Mittwoch, 2. September 1914
Am Tag zuvor hatte die Schlacht bei Lemberg begonnen, in deren Verlauf sich die österreichisch-ungarischen Truppen zurückziehen mussten und die Festung Przemsyl von den Russen eingeschlossen wurde.
Zur Veröffentlichung der Verlustlisten. Das Oberkommando hat an den Verein deutscher Zeitungsverlegen in Magdeburg ein Schreiben gerichtet, wonach die Zeitungen die Verlustlisten nicht mehr namentlich veröffentlichen sollen, höchstens soweit ein lokales oder provinzielles Verhältnis vorliege. Die Listen selbst werden bei den Landratsämtern usw. ausgelegt. Es ist auch ein besonderes Postabonnement auf die Verlustlisten eingerichtet.
Keine Veröffentlichung von Feldpostbriefen mehr. Uns ist folgende Verfügung zugegangen. „Gemäß Bestimmung des Guvernements (sic) Köln hat mit Rücksicht darauf, daß die Veröffentlichung von Feldpostbriefen wiederholt zur Preisgabe von geheim zu haltenden Einzelheiten über Kriegsgliederungen und Truppenverschiebungen geführt hat, der Abdruck solcher Briefe zu unterbleiben.“
Eine Anzahl erbeuteter französischer Geschütze sind schon in Köln angekommen und werden auf dem Neumarkt aufgestellt. Hoffentlich kommen auch bald einige nach Bonn, wo sie auf dem alten Zoll Kriegsveteranen aus alten Zeiten treffen werden.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")
Der Wehrbund, dessen Aufruf in dem Anzeigenteil dieses Blattes erscheint, ist, nachdem vorher in engerem Kreise Besprechungen stattgefunden hatten, Montag abend in einer gut besuchten Versammlung im „Krug zum grünen Kranze“ gegründet worden. Er verdankt seine Entstehung der Beobachtung, daß von den zur Fahne einberufenen Reservisten und Landwehrleuten naturgemäß viele den Anstrengungen des Dienstes, namentlich den Anforderungen, die an ihre Marschtüchtigkeit gestellt werden, nicht sofort gewachsen waren, daß sie daher zunächst in größerer Anzahl krank geschrieben werden mussten und erst nach einigen Tagen ihrem Truppenteil zugeschickt werden konnten. Auch an die einberufenen Landstürmer werden Anforderungen gestellt, die sie nicht mehr gewöhnt sind und die sie daher vielfach nur schwer erfüllen können. Ebenso sind endlich für die Freiwilligen und die Ersatzreservisten, die erst jetzt ausgebildet werden, da diese Ausbildung schneller als sonst geschehen muß, die Anstrengungen größer als in Friedenszeiten und können nur von denjenigen gut überstanden werden, die ihren Körper schon vorher gestählt haben. Der Wehrbund will, ohne der militärischen Ausbildung vorzugreifen, allen denen, die sich ihm anschließen, eine solch körperliche Erziehung zuteil werden lassen, daß sie, wenn sie einberufen werden, ihre Pflicht ohne Schwierigkeiten und in vollem Umfang erfüllen können. Er wendet sich also an alle Wehrpflichtigen, d.h. alle Jünglinge und Männer vom 17. bis zum 45. Lebensjahre, die noch ausgebildet werden sollen oder dies schon sind und ihre Einberufung zu gewärtigen haben. Wann und wo der erste Appell stattfindet, ist aus der Anzeige zu ersehen. Wer aus irgend welchem Grunde verhindert ist, zu der angegebenen Stunde zu erscheinen, kann sich auch schriftlich oder mündlich bei einem der Unterzeichner des Aufrufes anmelden.
Die Verlustliste Nr. 16 wird soeben ausgegeben. (...) Ferner starben den Heldentod für das Vaterland Alexander Weyermann, Königl. Forstassessor und Leutnant der Reserve des westf. Jäger-Bat. Nr. 7, aus Bonn, und Beigeordneter Hoffmann, Leutnant d. R.. Er war genau ein Jahr lang als Beigeordneter in Godesberg tätig.
