Montag, 12. Oktober 1914

 

Auszeichnung. Ein Sohn des hiesigen, um die Sache der Militär- und Kriegervereine hoch verdienten Rittmeisters Weyermann, Leutnant Weyermann im Fußart.-Rgt. Nr. 50 hat den badischen Zähringer Löwenorden mit Eichenlaub und Schwertern erhalten.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 12. Oktober 1914Das neueste Soldatenlied. Neben dem poetischen Widerhall, den die Ereignissen bei uns im Lande selbst finden, (...) entsteht noch eine andere, neue Dichtung, von der wir zu Hause noch nichts wissen, weil ihre Wiege draußen im Felde ist. Und ebenso wie die besten volkstümlichen Klänge 1870 geboren wurden, wenn unsere Truppen über französische Landstraßen zogen und in den Schützengräben vor Paris lagen, so schafft der heitere Kampfesmut unserer Helden sich auch 1914 zwischen dem Donner der Kanonen eine eigene farbige Poesie. Wie wir Feldbriefen entnehmen macht jetzt im deutschen Heere ein neues Soldatenlied die Runde, dessen Verfasser niemand kennt, das aber alle begeistert mitsingen. Es ist um einen Kehrreim umgedichtet, der lautet „Ja, wenn das der Bismarck wüsste!“. Die Melodie ist dem bekannten Gilbertschen Schlager „Ja, wenn das der Petrus wüsste“ entnommen, der nun nachträglich durch unsere Truppen geweiht wird. Von dem Text gibt es verschiedene Variationen, wie immer, wenn ein Lied vom Volksmunde selber geschaffen wird. Wenn unsere Truppen heimkehren, werden wir sie hoffentlich alle kennen lernen und nach ihren Siegen froh mit ihnen singen: Ja, wenn das der Bismarck wüsste!“

(Bonner Zeitung, Rubrik „Vermischtes")

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 12. Oktober 1914† Hans Egon Freiherr von Gottberg, Leutnant im Infanterie-Regiment 160, ist im Alter von 23 Jahren von einer im Felde erlittenen Verwundung durch ein Dum-Dumgeschoß gestorben. Mit dem Tode dieses jugendlichen Offiziers, der erst kürzlich mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet wurde, ist ein tüchtiger, liebenswerter Mensch dahingegangen, der sich insbesondere mit Rieseneifer der Pfadfindersache angenommen hat. Leutnant Freiherr v. Gottberg war Mitbegründer des Bonner Pfadfinderkorps und dessen Hauptfeldmeister. Er war tätig im Verein für Körperpflege und im Ausschuß der Vaterländischen Festspiele und Leiter des Militärsportvereins im 2. Bataillon des hiesigen Infanterie-Regiments. Sein Hauptinteresse bekundete er doch der ihm ans Herz gewachsenen Pfadfindersache. Ueberall zog er an der Spitze seiner Jungen mit hinaus und stählte ihr Pflicht- und Kraftbewußtsein. Als Führer war er vorbildlich für die gesamten Pfadfinder.

„Geben ist seliger …“ Die Spendung von Liebesgaben, richtiger Pflichtgaben der Daheimgebliebenen für unsere braven Truppen nimmt erfreulicherweise in steigendem Maße die Form der Selbstbesteuerung an. Ihr kann nur nachdrücklich das Wort geredet werden. Wir haben uns mit erstaunlicher Elastizität in den Kriegszustand eingelebt, für die Veränderungen im privaten Wirtschaftsleben ist ein fester Maßstab jetzt erkennbar. Wir finden, daß wir uns recht wohl mancherlei versagen können, was uns in üppiger Friedenszeit zur lieben Gewohnheit geworden war. Wir fühlen uns stillbeglückt durch den Gewinn neuer, ungeahnter seelischer Werte. Bei solch‘ innerer Verfassung erfolgte die Auslösung des Entschlusses in vielen Fällen fast automatisch, einen bestimmten Teilbetrag des Einkommens laufend abzusondern für Zuwendungen an unsere Braven im Felde bzw. an die Mannschaft, die frisch hinauszieht, auch ihrerseits Gesundheit und Leben einsetzend für die große vaterländische Sache, für Sicherheit und Wohlfahrt der Zurückbleibenden in Gegenwart und Zukunft.
Militärisch zeigt sich Deutschland allen voran – es soll auch in Fürsorge für die waffentragenden Brüder von niemanden erreicht, geschweige denn übertroffen werden: dies der unvergleichlich schöne Gedanke, der von den Herzen mehr und mehr Besitz ergreift. Und staunend wird man gewahr, was ein gebefreundliches Herz möglich macht. So ziehe er denn weiter beglückende Kreise, der edle Wille, freiwillig ständig zu steuern zur Erleichterung der Strapazen unserer Vaterlandsverteidiger – der Besten, die wir haben in der Volksgemeinschaft. Es stehe jedem das ergreifende Wort eines in den „Hamb. Nachr.“ veröffentlichten Gedichtes „Zu Hause“, von Anton Frahm ständig vor der Seele: „Sie gehen für dich in die Kugeln hinein – du liest es abends beim Lampenschein. Du weißt deine Liebsten zum Greifen dicht – Sie sehen beim Sterben ein fremdes Gesicht …“
Daß auch in unserer Vaterstadt edle Herzen schlagen, die unseren Soldaten im Felde Zuwendungen aller Art übersenden, beweisen die vielen Dankschreiben, die unserer Redaktion fast täglich zugehen. In Reim und Prosa sprechen die Krieger ihren warmen Dank für die Liebesgaben aus und man fühlt, daß es nicht nur Worte sind, die aus dem Felde zu uns dringen. Hauptmann und Komp.-Chef 6/160 von Kaminser dankt im Namen seiner braven und tapferen 6. Kompagnie für die freundlichen Gaben und bemerkt, wenn die Geber die Freude und Dankbarkeit der braven Jungens sehen könnten, würden sie sich tausendfach belohnt fühlen.

