Freitag, 2. Oktober 1914
Strickarbeiten für die Soldaten. Ein Hauptmann, der an der Front steht, schreibt uns: Das Wertvollste und Begehrenswerteste von allen sind wollenen Unterjacken. Unsere Leute sind zum Teil 18 Tage nicht unter Dach gekommen. Dabei herrschte Kälte und Regen. Da halten doch die wollenen Unterjacken etwas warm.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")
Rückführung Gefallener betreffend. Dem Wolffbureau wird amtlich mitgeteilt: In letzter Zeit wurden zahlreiche Gesuche um Rückführung Gefallener gestellt. Das Aufsuchen, Ausgraben und Ueberführen Gefallener aus dem Bereich der vordersten Linie ist überhaupt unausführbar. Aber auch sonst wird die Rückführung auf so große Schwierigkeiten, wie z.B. Mangel an Transportmitteln, stoßen, daß nur dringend davon abgeraten werden kann. Für Soldaten ist das Schlachtfeld das schönste und ehrenvollste Grab.
Warnung vor einer Schwindlerin. Aus Aerztekreisen werden wir darauf aufmerksam gemacht, das eine Schwindlerin als Rote Kreuz-Schwester für die angeblich schlecht eingerichteten Bonner Lazarette bettelt. Also Vorsicht.
Unsere Marktfrauen haben immer ein mitleidiges Herz gehabt. Das hat sich des öfteren bei Anlässen gezeigt, wo es galt, Gutes zu tun. Ganz besonders jetzt, wo die vielen Verwundeten auf ihren Spaziergängen den Marktplatz passieren, kann man dies in ausgiebiger Weise beobachten. Als gestern morgen ein verwundeter Soldat, der außer einer Kopfwunde auch noch schwere Beinverletzungen hatte und an zwei Stöcken langsam dahinschritt, den Wochenmarkt betrat, wurde er von Marktfrauen umringt und jede griff in ihre Körbe und füllte dem Soldaten die Taschen mit Obst. Eine der Frauen steckte ihm mehrere Eier zu und eine andere, die nur Gemüse feilhielt, drückte ihm ein Geldstück für „Tubak“ in die Hände. Als sich der überreich beschenkte Soldat dankend entfernte, blickten ihm die Frauen mit Tränen in den Augen nach.
Ein Weltreisender durchfuhr vorgestern morgen mit einer Riesenkugel, die mit Fähnchen reich geschmückt war, die Straßen unserer Stadt. Die Kugel, die etwa 1½ Meter Durchmesser hat, wird von einem russischen Steppenpony gezogen. Das erste Pferd ging in Russland ein. Der Führer, ein Mechaniker Willy Hormann aus Hannover, hatte sich infolge einer Wette von 15.000 Mk. verpflichtet, innerhalb drei Jahren – vom 1. Januar 1912 bis 1. Januar 1915 – ganz Europa zu durchqueren. Die Wette wurde in Düsseldorf abgeschlossen und Hormann muß am 1. Januar kommenden Jahres wieder in Düsseldorf sein. Er gedenkt bereits Ende dieser Woche dort anzulangen und hat somit seine Wette glänzend gewonnen. Seinen Unterhalt hat er mit dem Verkauf von Ansichtskarten bestritten; ein Geschäft will er aber bei der ganzen Geschichte nicht gemacht haben, denn die dreijährige Einnahme, etwa 25.000 Mk., hat er teils für seinen Unterhalt, teils für die vielen Reparaturen an der Riesenkugel verbraucht. Sehr oft musste er in unwirklichen Gegenden in seiner Kugel übernachten. Dies war ihm jedoch in letzter Zeit nicht mehr möglich, da die mit Eisenblech beschlagene Lauffläche wieder über und über mit Löchern und Rissen bedeckt ist. Daß die Reise nicht immer glatt abgegangen ist, kann man sich denken. Bei Ausbruch des Krieges befand H. sich in Sachsen-Meiningen; dort wurde er wegen Spionageverdachts verhaftet und acht Tage festgehalten. Die von ihm verkauften Karten zeigten u.a. die Bildnisse Kaiser Wilhelms, Kaiser Franz Josefs und das des Zaren. Da er auch selbst mit seinem weißen Kittel und der in Schaftstiefeln gesteckten Hose das Aussehen eines Russen hatte, wurde er als russischer Spion eingesperrt. Bei seiner Freilassung wurde ihm der Verkauf der Karten wegen des Zarenbildnisses verboten. Die achttägige Haft kam ihm jedoch nicht ungelegen, denn die Bevölkerung von Sachsen-Meiningen hatte wiederholt nicht übel Lust gezeigt, „dem Russen“ das Fell zu gerben. Hormann führt ein dickes Buch mit Bescheinigungen von Behörden aller Länder bei sich. Die gewonnenen 15.000 Mk. will er zur Ausnutzung eines Patents zum Bau eines Flugapparates verwenden.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Ihre Kgl. Hoheit Frau Prinzessin zu Schaumburg-Lippe besuchte gestern unter Führung des leitenden Arztes Dr. Rademann die Verwundeten im Franziskus-Hospital in Kessenich. Ihre Königl. Hoheit fragte jeden Verwundeten nach seinem Regiment, seiner Heimat und seinen Familienverhältnissen. Jeder Verwundete erhielt eine Liebesgabe Alle waren aufs tiefste bewegt und erfreut über die Leutseligkeit der hohen Dame. Diese äußerte große Befriedigung über die vorzüglichen Einrichtungen des Franziskus-Hospitals, die gärtnerischen Anlagen sowie die herrliche Lage und stellte ihren baldigen Wiederbesuch in Aussicht.