70.000 Russen gefangen. Beim Lesen dieser Siegesnachricht an unseren Schaufenstern wurden, wie immer, mehr oder minder gute Witze gerissen, die sich alle darum drehten, was wir „mit all’ denne Käels“ anfangen sollen und wie sie zu beköstigen seien. Einer meinte: „Donnewädde, do moß ävve ne ganze Gasometer voll Aehzezupp für jekoch wäede, öm die all satt ze krise.“ Ein anderer schlug vor, man solle eine „Billige Woche“ veranstalten und drei Russen für 95 Pfg. abgeben. Bei Mehrabnahme könne man ja noch einen Franzosen oder Engländer drauf geben.
Die Wache im Feuerwehrgebäude ist infolge der Einziehung der Feuerwehrmannschaften zum Militär tagsüber um drei Mann ergänzt worden, damit im Falle eines Brandes der Auto-Mannschaftswagen besetzt werden kann. Dadurch entstehen täglich 12 Mk. Kosten. Der am Freitag tagende Stadtrat wird um Bewilligung der Mittel ersucht.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Aufklärung dringend erwünscht. Kann vielleicht jemand sagen, wie es kommt, daß die deutschen Soldaten, Väter, Söhne, Brüder usw., von ihren Angehörigen keine Nachricht erhalten? Zum Teil sind sie doch schon vier Wochen fort. Manche Karte und manchen Brief hat man ihnen geschrieben, um zu erfahren, wie es ihnen geht, und manche Erfrischung wurde ins Feld geschickt, aber man erfährt nicht, ob die Sachen dort angekommen sind. Hier und da kommt eine Karte hier an, auf der ganz trostlos geschrieben steht: „Warum schreibt Ihr nicht, schreibt doch, wie es Euch geht“, oder „Habe bis jetzt noch nichts von Euch erhalten!“ Sollte die Post oder die Heeresverwaltung so sehr in Anspruch genommen sein, daß sie nicht imstande sind, die Nachrichten oder die kleinen Erfrischungen den Tapferen ins Feld nachzusenden? Wenn dies zutrifft, dann müssten die Angehörigen doch von dieser Tatsache in Kenntnis gesetzt werden, um nicht unnützes Geld auszugeben. Einer für viele.
Sport und Krieg. Im General-Anzeiger, der mich auch im Kriege über die Ereignisse und Neuigkeiten meiner Vaterstadt auf dem Laufenden hält, lese ich eben die Sprechsaal-Bemerkung über die sportliche Betätigung junger Bonnerinnen in diesen Zeiten. Ich möchte das abfällige Urteil des Herrn Einsenders umso weniger unwidersprochen lassen, als ich in den letzten Tagen wieder und wieder feststellen konnte, um wie vieles widerstandsfähiger, ausdauernder und gewandter im allgemeinen der turnerisch oder sportlich vorgebildete Soldat ist. Diese durchaus nicht vereinzelte Erfahrung bestärkt mich in der Auffassung, daß der Sport eine vaterländische Notwendigkeit darstellt, die herabzusetzen und bespötteln der Herr Einsender keinen ungünstigeren Zeitpunkt hätte auswählen können, als den gegenwärtigen. Pro patria est, dum ludere videmur. H. O. S., III. Arm.-Bat., 4. Komp.
