Dienstag, 29. September 1914

 

Wie rüsten sich unsere Hausfrauen in den Kriegszeiten gegen Nahrungsmittelnot? Der von den hiesigen Frauenvereinigungen veranstaltete Vortrag des Herrn Dr. Junge wird heute abend 8¼ wiederholt.

Fußballspiel. Zum Besten des Roten Kreuzes fochten der Bonner Fußball-Verein und der Kölner Ballspielklub ein Ligawettspiel aus. Das Spiel fiel zugunsten der Kölner aus mit 8:4.

Ein Zug mit Verwundeten kam gestern wieder hier an. Sie wurden den einzelnen Lazaretten überwiesen.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")

 

Gehört Shakespeare in den Spielplan der deutschen Bühnen? (...) Eines steht für alle fest. Der Spielplan mußte zeitgemäß sein. Er mußte also Stücke bringen, die dem Ernst und der Größe unserer Gegenwart einigermaßen gerecht wurden. Und der Spielplan sollte zugleich deutsch und national sein. Die bekannte Ausländerei mußte also aus dem Spielplan der deutschen Bühnen ausgemerzt werden. (...) Da erhob sich die Frage: Darf man Shakespeare spielen? Viele sagen ja, manche entschieden sich für nein. Die Meinung der einen schien richtig, die der anderen konsequent. Aber man sollte es lieber mit denen halten, die ja sagen und damit das Richtige treffen. Schon deswegen, weil Shakespeare für uns alle wirklich so etwas wie ein deutscher Dichter geworden ist. Oder, wie Heine einmal sagt, weil es kein Mensch begreifen kann, daß Shakespeare ein Engländer ist.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus Kunst, Wissenschaft und Leben ")

 

Anzeige in der Deutschen Reichszeitung vom 29. September 1914Sammelfässer. Zu den bereits aufgestellten Sammelfässern sind am 27. September noch drei gekommen, und zwar in Endenich, Poppelsdorf am Jägerhof und Ecke Reuterstraße und Jagdweg. In den neun Sammelfässern wurden am 28. September vorgefunden: 800 Zigarren, 687 Zigaretten und 136,90 Mark bar. Im Ganzen wurden vom 14. bis einschließlich 28. September gesammelt 4.993 Zigarren, 4.163 Zigaretten und 915,78 Mk. bar.
Zu dem Liebesgabentransport am 24. September konnten beigesteuert werden 18.000 Zigarren, 3.400 Zigaretten, Kautabak und sonstige kleine Sachen. Von den vorgefundenen 15 Paar Pulswärmern war nur ein Paar zweckentsprechend. Nähere Auskunft hierüber wird gern erteilt Gangolfstraße 3, 1. Stock, Dienstags und Freitags von 4 – 6 Uhr nachmittags. Die Ohrwärmer „für einen braven Soldat von Klärchen“ waren tadellos.
Dankenswerter Weise hat die Schulbehörde der Jugend, die sich oft in unliebsamer Weise an den Fässern zu schaffen macht, eine nachdrückliche Warnung erteilt. Auch Eltern sollten zum Vorteil unserer braven Truppen dasselbe tun. Im Uebrigen werden die Sammelfässer wiederholt dem Schutze der Bürgerschaft empfohlen. Allen Gebern verbindlichsten Dank.

