Dienstag, 13. Oktober 1914
Liebesgaben für unsere Blaujacken. „Für die mir bisher in reichem Maße zugegangenen Geldbeträge und warme Sachen für unsere Männer sage ich vielen innigen Dank. (...) Nässe und Kälte sind heimtückische Feinde, die die Gesundheit und den zuversichtlichen Geist unserer Marine zu untergraben suchen. Laßt uns, wenn auch in noch so bescheidenem Maße, unseren Blaujacken das geduldige Ausharren an den ungemütlichen Stellungen bis zum Augenblick des Losschlagens zu erleichtern suchen.
Charlotte Utke, p.A. Herrn Prof. Dr. A. Pflüger, Joachimstr. 5.”
Brieftauben. Leider werden auch jetzt noch immer wertvolle Brieftauben auf den Feldern abgeschossen. Wir machen nochmals darauf aufmerksam, daß die Heeresverwaltung der Brieftauben bedarf und daß diese deshalb nicht abgeschossen werden dürfen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")
Ein Kriegsbegräbnis. Nachmittags 3 Uhr. Das Glöckchen der Grabkapelle auf dem Nordfriedhof läutet bang über den Gottesacker. Herbststimmung liegt über ihm. Gelbe Blätter fallen zur Erde und die blasse Oktobersonne will noch einmal, ehe sie scheidet, Glanz und Schein vergangener Sommertage vortäuschen. Es gelingt ihr nicht mehr recht. Aus Büschen und Gräsern kriecht feuchte Kühle und Marienfäden fliegen durch die silbrige Nebelluft. Es ist still auf dem weiten Friedhof und die Herbststimmung mahnt an Tod und Vergänglichkeit. Aus dem Dunkel der Friedhofskapelle naht ein ernster Zug. Der Sarg, in dem ein junger Krieger, den in Feindesland die Kugel gar zu tief traf, den letzten Schlaf schläft, wird herausgetragen. Der Geistliche geht betend voran, und hinter dem Sarge geht die Abordnung eines Militärvereins mit umflorter Fahne. Etwa 20 Soldaten flankieren den Zug, dem zum Schluß einige Rote Kreuz-Schwestern und einige verwundete Soldaten folgen. Der Zug geht an den Gräbern vorbei bis zu einem frisch aufgeworfenen Stück, wo bereits viele Krieger den Heldentod schlafen. Der Geistliche spricht ein Gebet. Ein Kommando „Still gestanden: Präsentiert das Gewehr!“ und der Sarg knarrt in die offene Gruft, wo vor einer Viertelstunde erst ein Sarg hinabgelassen wurde. Sarg neben Sarg. Kamerad neben Kamerad. Und wieder spricht der Geistliche ein Gebet. Die Umstehenden sprechen das Gebet mit. Die umflorte Fahne senkt sich tief in die offene Gruft.
Wieder ein Kommando und aus den hochgelegten Gewehren donnert eine dreimalige Salve echoweckend über den Kirchhofsfrieden. Wie die Schollen auf den Sarg poltern, preßt mancher den Mund zusammen. Abseits schluchzen einige Frauen. In den Augen eines jungen Kriegers, der mit verbundenem Arm und Kopf eine Schaufel Erde auf den Sarg wirft, stehen zwei dicke Tränen. Von den Umstehenden denkt mancher an seine Lieben, die im Felde stehen und das Wort „Krieg“ nimmt grauenhaft deutliche schmerzliche Gestalt an. Wie von selbst gehen einem die Liedstrophen durch den Sinn: „Gestern noch auf stolzen Rossen, heute durch die Brust geschossen, morgen in ein kühles Grab.“ –
Drei Blumenkränze legt man dem Toten, ein wackerer Junge aus dem Lande Rübezahls, auf den frischen Erdhügel. Die Soldaten präsentieren noch einmal das Gewehr, dann wird der Friedhof leer und nur eine alte Frau, der Not und Sorge die Haare frühzeitig bleichten, spricht unter Schluchzen ein letztes Gebet. …
Sänger der Bonner Liedertafel erfreuten am Sonntag abend die Verwundeten in der Augenklinik durch Vortrag einer Anzahl Chöre und Volkslieder. Die Verwundeten waren hellauf begeistert und dankten mit warmen Worten. Das Mitglied Ohlenhardt trug zwei seiner gelungenen Kuplets vor. Die verwundeten Offiziere baten den Vorstand um eine baldige Wiederholung der Liederspende.
