Donnerstag, 15. Oktober 1914
Stadttheater. Man schreibt uns: „Als erste Neuheit der diesjährigen Spielzeit wird morgen „Die heilige Not“ von Johannes Wiegand und Wilhelm Scharrelmann gegeben. Über dieses Schauspiel aus den Tagen der deutschen Mobilmachung schreibt die Frankfurter Zeitung: Doch ist es mehr als ein ungewöhnlich geschicktes, aktuelles und patriotisches Rühtstück; es hat eine sozial-ethische Richtung: uns, die wir zu Hause geblieben sind, besonders den Reichen, predigt es, nicht nur für die verlassenen Mütter und Kinder zu sorgen, sondern vor allem, daß Arbeit vorhanden sei, jetzt und besonders nachher. „Das deutsche Volk muß das große Volk sein, dessen Arbeitsräder zuerst wieder laufen in der Welt. Dann ist die Zukunft unser!“
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
„Die Nachricht von meinem Tode ist stark übertrieben“, schrieb einmal der amerikanische Humorist Mark Twain. An diese Aeußerung erinnert uns das folgende Schreiben:
„Berlin N.W. 23, Brückenallee 2, L 13./10.14 In Ihrem Auszug aus der 48. Verlustliste ist der Lt. D. R. im Hus.-Regt. Nr. 7 Rinkel als tot aufgeführt. Dies ist unrichtig. Ich bin nicht tot, sondern auf einem Patrouillenritt bei Sémuy an der Aisne verwundet und mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet worden. Da aus Bonn zahlreiche Beileidsschreiben an meine Eltern infolgedessen eingehen, bitte ich um eine berichtigende Notiz in Ihrer Zeitung. Hochachtungsvoll Rinkel, Lt. d. R. H.R.“
Wir kommen dieser Aufforderung mit Freuden nach, bemerken aber, daß Leutnant d. R. Rinkel in der amtlichen Verlustliste als tot aufgeführt ist, ebenso Leutnant Graf Westerholt-Eysenberg und Leutnant d. R. von Schnitzler vom hiesigen Husaren-Regiment, die gleichfalls in der Lage sind, die amtliche Liste im Sinne Mark Twain’s zu berichtigen. Graf Westerholt ist kriegsgefangen und von Schnitzler leicht verwundet.
Wolle zum Stricken. Von Lessingstraße 38 wird uns mitgeteilt, daß die dort gespendete Wolle dauernd vergeben ist. Außerordentlich wertvoll wäre es, wenn sich weitere Spenderinnen fänden, da sonst viele fleißige Hände ruhen müssen. Denn die Zahl derer, die nicht die Mittel haben, die Wolle zu kaufen, aber gerne ihre freie Zeit hergeben, um für die Soldaten zu arbeiten, ist recht groß.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Vaterländische Reden und Vorträge. Am Mittwoch abend sprach in der Aula des städtischen Gymnasiums, vor einer überaus zahlreichen Zuhörerschaft, Herr Dechant Böhmer über Krieg und Caritas. Einleitend schilderte Redner kurz die Schrecknisse des Krieges. Ihm sei jedoch im Gegensatz zu den verderblichen Ausbrüchen menschlicher Leidenschaften, die dieser Krieg vielfach hervorgerufen, ein erfreuliches Thema zugewiesen, nämlich die Lichtseiten des menschlichen Herzens zu schildern, wie sie gerade zur Zeit des Krieges in dem opferwilligen Bestreben, die durch den Krieg hervorgerufene Not wirksam zu bekämpfen und zu beseitigen, in so überaus wohltuender und sieghafter Weise in die Erscheinung treten. Die tröstende und helfende Caritas sei eine der edelsten Blüten der durch die Erlösung wiedergeborenen Menschheit. Die selbstlose Opferwilligkeit aller Schichten unseres Volkes sei ein erhabenes Schauspiel und ein Zeugnis dafür, wie viel gesunde Keime in unserem Vaterlande schlummerten. Redner wandte sich dann den einzelnen Veranstaltungen zu und schilderte die Geschäfte, Bedeutung und Organisation des Roten Kreuzes und des Vaterländischen Frauenvereins. (…) Wie wir uns eins fühlen mit unsern Kriegern im Felde, so erstreckt sich auch die teilnehmende Fürsorge unserer Caritas auf die Frauen und Kinder unserer Krieger. Sie sollen nicht das Gefühl haben, als ob die Hilfe den Charakter von Almosen habe, diese Unterstützung ist nur eine kleine pflichtmäßige Vergeltung für das große Opfer, das sie dem Vaterland bringen müssen. Unsere Soldaten im Felde müssen es ebenfalls wissen, daß sie sich um ihre Lieben zu Hause keine Sorgen zu machen brauchen. Unser Volk verbindet den Stolz der Tapferkeit mit dem Heldentum der Caritas. Darum dürfen wir mit unerschütterlichem Vertrauen der Zukunft entgegensehen. Der Vortrag wurde mit größter Aufmerksamkeit und reichem Beifall entgegengenommen. Eine Wiederholung findet am kommenden Freitag statt.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)