Freitag, 16. Oktober 1914

Fast alle deutschen Hochschullehrer – insgesamt mehr als 3.000 Dozenten – unterzeichnen eine Erklärung, in der sie sich zum deutschen Militarismus bekennen und den Krieg als Kampf zur Verteidigung deutscher Kultur bezeichnen.

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 16. Oktober 1914Anspruch der Hinterbliebenen der im Kriege Gefallenen. Von den Hinterbliebenen der im Kriege gefallenen Militärpersonen der Unterklasse erhalten: Die Witwe eines Feldwebels, Vizefeldwebels, Sergeanten mit der Löhnung eines Vizefeldwebels jährlich 600 Mark. Die Witwe eines Sergeanten, Unteroffiziers, Zugführerstellvertreters jährlich 500 Mark. Die Witwe eines Gemeinen oder einer anderen Person der Unterklassejährlich 400 Mark, jeder vaterlose Waise von Militärpersonen der Unterklasse jährlich 240 Mark. Außerdem kann Eltern und Großeltern eines Gefallenen, die bisher ganz oder überwiegend unterstützt wurden, im Falle der Bedürftigkeit ein Kriegselterngeld von jährlich höchstens 250 Mark für die Person gewährt werden.

Zu dem Eingesandt vom 10. Oktober schreibt man uns: Die Stöcke sammelnden Knaben waren auch bei uns und erhielten bei uns und in der Nachbarschaft eine ganze Anzahl. Daß diese Sammlung auf Schwindel beruhen sollte, beunruhigte uns natürlich, und ich ging der Sache weiter nach und erfuhr in der Remigius-Schule von einem Lehrer, daß die Kinder allerdings von der Schule ausgesandt worden waren und daß über 100 Stöcke zusammengekommen sind, auch Lesestoff, und daß alles von den Verwundeten in den Lazaretten sehr erwünscht war. So hat sich einmal wohl ein Junge irrtümlich auf das Friedrich-Wilhelm-Stift berufen. Es wäre aber doch zu empfehlen, daß die Schulen, die solche Sammlungen veranlassen, den Kindern einen Berechtigungsschein ausstellen, um Missbrauch auszuschließen. Daß Kinder in den Dienst der Verwundeten-Fürsorge gestellt werden, ist gewiß durchaus berechtigt.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

 

Fremdenverkehr. Der Großherzog und die Großherzogin von Mecklenburg-Schwerin, sowie einige Mitglieder der herzoglichen Familie sind gestern im Hotel Königshof abgestiegen. Die hohen Herrschaften machten im Laufe des Tages Besuche in hiesigen Familien und in Lazaretten.

Anzeige im General-Anzeiger vom 16. Oktober 1914Mit Liebesgaben fuhren in Begleitung eines zur Front zurückkehrenden Generals einige Bonner Herren nach Frankreich. Im Hauptquartier des Kronprinzen gerieten die Automobilfahrer dadurch in eine mißliche Lage, daß es ihnen trotz aller Bemühungen nicht gelingen konnte, das zur Weiterfahrt erforderliche Benzin zu erhalten. Als sie beratschlagend auf dem Hofe des Generalkommandos standen, erschien dort der Kronprinz in Begleitung seiner Adjutanten. Er sah vorzüglich aus. Schon von weitem erkannte der Kronprinz den ihm noch aus Bonner Studienzeit bekannten Herrn Jakob Bachem. Er rief ihn zu sich heran und begrüßte ihn mit herzlichen Worten und kräftigem Händedruck. Es freue ihn sehr, zu erfahren, daß die Bonner Bürgerschaft so eifrig Liebesgaben sammle. Bachem möge allen Spendern hierfür bestens danken sowie alle Bonner bestens grüßen. Nachdem der Kronprinz noch angeordnet hatte, daß das erforderliche Benzin aus seinem eigenen Wagenpark verabfolgt werde, verabschiedete er sich mit nochmaligem Händedruck und freundlichem Zuwinken.

