Donnerstag, 22. Oktober 1914
Lichtbildervortrag der Ortsgruppen des Deutschen Wehrvereins. Die vom Deutschen Wehrverein geplanten Lichtbildervorträge für die deutsche Jugend wurden gestern durch Herrn Dr. phil. Krantz eröffnet, dessen Vortrag den Titel trug: „Mit Liebesgaben zu unseren 160ern nach Frankreich“. Wie sehr diese Bilder vom französischen Kriegsschauplatze nach eigenen Studien das Interesse weckten, sah man wohl am besten aus der Tatsache, daß der große Saal des Bürgervereins schon lange vor Beginn des Vortrags übervoll war, so daß ganze Scharen von Besuchern wieder umkehren mußten. Wir werden über den Inhalt des Vortrages noch berichten.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Verwundet und dadurch wehrlos sind einige unserer braven Krieger in Gefangenschaft geraten, auch solche aus Bonn.
Bei verschiedenen Angehörigen ist nun der Wunsch rege geworden, sich über das Los dieser hauptsächlich in Südfrankreich untergebrachten Söhne und Brüder auszusprechen, die bisher erlangten Nachrichten hierüber auszutauschen und die erlassenen Vorschriften über die Art der Zusendung von Briefen und Paketen usw. zu erörtern.
Auch wäre es nicht ausgeschlossen, daß durch eine derartige Aussprache der Verbleib solcher Vermissten ausfindig gemacht werden könnte, die in Gefangenschaft geraten sind, von denen aber noch keine Nachrichten zu ihren besorgten Angehörigen gelangt ist.
Wer sich an solcher Aussprache beteiligen will und zweckdienliche Angaben machen kann, möge sich Freitag, den 23 d.M., abends um 7 ½ Uhr, im Hotel Kaiserhof, Poppelsdorfer Allee 2, einfinden.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Eingesandt“)
Vortrags-Zyklus des Deutschen Wehrvereins. Gestern nachmittag sprach Herr Kranz [Krantz] über die zwei Liebesgaben-Transporte, die er begleitet hat. Dabei konnte er Studien auf dem französischen Kriegsschauplatz machen. Der eine Transport war über Luxemburg, der andere über Belgien nach Frankreich hineingegangen. Interessanter, aber auch schrecklicher für den Anblick muß der Weg durch Belgien gewesen sein. Denn was Herr Dr. Kranz an Lichtbildern zeigen konnte, war schmerzlich anzuschauen. Gesprengte Brücken, zerschossene Kirchen und das allertraurigste: ganze Zeilen menschlicher Heimstätten, wo kein Stein mehr auf dem andern geblieben war. Fröhlichere Bilder, Bilder es oft beinahe heiteren Lagerlebens hatte das Ziel der Transporte gebracht (ein Teil der Automobile war zu den 160ern herangefahren, und ein Teil hatte sich der Militärverwaltung zur Verfügung gestellt, die dann die Liebesgaben den bedürftigsten Truppen zukommen ließ). Ankunft der Feldküche, Ueberreichung des Eisernen Kreuzes, Feldgottesdienst und manches andere heitere oder erhebende Bild konnte der Vortragende zeigen. Aber er hatte es nicht leicht, denn Kinder, sehr viele Kinder, ein Saal voll Kinder wurde vor diesen Bildern laut, zumal wenn unter den 160ern ein bekanntes Bonner Gesicht auftauchte. Doch wird Herr Dr. Kranz seinen interessanten Vortrag trotzdem noch einmal halten müssen, weil eine zahlreiche Menge Erwachsener und Kinder wegen Mangel an Raum wieder umkehren mußte.
Vaterländische Reden und Vorträge. (Siebenter Abend.) Professor Dr. Wygodzinski: „Der englische Handelskrieg“. Mit steigendem Interesse und wachsender Befriedigung hörte man zu und warf, als das zuversichtliche Schlußwort „Wir werden siegen!“ erklang, mit freudigem Dankgefühl den obligaten „Rote Kreuz-Groschen“ in die Blechbüchse. Während man dann durch nebelfeuchten Novemberabend nach Hause schritt und nochmals den Vortrag überdachte, kam einem das Schmunzeln an und das alte deutsche Sprichwort „Blinder Eifer schadet nur“ fiel einem mit Bezug auf England ein. Denn das hört man immer und immer wieder gern, - es ist wie Friedensgeläut –, daß, wie schwer auch Deutschland durch den gegenwärtigen Krieg mitgenommen wird und welche Opfer es an Gut und Blut noch zu geben hat, Deutschland sich doch als die stärkere Nation auch in wirtschaftlicher Beziehung erweist. Und also darf man uns das Hohngefühl, das uns bisweilen beschleicht, nicht übel nehmen, denken wir daran, daß uns England zu Grunde richten wolle und daß ihm das nicht gelingt, daß es sich vielmehr ins eigene Fleisch schneidet, so viel es sich auch dagegen ereifert. – Blinder Eifer schadet nur.