Zigeuner. Seit etwa acht Tagen lagert an der Kölner Chaussee in der Nähe des Friedhofes auf einem früheren Ziegelfelde eine zahlreiche Zigeunerbande. Während die Männer tagsüber schmauchend und Branntwein trinkend unter oder in den Wagen liegen, belästigen die Mädchen und Frauen der Bande durch ihre dreisten Betteleien die Vorübergehenden. Eine Alte aber bietet gegen „weißes Geld“ ihre Kunst im Wahrsagen und im Kartenlegen an, und man muß sich wundern, wie jemand in der gegenwärtig ernsten Zeit noch Geld für solchen Unfug hat. Am Sonntag nachmittag besichtigten mehr als 80 Personen das Lager der Zigeuner und viele davon gingen auf den Leim ein, gegen Entgeld von 50 Pfennig einen Blick in die Zukunft zu tun. Die Dummen werden nicht alle. Wir fragen nun: Warum werden die drei starken jungen Männer, die bei der Bande sind, nicht zwangsweise zum Militärdienst herangezogen? Wenn dies aber nicht angängig ist, warum wird die ganze Bande nicht ausgewiesen, da sie doch nur vom Betteln und vom Diebstahl lebt? Ein Familienvater, der drei Söhne im Heer hat.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Kriegshilfe. Aus weiten Kreisen der Bürgerschaft ging an die Stadtverwaltung die Anregung, in der Stadt eine Sammlung für Kriegshilfe zu veranstalten. Die Not in den Familien der zum Heer Einberufenen ist in zahlreichen Fällen groß; auch mittelbar leiden viele Bonner an den Folgen des Krieges, der ihnen die zur Lebensunterhaltung nötigen Einnahmen nimmt, oder erheblich mindert; manche Wohltätigkeitseinrichtungen, deren Tätigkeit gerade in dieser Zeit dem Gemeinwohl besonders nutzbringend ist, bedürfen weiterer Mittel. Die vom Reich und der Gemeinde zu gewährenden Unterstützungen sind oft nicht ausreichend, um eine Familie vor Not zu schützen, auch gibt es zahlreiche Fälle, wo diese Unterstützungen nicht eintreten können und doch nach Lage der Sache Hilfe dringend geboten ist. Es ist daher erforderlich, durch private Zuwendungen reichliche Mittel für diese Zwecke zu sammeln, und zwar möglichst bald. Aus diesen Erwägungen wird den Stadtverordneten vorgeschlagen, sofort mit einem Aufruf an die Öffentlichkeit zu treten, als Zahlstellen für die Sammlungen die städtische Sparkasse und die hiesigen Großbanken zu bestimmen und die Verwendung der eingehenden Beträge einem aus Stadtverwaltung, Stadtverordneten und Bürgern zu bildenden Ausschuß zu übertragen, der in enger Fühlung mit dem bereits bestehenden städtischen Unterstützungsausschuß seine Tätigkeit ausübt.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
An unsere Jugend.
Wer in dieser schlimmen Zeit nicht große Opfer bringt, der kennt die Zeit nicht und handelt nicht pflichtgemäß. Was sind es aber für wichtige Opfer, welche ein jeder ohne Ausnahme bringen muß? Unser innigstgeliebter, erhabener Kaiser hat es allen seinen Untertanen warm ans Herz gelegt, daß hinter der Armee von Streitern eine Armee von Betern stehen müsse. Die Gottesdienste sind wohl besser besucht, als seither, aber die Scharen der Jugend vermißt man schmerzlich. Möchten doch die Eltern für zeitiges Schlafengehen und frühzeitiges Aufstehen derselben sorgen, daß sie mit Rosenkranz und Gebetbuch unter Andacht einer hl. Messe beiwohnten! Das Gebet der Kinder durchdringt die Wolken! Eltern, geht euren Kindern mit gutem Beispiel voraus, das wird den Streitern im Felde helfen! Wie schön wäre es, wenn die altchristliche Sitte wieder Platz griffe: Lautes Tischgebet, abends gemeinschaftlicher Rosenkranz. In der werktätigen Liebe eifere man so, daß man die Witwe im Evangelium zu erreichen suche! Freudig verzichte man auf Kleiderpracht, leckere Mahlzeiten und Vergnügungen, dann winkt die Siegespalme bei uns und auf den Schlachtfeldern! Ein alter Kriegsveteran.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)