Die erste deutsche Kriegszeitung in Frankreich wird von Landsturmleuten in Vouziers hergestellt. Sie haben dort eine Druckerei entdeckt, sie gründlich gereinigt und wieder in Stand gesetzt. Zwei Abdrucke sind in unserem Schaufenster ausgestellt.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

 

Tierquälerei. Der Transport eines schwerbeladenen Möbelwagens gab am Mittwoch abend Anlaß zu großem Aergernis. Dem überlasteten Möbelwagen, der einem Fuhrwerksbesitzer aus einem eingemeindeten Vorort gehört, waren zwei Pferde vorgespannt, die der Last in keiner Weise gewachsen waren. An der Brückenstraße stürzte das eine Pferd und kurze Zeit darauf auf dem Friedrichsplatz das zweite. Das Fuhrwerk blieb auf dem Gleise der Straßenbahn stehen, wodurch der Verkehr fast eine Viertelstunde ins Stocken geriet. Unter größten Anstrengungen wurde das Fuhrwerk wieder flott gemacht und dann gings weiter bis zur Meckenheimerstraße, wo beide Pferde zugleich aufs Pflaster stürzten. Da wäre es doch wirklich an der Zeit, daß sich der Tierschutzverein ins Mittel legte, um derartigen groben Unfug zu steuern. K.

Sammelfässer. Dem freundlichen Poppelsdorfer die Nachricht, daß das Sammelfaß gar zu wenig benutzt und deshalb weggenommen wurde. Es erhielt deshalb einen verkehrreicheren Platz, wo die Vorbeikommenden hoffentlich opferfreudiger für unsere Helden im Felde sind. M.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 16. Oktober 1914Allzu hohe Kartoffelpreise. Wir brachten gestern eine Zuschrift aus Mörs (…) über ein ungerechtfertigtes Anziehen der Kartoffelpreise. Daraufhin sind uns aus allen Kreisen der hiesigen Bevölkerung ähnliche Beschwerden geäußert worden für die hiesige Gegend. In früheren Jahren mit gleich reichlicher Ernte wie in diesem Jahre zahlte man für gute Speisekartoffeln höchstens 2,50 Mark bis 2,80 Mark; heute verlangen die Landwirte, welche die Kartoffeln in großen Mengen herbringen, schon 3,80 Mark und behaupten, sie täten damit den Käufern noch einen Gefallen, da die Händler ihnen schon 4 Mark böten. Wir können diese Behauptung nicht auf ihre Richtigkeit prüfen (…), auf jeden Fall ist ein derart unverschämt hoher Kartoffelpreis in diesem Jahre nur eine Ausnutzung der Kriegslage, die durch nichts gerechtfertigt ist. In unserer Gegend ist die Kartoffel das gesuchteste Nahrungsmittel der ärmeren Leute. Dieses darf unter keinen Umständen verteuert werden, da zu den armen Leuten während des Krieges auch die unterstützungsbedürftigen Angehörigen der Kriegsteilnehmer gerechnet werden müssen. (…) Es kann hier nicht anderes mehr helfen als ein Eingreifen der Behörden, wie es bereits in der Mosel- und Saargegend erfolgt ist. Dort hat die Behörde die Kartoffelpreise festgesetzt und angedroht, alle Kartoffeln zu beschlagnahmen und sie zu verkaufen, wenn nicht geliefert wird. Sollte dies Mittel nicht ergriffen werden, so empfehlen wir den Einwohnern, nur die allernotwendigsten Kartoffeln stets nur für einige Tage zu kaufen. Dann werden die Preise sicherlich heruntergehen und die beinahe wucherische Ausnutzung der Kriegslage (…) hört auf.

Anzeige im General-Anzeiger vom 16. Oktober 1914Verwundete in der Straßenbahn. Nachdem in letzter Zeit Klagen laut geworden sind, als gewähre die Straßenbahn den Verwundeten keine freie Fahrt oder nur in beschränkter Anzahl Freikarten, haben wir an zuständiger Stelle Erkundigungen eingezogen und können in der Angelegenheit folgendes mitteilen: Zwischen der Oberleitung der hiesigen Lazarette und der Verwaltung der städtischen Straßenbahn haben Verhandlungen über die Gewährung von Freikarten für die verwundeten Krieger in Bonn stattgefunden. Die Aerzte waren der Ansicht, daß es für die Gesundung der Verwundeten im allgemeinen besser sei, wenn sie sich in der frischen Luft bewegten, daß selbst bei Bein- und Fußwunden eine Bewegung besser sei, als das Fahren. Nur in bestimmten Fällen sei daher den Verwundeten eine Fahrt dienlicher. Die Personen, denen freie Fahrt daher gewährt werden solle, müßten von den Aerzten bestimmt werden. Die Straßenbahn stellte der Leitung die gewünschte Anzahl – 250 – Freikarten zur Verfügung und ist bereit, wenn die Lazarettleitung es wünscht, weitere Karten zu gewähren. Solchen Verwundeten, die mit der Bahn ankommen und denen das Gehen schwer fällt, wird, wenn sie zu einem hiesigen Lazarett fahren wollen, freie Fahrt auf der Straßenbahn gewährt. Ueber die Gewährung der Frei-Karten für die Pflegeschwestern ist mit dem Vaterländischen Frauenverein verhandelt worden. Für diejenigen, die einen weiten Weg zurückzulegen haben, gewährt der Vaterländische Frauenverein freie Fahrt. Auch für die freiwilligen Krankenträger wurde nach Vereinbarung mit Herrn Rittmeister Weyermann diesen die gewünschte Anzahl Freifahrtscheine gegeben. Den Beueler Krankenträgern wird das vorgelegte Fahrgeld am Schlusse des Monats zurückgewährt.
   Wir glauben, daß die Verwaltung der Straßenbahn damit hinreichend Entgegenkommen bewiesen hat und daß sie bereit ist, im Bedürfnisfalle noch weiter zu gehen. Auch für die Verwaltung muß der Gesichtspunkt maßgebend sein, daß die Leitung der Lazarette und der freiwilligen Krankenpflege die Bedürfnisse in dieser Beziehung eher richtig beurteilen, als sie selbst oder das Publikum, das in falschem, wenn auch begreiflichem Mitgefühl glaubt, den Verwundeten komme man nicht genug entgegen. Zuletzt darf auch die Rentabilität unseres Straßenbahnunternehmens nicht durch die Gewährung schrankenloser Freifahrten, wie es in den beiden ersten Monaten nach der Mobilmachung der Fall war, in Frage gestellt werden.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)