Was den Vortrag wertvoll machte, waren die Zahlen der Statistik, die mehr ausdrücken, als das mitunter langatmige Sätze vermögen. England hat den Krieg systematisch vorbereitet, Deutschland war ihm zu groß geworden, dem England, das es durch seine Räuberpolitik verstanden hat, sich überall in der Welt durchzusetzen und das Stützpunkte in allen Ländern und in allen Meeren hat. (…)
Wer hält den Krieg am besten aus, England oder Deutschland? Unserer Wirtschaft ist derart gesund aufgebaut, daß wir bessere Aussicht haben, eine Katastrophe zu überstehen wie jeder andere Staat. Englands Ernährung ist durch den Seehandel bedingt. England hat nur für wenige Monate Nahrung, wir haben Nahrung für lange Zeit. Die Verwüstungen in Ostpreußen werden ausgeglichen dadurch, daß unsere Soldaten – keine schlechten Esser – draußen in Feindesland essen. Zwar ist Deutschlands Export seit Kriegsausbruch zurückgegangen, jedoch nicht so erheblich zurückgegangen wie der Export Englands. England schloß die Börsen, führte ein Moratorium ein, Deutschland führt kein Moratorium ein, als einzigster der kriegsführenden Staaten. Aus alledem geht hervor, daß Deutschland den Krieg besser aushalten wird als England. Auch die Aussichten für die Zukunft sind für Deutschland gegenüber England günstiger. Die Handlungsweise Englands hat den der ganzen Welt gezeigt, welche Krämerseele England beherrscht und jeder Staat wird nunmehr bei der Anknüpfung von Geschäften mit England die denkbar größte Vorsicht gebrauchen. Dies komme Deutschland zugute. Wenn wir also auch noch Schweres durchzumachen haben, so müssen wir das mit demselben Heroismus tragen, wie unsere Brüder im Felde. Drei guten Waffen, und damit schloß der Redner, sind uns gegeben: Disziplin, der Geist der Wirtschaft und der Geist der verständnisvollen Initiative. Also können wir mit Ruhe der Entscheidung entgegensehen: der Besitz der Waffen bedeutet uns: „Wir werden siegen!“
Städt. Lyzeum. Die Anregungen zu praktischer Liebestätigkeit fanden auch bei den Schülerinnen des Städtischen Lyzeums rechtes Verständnis. Eine umfangreiche Sammlung Liebesgaben konnte schon vor Wochen der Zentralstelle zugeführt werden. Ueber 300 Pakete Tabak, Zigarren und Zigaretten, viele Dutzend Paar Strümpfe, Kopfmützen, Untersachen, Leibbinden, Kniewärmer, recht zahlreiche Packungen Schokolade, Pfeffermünz u.v.a. wurden wohlverpackt den tapferen Helden im Argonnenwald übermittelt. Recht zahlreich sind die Dankeskarten, die an die Schülerinnen aus Feindesland eintrafen. Besonders die erste Klasse der Schule hatte in echt vaterländischer Gesinnung eine erhebliche Spende zusammengebracht. In nachstehendem Dankgedicht, das vor einigen Tagen aus den Schützengräben des Argonnenwaldes anlangte, kommt die Freude unserer Vaterlandsverteidiger über die Spende so recht zum Ausdruck:
Tief im Argonnenwald liegt ein Heer,
Seit Tagen im schärfsten Gefecht mit den Franzen,
Die Zahl ist schon klein, die Verluste schwer,
Die Kleider schmutzig, leer der Ranzen,
Schon lange die letzte Zigarre verraucht,
Die vor Zeiten kam von traulicher Stätte,
Schon wird russischer Tee, ja selbst Klee wird geraucht:
„Wenn man doch nur wieder Tabak hätte!“
Da plötzlich ein Raunen die Gräben entlang,
In den müden Gesichtern ein freudiges Blitzen, –
„Vom Rhein her wird uns Tabak gesandt!“ –
Und bald folgt dem Lächeln ein Scherzen und Witzen.
Denn das Rauchen belebt und gibt neuen Mut,
Gleich frischer fühlt sich der Mann im Felde,
Ein Pfeifchen voll – und frisch rollt das Blut
Durch die Adern dem preußischen Helden,
Und sitzen wir abends beim Feuerschein
Zu kurzer Rast nach dem Kampfe,
Dann denken wir Eurer, Ihr Mägdelein,
Beim duftenden Pfeifendampfe,
Ihr rheinischen Mädchen, nehmt unsern Dank,
Heißen Dank von den schlesischen Jungen! – –
Das Horn, es ruft, die Waffe blank!
Von neuem zum Kampf sie geschwungen!
