Theater „Sonne“ seine Pforten geöffnet und ein Programm zusammengestellt, das der Zeit Rechnung trägt. Musik, Gesang, Rezitationen, all das ist auf einen Ton gestimmt und dabei gelingt es trotz und alledem, daß der Besucher noch einmal herzlich lachen kann. Und man stellt fest, daß ein herzlich befreiendes Lachen gerade in den jetzigen Zeitläufen Arznei ist. Wer so lachen macht, ist Seppl Dammhofer, ein süddeutscher Humorist, der seinerzeit hier recht verwöhnt wurde. Er ist der Alte geblieben; ein lustiger Gesell, der ebenso lustig wie ernst, ebenso gefühlvoll wie sarkastisch sein kann, wie’s ihm passt. Es betätigen sich ferner Giesa Girardi, eine Wiener Soubrette, die Vortragskünstlerin Mizzi Oria als fesche österreichische Offfiziers-Kopistin und die Geschwister Langsdorf als Kunstläufer auf Einrad-Rollschuhen. Ein patriotisches Spiel „Ein Volk in Waffen 1914“ schließt das Programm, das allen denen empfohlen werden kann, die einmal lachen wollen.
Lehm op!
In Auré, einem französischen Ort,
Da liegen die Königshusaren;
Der Stab, das ganze Regiment,
Graf Lippe's Reiterscharen.
Als Elitetruppe sind sie bekannt,
Mutig, verwegen erfahren!
Der Franzmann kennt sie von 70 her;
Und heute kennt er sie noch mehr.
Wenns zur Attaque geht, Offiziere voran,
Dann folgt getreulich Mann für Mann;
Die Lanze in der Faust, voll Gottvertrauen,
Es werden die Feinde zusammengehauen.
Und kommt der Engländer uns in die Quer,
Dann geht es drauf und hinterher
In rasendem Lauf brechen oder biegen:
Die Bande die „englische Krankheit" muß kriegen!
Ob Engländer, Franzose, Japs oder Ruß,
Die deutsche Faust er fühlen muß!
Unserem Kaiser treu zur Seite geschart,
Das ist Königshusarenart!
Unteroff. G. Schneeweiß, 5. Schwadron
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Die Festsetzung von Höchstpreisen steht unmittelbar bevor. Wie aus Berlin berichtet wird, steht die Festsetzung von Höchstpreisen für Roggen, Hafer und Gerste sowie für Weizen unmittelbar bevor; der Bundesrat wird in seiner nächsten Sitzung über die ihm unterbreiteten Vorschläge Beschluss fassen. Die Festsetzung von Höchstpreisen für Mehl, die für die verschiedenen Landesteile verschieden ausfallen muß, ist dem Generalkommando zu übertragen. Für Kartoffeln sollen Höchstpreise im Augenblick noch nicht festgesetzt werden, das bleibt für einen späteren Zeitpunkt vorbehalten. Der Höchstpreis für Roggen dürfte dann etwa auf 225 Mark, für Weizen auf 245 bis 250 Mark bestimmt werden. Zur Erwägung steht ferner, ob nicht auch für Futtermittel die gleiche Maßnahme getroffen werden soll. Da die Ermittlungen des Reichsgesundheitsamtes ergeben haben, daß bei der Backware ein Zusatz von Kartoffelbestandteilen bis zu 20 Prozent gesundheitlich völlig unbedenklich ist, wird diese Beimischung auf dem Verordnungswege vom Bundesrat vorgeschrieben werden. Hocherfreulich ist, daß nach zuverlässigen Feststellungen der Getreidebedarf unseres Volkes bis zur nächsten Ernte reichlich gedeckt ist. Auch der Viehbestand ist so außerordentlich befriedigend, daß die Fleischversorgung des Volkes außer aller Frage steht.
Verkauf von Beutepferden. Am Dienstag, den 27. Oktober und Mittwoch, den 28. Oktober von 10 Uhr ab findet ein Verkauf von Beutepferden durch die Landwirtschaftskammer unter Mitwirkung der Rheinischen Pferdezentrale auf dem Schlachthofe in Köln statt. Es gelangen zur Versteigerung c. 400 Beutepferde (Absatzfohlen und Jährlinge, zweijährige Gebrauchspferde, 8 Hengste). Die Bedingungen sind dieselben wie früher.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Lebensmittelpreise. Die geradezu unwürdigen Preistreibereien auf dem heutigen Kartoffel- und Lebensmittelmarkte veranlassen mich, eine Stelle aus einem Feldpostbriefe meines in der Schlachtlinie stehenden Sohnes bekannt zu geben. Er schrieb am 29. September u.a.:
“Vater schreibt in seinem Briefe: “Hier zu Hause geht alles seinen gewohnten Gang.” Ich kann mir das fast nicht mehr vorstellen. Wohl manchmal im Träume erscheint mir nochmals ein solch liebes Bild; aber wenn ich aufwache, sieht es ganz anders aus. Lieber Vater, Ihr, die Ihr zu Hause im warmen Neste sitzt und in Frieden euern Kohl bauen und auch ernten könnt, wenn Ihr gleich dem Pharisäer in der Bibel nur ein Zehntel opfert von dem, was ihr besitzt, dann tut Ihr zu wenig angesichts solcher Not.“ Ich will es offen bekennen: Die Schamröte stieg mir ins Gesicht beim Lesen dieser Zeilen, als ich daran dachte, wie viel – oder besser – wie wenig ich bis dahin auf den Tisch des Vaterlandes niedergelegt hatte. Und wenn ich heute nun die künstlichen Preistreibereien bebachten muß, die von gewissenlosen Händlern und unverständigen Bauern hinsichtlich der notwendigsten Lebensmittel in Szene gesetzt werden, so steigt mir wieder die Röte – die Zornesröte – ins Gesicht. Solche Lebensmittel-Wucherer sind nicht wert, daß für sie und zum Schutze ihrer Felder unsere tapferen Jungen und unsere Arbeiter, die Frau und Kinder im Stiche lassen mußten, ihr Knochen zum Markte tragen, die großen Anstrengungen und Entbehrungen willig auf sich nehmen und Blut und Leben hingeben zum Wohle für uns alle. Einer vom Lande
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)