Beförderung von Briefen und Geldsendungen an Angehörige in London. Briefe und Geldsendungen an in England lebende Angehörige werden am besten der Kaiserlich Deutschen Gesandtschaft in den Niederlanden in Haag übersandt. Die Gesandtschaft übergibt die Sendung der amerikanischen Gesandtschaft in Haag zur Weiterbeförderung nach London. Es ist hierbei zu beachten, daß Briefe unverschlossen und in englischer Sprache abgefaßt sein müssen.
Fußball. Am Sonntag, den 4. Oktober, punkt 3 Uhr nachmittags treffen sich auf dem Adolfsplatze die erste Mannschaft des Fußballklubs „Borussia“ und die gleiche Mannschaft des Godesberger Fußballklubs „Germania“. Da beide Vereine über gute Mannschaften verfügen, steht ein spannendes Spiel bevor. Gelegentlich des Spieles soll wiederum eine freiwillige Sammlung zu Gunsten des Roten Kreuzes veranstaltet werden.
Schutz den wirtschaftlich Schwächeren. Um die Schwierigkeiten zu mildern, die der Kriegsausbruch für die wirtschaftliche schwächeren Kreise herbeigeführt hat, hat der Bundesrat drei wichtige Verordnungen erlassen über die gerichtliche Bewilligung von Zahlungsfristen, über die Anordnung einer Geschäftsaufsicht zur Abwendung des Konkursverfahrens und über die Folgen der nicht rechtzeitigen Zahlung einer Geldforderung. Eine Reihe von Gesetzen oder Verordnungen will ferner den Mißständen entgegenwirken, die nicht einer durch den Krieg herbeigeführten wirtschaftlichen Notlage entspringen, sondern darauf zurückzuführen sind, daß der Krieg die Möglichkeit, gewissen notwendige Rechtshandlungen vorzunehmen, erschwert oder gar abschneidet. Dahin gehören folgende Bestimmungen: 1. Gegen alle zur Fahne Einberufenen ist, soweit sie nicht durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten sind, die Durchführung eines Zivilprozesses unzulässig. Das Verfahren wird für die Dauer des Krieges unterbrochen. Ebenso sind Zwangsvollstreckungen und Konkurse auf Antrag eines Gläubigers gegen solche Personen, von einzelnen Ausnahmen abgesehen, ausgeschlossen. 2. Die Fristen für die Vornahme einer Handlung (Protest usw.) deren es zur Ausübung oder Erhaltung des Wechselrechts oder Regreßrechts aus einem Scheck bedarf, sind bis auf weiteres um 30 Tage verlängert worden (…). 3. Forderungen aus dem Ausland, die vor dem 31. Juli ds. Jahres entstanden sind, dürfen vor dem 31. Oktober überhaupt nicht vor inländischen Gerichten geltend gemacht werden. 4. Ebenso ist die Fälligkeit aller Wechsel, die im Auslande ausgestellt worden und im Inlande zahlbar sind, um 3 Monate hinausgeschoben, falls die Wechsel nicht schon am 31. Juli ds. Js. verfallen waren.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)