 

Anzeige in der Deutschen Reichs-Zeitung vom 16. Oktober 1914Brieftauben-Liebhaber-Verein „Kriegspost“, Bonn. In einer hiesigen Zeitung stand vor kurzem eine Notiz, daß feldernde Tauben abgeschossen und den Verwundeten gebracht werden sollten. Die Notiz wurde am folgenden Tage auf das Ersuchen der hiesigen Brieftauben-Liebhaber-Vereine widerrufen. Es war vorauszusehen, daß durch die erste Notiz sehr viele unserer Brieftauben mit abgeschossen würden. Wir brauchen nicht besonders darauf aufmerksam zu machen, daß unsere Tauben ebenfalls im jetzigen Kriege, und zwar massenhaft zu Meldezwecken verwendet worden sind, und noch verwendet werden. Ueber die Tätigkeit der Tauben und die Handhabe darf aus bekannten Gründen nicht verlautet werden. Wir haben nun leider die Erfahrung gemacht, daß fortwährend unsere wertvollen Tauben abgeschossen werden. Wir bitten im vaterländischen Interesse , doch keine Brieftauben abzuschießen.

Godesberg, 13. Oktober. In Ihrer Nr. 557 vom 13. Oktober 1914 lese ich unter „Stimmen aus dem Leserkreis“ den Artikel „Mit Liebesgaben zur Front“. In diesem Artikel muß ich dem Herrn Hans Heinrichs aus Mehlem nur dankbar sein, daß er es nicht verschmähte, auch Fliegenfänger mitzunehmen und möchte ich dem Herrn Einsender die Augen öffnen, wozu diese Fliegenfänger vorzüglich geeignet sind. Als wir Verwundeten uns mit unseren notdürftigen Verbänden an die Sammelstellen der Feldlazarette (ungefähr einige Kilometer vor den Schützengräben) abliefern ließen, wurden wir natürlich neu verbunden, aber trotzdem drang das Blut immer wieder durch. Nun lagen wir ungefähr zu 40 Verwundeten auf einem großen Speicher. Hier hatten sich aber auch unzählige Fliegen eingefunden, und wenn ich meinen verwundeten Fuß erhob, so summte es mir gleichsam wie ein Bienenschwarm um meinen Körper. Gab es dann etwas zu Essen, so setzten sich die Fliegen wieder auf diese Sachen, was natürlich keines Menschen Appetit anregen kann. Wie oft ist da der Ruf nach Fliegenfängern laut geworden, leider vergeblich. Was ich hier jetzt von dem Lazarett geschrieben habe, findet auch Anwendung auf den Bahntransport. Also der Herr Einsender ist sehr im Unrecht, wenn er auf diese Weise die lobende freie Beteiligung eines Herrn kritisieren will, der es nicht scheut, immer wieder zu unseren Kameraden zu fahren und ihnen die eingegangenen Liebesgaben zu übermitteln, während vielleicht unser Herr Einsender gemütlich in seinen vier Wänden sitzt, denn aus der Front ist diese Einsendung sicher nicht gekommen. (Doch. Die Red.) Achtungsvoll Heinrich Katz, zur Zeit Viktoria-Hospital Godesberg

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)