Schnaps für unsere Soldaten. Als vor einigen Wochen vom Kronprinzen die Aufforderung nach Deutschland gelangte, daß alkoholhaltige Getränke für die kämpfenden Truppen gespendet werden möchten, hat die Firma E.F. Elmendorf sofort 100 Kisten Elmendörfer-Korn und Steinhäger-Urgroßvater dem Generalkommando des 7. Armeekorps als Liebesgabe zur Verfügung gestellt. Diese Spende ist jetzt mit verbindlichem Danke angenommen und an die Abnahmestelle freiwilliger Gaben Nr. 1 nach Münster erbeten worden, wohin der Waggon heute abgerollt ist. – Außerdem hat die Firma dem Kriegshilfeverein 5000 Mk. in bar überwiesen. (Hoffentlich wird davon von den einzelnen Soldaten nur ein bescheidener Gebrauch gemacht, denn in großen Mengen macht der Alkohol bekanntlich marschunfähig und wirkt lähmend auf die Energie.)
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Studentische Abteilung des Wehrbundes. Die Universität erläßt zur Bildung einer studentischen Abteilung des Wehrbundes einen Aufruf, in dem es hießt, daß es dringend notwendig ist, auszuhalten in diesem Kriege, damit die furchbaren Opfer, die er uns bereits gekostet hat, nicht vergeblich seien. Damit alle den großen Anstrengungen, die der Feldzug an jeden einzelnen stellt, gewachsen sind, ist es nötig, schon jetzt, vor der Einberufung, sich darauf vorzubereiten. Im Verein mit der Jugend aus allen Kreisen der Bevölkerung steht die studentische Jugend im Felde. Auch im Wehrbund sollen sie sich alle vereinigen. Die Turnübungen sollen Samstags abends von 8 ½ Uhr in der städtischen Turnhalle stattfinden. Die Marschübungen an den Sonntagen werden mit den anderen Abteilungen gemeinsam unternommen. Die Konstituierung der studentischen Abteilung findet Dienstag, den 4. November, abends 7 Uhr, im Auditorium 18 der Universität statt.
Die Führung der Pfarr-Chroniken während der Kriegszeit betreffend. Die Herren Pfarrer und Rektoren werden ersucht, während der Kriegszeit auf die Führung der Pfarr-Chroniken besonderen Fleiß zu verwenden und, was in ihren Seelsorgebezirken für das geistliche und leibliche Wohl der ins Feld ausgerückten Krieger, der Verwundeten und deren Angehörigen, besonders auch was von Seiten religiöser Genossenschaften innerhalb und außerhalb von Lazaretten geschehen ist, aufzuzeichnen. Auch wollen die Herren Seelsorgsvorstände die Oberen der in ihren Bezirken bestehenden klösterlichen Niederlassungen veranlassen, über ihre Arbeiten und Opfer im vaterländischen Interesse die erforderlichen Aufzeichnungen zu machen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Straßenbahn nach Endenich. Seit den ersten Tagen unserer Mobilmachung fährt die Linie 5 unserer städt. Straßenbahnen nach Endenich nur noch bis zur Frohngasse. Warum dies geschieht, weiß niemand und ist allen unerklärlich. (…) Wenn man um die Ecke in der Frohngasse kommt und die Bahn fährt eben ab, so dürfen die Schaffner nicht mehr halten, weil sie sonst bestraft werden, aber der Fahrgast hat dann das Vergnügen, 12 Minuten auf den nächsten Wagen zu warten, oder aber, was auch die meisten dann tun, zu Fuß nach Bonn zu gehen. Einer, der viel fährt.
Die Kriegshilfe der Volksschüler hat sich in dieser schweren Zeit erfolgreich betätigt. Unermüdlich ziehen Schüler und Schülerinnen von Haus zu Haus, um Stöcke, Bücher und sonstigen Lesestoff für die verwundeten Krieger zu erbitten. Mit freudigem Herzen geben die Bürger und schwer beladen eilen die Kinder zur Schule, um die Gaben an die Lehrpersonen abzuliefern. Ein reger Wetteifer entspinnt sich, wer die meisten Sachen abliefern kann. Besonders groß war die Freude der Kinder, als sie in den letzten Tagen der vorigen Woche Stöcke, Bücher, Tabak und Zigarren selbst unter die Verwundeten der Lazarette und der Klinik verteilen durften. Ihr schönster Lohn waren die schlichten Dankesworte der Krieger und mit neuer Begeisterung gehen die Schüler auf’s neue ans Werk, um auf ihre Art der Kriegsnot zu steuern. Recht dankbar muß man den Bürgern sein, die mit patriotischer Hingabe den Kleinen gegenüber Herzen und Türen öffnen und durch ein freundliches Wort und eine passende Gabe den Bittsteller zu neuem Tun ermutigen. Recht bedauerlich ist es andererseits, wenn manche Leute, wie es in den letzten Tagen wiederholt geschehen ist, die Sammler und Sammlerinnen schroff abweisen und mit Vorwürfen überschütten, welche die Kinder wirklich nicht verdienen (Die Kinder müssen jedoch einen Ausweis der Behörde vorzeigen. Die Red.)
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)