Kastanienregen. Gestern Mittag – der Barometer hatte seit einigen Stunden eine ziemlich jähe Kurve nach unten beschrieben – erhob sich ein mächtiger Sturm und wühlte und rüttelte in den Baumkronen der alten Kastanienbäume im Hofgarten, im Baumschulwäldchen und besonders in der Poppelsdorfer Allee. Gleich allen anderen Bäumen in diesem, leider nur von der Natur, gesegneten Jahre hängen auch die Kastanien heuer übervoll Früchte. Die Sonne hatte sie an den warmen, milden Herbsttagen heranreifen lassen, ohne daß noch die Bonner Jungens sich ihrer übermäßig angenommen und sie mit Stein und Knüttel heruntergeholt hätten. Das besorgte gestern Mittag und noch im Laufe des Nachmittags gründlich der Sturm. Wie Hagel so dicht, oder wie ein verwundeter Soldat ausrief, so dicht wie die französischen Schrapnellkugeln bei Sedan, fielen die stacheligen Früchte aus den Baumkronen. Sie schlugen klatschend auf die Wege, zerplatzten und streuten tatsächlich, wie Schrappnells es mit den Kugeln machen, die glänzenden Kastanien umher. Wen solch ein Geschoß auf den Schädel traf, rieb sich schimpfend die Stelle, die Jungens aber und Mädchen und auch noch genug Alte freuten sich des Kastanienregens und sammelten Taschen, Körbe, Kannen, Essgeschirre voll.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

 

Liebesgaben. Bei der Absendung von Liebesgaben, die durch Automobile bewirkt werden, ist es nötig, daß solche Liebesgaben nicht allein nach Frankreich, sondern auch unseren braven Soldaten, die in Russland stehen, zugeführt werden. Bei dieser Gelegenheit möchte ich bitten, darauf hinzuwirken, daß die Feldpost Pakete bis zu drei oder vier Pfund befördert. Dann könnte jeder Angehörige den Soldaten im Felde ein Paket zuschicken und warme Unterkleider, Tabak, Zigarren usw. selbst besorgen. Hoffentlich geht es dann diesen Postsendungen nicht ebenso, wie so sehr vielen Feldpostsendungen. Einer für Viele.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)

 

Ein Feldpostbrief eines aktiven 68er [6. Rheinisches Infanterie-Regiment Nr. 68] aus Bonn wird uns zur Verfügung gestellt; er schreibt u.a.:

16.9.14. Seit 3 Tagen liegen wir nun schon wieder hier mit den Franzmännern im Kampfe, haben hierin schon sehr große Erfolge erzielt gehabt. 800 Mann Gefangene, 1 Abt. Maschinengewehre und 1 Abt. Jäger vernichtet und dann wieder 1 ganze Batterie Artillerie und 1 ganzes Bataillon gefangen genommen. Ferner französische Kavallerie aufgerieben. – In der vorgestrigen Nacht versuchten die Franzosen hier mit 2 Regimentern Infanterie einen Durchbruch gegen ein Bataillon von uns. Wir ließen sie bis auf 10 Meter herankommen, gaben dann ein Salvenfeuer ab, worin uns 4 Maschinengewehre unterstützten und Ihr hättet sehen sollen, wie wir die Rothosen auf dem Laufenden hielten. In Zeit einer Viertelstunde war nichts mehr von ihnen zu sehen. Also, es war trotz dem Ernste der Sache zum krank lachen. – Gestern lagen wir in Stellung in schwer verschanzten Schützengräben und erhielten über eine Stunde Artilleriefeuer. Wir hatten viele Verwundete und Tote. F.D. erhielt auch einen Granatsplitter ins Bein. Während dieser Stunde haben wir mit dem Gesichte auf der Erde gelegen, den Tornister über dem Kopfe und fast alle waren laut am beten. Froh war ein jeder und alles atmete auf, als das Feuer endlich aufhörte. Gott sei Dank bin ich noch bis heute mit heiler Haut davongekommen und hoffe ich auch für die Zukunft das Beste. – Wenn es eben möglich ist, dann schickt mir doch etwas Zigaretten, denn Ihr glaubt gar nicht, wie wir darnach schmachten. Von Liebesgaben hört und sieht man hier nichts. Ein Paketchen mit Zigaretten von Euch habe ich erhalten und den Jubel von uns hättet Ihr mal hören sollen. Nach Paris wird unser Korps wohl leider nicht kommen, wie man hört, sonst sind wir aber noch fidel usw.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)