Anzeige im General-Anzeiger vom 12. Oktober 1914Die Flugmaschinen verloren. Ueber den Fliegerangriff auf die Düsseldorfer Luftschiffhalle berichtet die englische Admiralität, daß es einem der Fliegeroffiziere gelungen sei, die Halle aus 500 Meter Höhe zu treffen. Alle drei Offiziere seien in Sicherheit. Die Flugmaschinen seien jedoch verloren gegangen.

Wohltätigkeits-Aufführung. Die gestern nachmittag zum Besten des Vaterländischen Fürsorgevereins im Bonner Bürgerverein veranstaltete Wohltätigkeits-Aufführung hatte sich einer großen Teilnahme zu erfreuen. Die Mitwirkenden rekrutierten sich aus Helfern und Helferinnen des Hilfsausschusses für durchfahrende Truppen und des Bonner Instrumental-Vereins. Die Darbietungen begannen mit der Ouvertüre zu „Rosamunde“ von Schubert. Das Zusammenspiel, auch bei den folgenden Orchesternummern, Fantasie aus Lohengrin und des deutschen Kriegers Traum vor der Schlacht, verdient mit Rücksicht auf rhythmische Uebereinstimmung und wahrlich lebensvollen Ausdruck Anerkennung und Dank. Fräulein Marg. Keese vermochte mit ihrem Vortrag der Lieder „Ave Maria“ von Schubert und „Das Grab der Heide“ von Heiser sowie den beiden Zugaben die Herzen sehr zu erwärmen. In den zwei Theaterstücken „Josef Heiderich“ von Körner und „Der Feldzugsfreiwillige“ fanden die Auftretenden dankbare Aufgaben, die ihnen reichen Beifall eintrugen. Ernst und eindringlich äußerte sich Herr Dr. Vulker in seiner Rede zu Anfang des Abends, in der er einen Rückblick auf den Krieg gab. Ein Hoch auf Kaiser Wilhelm und Kaiser Franz Josef, das Dr. Vulker ausbrachte, wurde stürmisch aufgenommen.

Verhafteter Einbrecher. In der Nacht zum Sonntag drang ein junger Mensch in ein Haus an der Kaiserstraße ein und durchsuchte das ganze Haus. Sogar das Schlafzimmer, in dem die Einwohner schliefen, durchsuchte der Spitzbube mit der brennenden Kerze. Man benachrichtigte die Polizei, bei deren Erscheinen der Dieb die Flucht ergriff. Dabei fiel er durch ein Glasdach und verletzte sich so schwer, daß seine Ueberführung zur Klinik in einem Wagen notwendig wurde. In seinem Besitz fand man mehrere Uhren und verschiedene Portemonaies mit Inhalt. Der Verhaftete gibt an, aus Düren zu stammen, will bis jetzt in Belgien gewesen sein.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

 

Den Heldentod starb der in allen Kreisen der Bonner Bevölkerung gekannte und verehrte Leutnant Hans Egon von Gottberg, vom Inf. Reg. Nr. 160 in Bonn. Er war wegen seiner bewiesenen Tapferkeit mit dem Eisernen Kreuze ausgezeichnet worden. Am 19. September wurde er schwer verwundet. An den Folgen dieser Verwundung ist er gestorben. Er leitete und organisierte in Bonn das Pfadfinderwesen. Die Bonner Pfadfinder haben durch sein Hinscheiden einen unersetzlichen Verlust zu beklagen.

Anzeige in der Deutschen Reichs-Zeitung vom 12. Oktober 1914Aus fernen Landen. An seine Bonner Angehörigen schreibt der zweite Offizier eines deutschen Handelsdampfers, der von den englischen Behörden beschlagnahmt und nach Singapore gebracht worden ist, Herr G. Falckenberg, den viele unserer Leser von seinen Seereiseschilderungen in der Deutsch. Reichszeitung wohl kennen, folgenden Brief, der in der gegenwärtigen Zeit aktuelles Interesse haben dürfte:
Da uns Erlaubnis gegeben worden ist, zu schreiben, so möchte ich Euch hierdurch beruhigen. Es geht mir soweit ganz gut. Mein Schiff ist von der englischen Regierung beschlagnahmt worden. Wir sind mit der europäischen Besatzung zusammen auf eine einsame Insel bei Singapore gebracht worden samt unseren Effekten. Außer uns befinden sich noch 10 Deutsche hier. Dieselben werden strenger bewacht als wir, da sie nicht unterschreiben wollten, an diesem Krieg teilzunehmen. Wir liegen in einer Baracke mit zehn Mann. Unsere Kapitäne wohnen in Singapore. Das Essen bekommen wir von der englischen Regierung geliefert und zwar täglich. Es ist sehr gut, und wir werden sehr gut von den Engländern behandelt. Nur müssen wir selbst kochen und haben kein Geld, da unsere Heuer verloren gegangen sind, weil unser Schiff aufgebracht wurde. Wir dürfen die Insel nicht verlassen und wissen nicht, was in Europa vorgeht. Wir bleiben solange auf der Insel als der Krieg dauert.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)