Hodler, Shaw, Maeterlinck und Konsorten. Die Leitung des Wallraf-Richartz-Museum in Köln schreibt uns: „In der modernen Abteilung der Gemäldegalerie fand eine neue Sehenswürdigkeit viel Beachtung. Mitten zwischen den Bildern hängt dort eine Tafel, auf der zu lesen steht:
„An dieser Stelle hing ein Bild von Ferdinand Hodler, der sich nicht gescheut hat, einen Genfer Protest mit zu unterzeichnen, in dem die Rede ist von einem ungerechtfertigten Attentat der Vernichtung der Kathedrale zu Reims, das nach der beabsichtigten Zerstörung historischer und wissenschaftlicher Schätze in Löwen einen neuen Akt der Barbarei bedeute und die ganze Menschheit herausfordert.“ Auch Jaques Dalecroze, der zu den Unterzeichnern des Protestes gegen die deutsche „Barbarei“ gehört, empfängt aus dem Kreise seiner Berufsgenossen eine wohlverdiente Abfertigung. Ebenso werden Shaw, Maeterlinck, d’Annunzio und Konsorten, die Deutschland des Barbarentums beschuldigen, in der Presse gebührend abgefertigt. Hoffentlich besitzen wir im Reiche wie auch im Rheinland nach dem Kriege die Charakterfestigkeit, diese Namen dauernd zu boykottieren.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Brockensammlung. Alljährlich wenn der Winter herannaht, läßt die „Brockensammlung“ ihre Bitte um abgelegte Kleidungsstücke, Wäsche und Hausrat jeder Art erschallen. Doppelt dringend ertönt in dieser Kriegszeit ihr Ruf, denn groß ist die Not, sind doch Hunderte von Familien nicht in der Lage die Sachen neu zu kaufen, deren sie für den Winter so dringend bedürfen. Gewiß, es wird von allen Seiten die Opferwilligkeit der Wohlhabenden angerufen, aber auch noch nie zeigte sich dieser Opfergeist in so schönem Lichte wie in dieser schweren Zeit. Wieviel überflüssiger Hausrat noch in den Häusern steckt, hörte man in letzten Tagen, als die Liebesgaben nach Ostpreußen abgingen, aber gewiß ist noch so manches Stück zurückgeblieben. Da gedenkt unserer armen notleidenden Bonner Familien, deren Väter, Gatten und Söhne auch für Euch kämpfen und bluten. Eine Karte an die Brockensammlung, Paulstraße 25, genügt, die Sachen werden sofort abgeholt und es wird dem Vorstand durch reichliche Gaben ermöglicht, die so segensreiche caritative Einrichtung auch in der Kriegszeit aufrecht zu erhalten.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Mit Liebesgaben zur Front. Heute erhielt ich die Nummern der Deutschen Reichs-Zeitung vom 27., 28. und 29. September. In der Nr. vom 27. finde ich auch den Artikel des Herrn Hans Heinrich aus Mehlem a. Rh. Leider ist mir als alter Mehlemer der Herr nicht bekannt, trotzdem habe ich den Artikel mit Spannung gelesen. Ich möchte den Herrn bitten, wenn er nochmals zu uns in die Front kommt keine Fliegenfänger mitzubringen; denn 1. haben wir uns hier schon an die Tierchen ziemlich gewöhnt, 2. gibt es dieselben hier in solcher Unmenge, daß ihnen mit Fliegenfängern nicht beizukommen ist. Wir räuchern die Buden meistens aus, es würde uns daher 3. eine Beladung des Autos mit Tabak und Zigarren genehmer sein und 4. was der Herr überhaupt übersehen zu haben scheint, gibt es in den Schützengräben überhaupt keine Aufhängevorrichtung für Fliegenfänger.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)