Dienstag, 15. September 1914
Am Vortag war Moltke, der für das Scheitern des Schlieffen-Plans und den Rückzug der deutschen Truppen verantwortlich gemacht wurde, als Generalstabschef von Falkenhayn abgelöst worden.
Die Bonner Zeitung enthält eine lange Verlustliste unter städt. Meldungen. Der General-Anzeiger meldet nach den ständigen Siegesmeldungen aus Frankreich „schwere, bisher unentschiedene Kämpfe“. Die Reichszeitung beschränkt sich in ihrer Berichterstattung auf die Siege im Osten.
Die Benutzung des Telefons zu Ferngesprächen im Reichsgebiet können laut Bekanntgabe des stellvertretenden Generalkommandos des 8. Armeekorps die Telegraphenämter und Postanstalten für Personen und Firmen, die sich durch polizeiliche Bescheinigungen als durchaus einwandfrei ausweisen, gestatten, wenn es im kommunalen oder staatlichen Interesse liegt, oder wenn dadurch die Zwecke der Heeresverwaltung gefördert werden.
Pferdesamariterkorps. In dem Organ des „Bayrischen Vereins für Frauenstimmrecht“ regte Fräulein Dr. Anita Augspurg die Bildung eines Pferdesamariterkorps an, zur Tötung schwerverletzter Kriegspferde. Die „Pferdeschutz-Vereinigung über ganz Deutschland“ nimmt hierzu Stellung und gibt bekannt, daß kein Anlaß zur Bildung eines solchen Korps vorliegt, da nach den gemachten Erfahrungen in dem letzten und auch in dem gegenwärtigen Kriege und nach ministeriellen Anordnungen jeder Offizier und jeder Veterinär nach eigenem Gutdünken schwerverletzten Pferden den Gnadenschuß geben kann. Dann kann die Heeresleitung auch keine Zivilleute hinter ihren Truppen dulden, um nicht dem Marodörwesen Vorschub zu leisten!
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Für die Kriegsanleihe. Die Kreissparkasse Bonn zeichnete für die Kriegsanleihe 1 Million Mark.
In den Sammelfässern wurden am ersten Tage vorgefunden: 1000 Zigarren, 487 Zigaretten, 4 Spitzen, 2 Rollen Kautabak und 1 Feuerzeug, ferner 87,86 Mark Bargeld, welches zum Ankauf von Zigarren und Tabak verwendet wird. Den freundlichen Gebern herzlichen Dank!
Einige Fässer werden noch aufgestellt. Es wird dringend darum gebeten, die Schuljugend darauf aufmerksam zu machen, daß sie die Fässer weder belagert, noch Kastanien und sonstige nicht erwünschte Sachen hineinwirft. Erneut werden die Sammelfässer dem Schutze der Bürgerschaft empfohlen, weil ein Schloß schon unbrauchbar gemacht war.
Ein größerer Transport verwundeter Soldaten ist gestern hier angekommen und in die Lazarette untergebracht worden. Im Laufe des Nachmittags ging ein Lazarettschiff mit verwundeten Kriegern von Bonn nach dem Oberrhein. – Gegen 8 Uhr abends kam ein großer Zug mit französischen Gefangenen durch die hiesige Station.
Freiwillige gesucht. Das Ersatzdepot des Infanterie-Regiments „Hessen-Homberg“ Nr. 166 in Bitsch in Lothringen stellt jederzeit Kriegsfreiwillige ein. Auch wird es dankbar begrüßt, wenn sich ehemalige Feldwebel, Unteroffiziere, Gefreite zwecks Ausbildung der Freiwilligen melden.
Die Sammlung für die Kriegsnotleidenden in Ostpreußen hat im ganzen bis jetzt 6913.50 Mark ergeben. Der Betrag der letzten Woche mit 4051.50 Mark ist ebenfalls an die Hauptsammelstelle in Berlin abgeführt worden.
Notschrei Bonner und Beueler Krieger
Hart an der Grenze liegen wir,
Es fehlt uns vieles. Vor allem das Bier
Ist uns ausgegangen schon lange Zeit
Und Bonn und Beuel ist allzuweit.
Fliegen und Flöhe und Wanzen und Läuse
Sind uns’re Gefährten, dazu noch die Mäuse
Teilen mit uns Geschirr und Gemach,
Fürchten nicht Schuß, noch Pulverkrach.
Ueber uns, seitwärts und vor uns sind Feinde.
Nicht zu trauen ist der Dorfgemeinde. –
Doch unsere Bajonette sind blank und spitz
Nicht umsonst sind wir Enkel vom alten Fritz.
Wir sehen zwar aus wie die Zigeuner,
Vielleicht noch struppiger und etwas „bräuner“
Wir haben kein Hemd und keinen Tabak
Noch weniger Bier und Kaiserkognak.
Aber Mut für Zehn in unserm Herzen!
Wenn auch bei manchem die Wunden schmerzen
Von den beiden letzten Gefechten. –
Doch woll’n wir mit dem Kriegsgott nicht rechten.
Hätten wir nur etwas Gutes zu trinken.
Hopfenfelder genügend hier winken.
Darum lindert die Not und schickt Bier.
Noch sind wir in Bir – wir warten hier. –
Jetzt kommt die Adresse, paßt auf, ohe!
Wir sind das Ersatz-Korps der 6. Armee.
8. Division, 29. Brigade,
Wären wir anderswo, `s wäre schade!
2. Regiment und 2. Bataillon,
5. Kompagnie, jetzt habt Ihr’s schon!
Unteroffizier Blasius,
(Namens vieler Bonner und Beueler Jungens.)
Immer mehr Tabak! Von allen Seiten kommen Feldpostkarten an uns, wir möchten doch ein gutes Wort bei den Bonnern dafür einlegen, Tabak und Zigarren für unsere im Felde stehenden Soldaten zu stiften. Heute bittet uns die 6. Komp. des 65. Res.-Inf.-Regim., 8. Korps, 21. Inf.-Div., auf sie aufmerksam zu machen, da auch bei diesem Truppenteil eine große Anzahl Bonner Jungens dienten.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Auf der Suche nach Angehörigen. Zu der Feldpostkarte des Kessenicher Wehrmannes, der auf der Suche nach seinen Angehörigen sich sogar an die Zeitung wenden muß, möchte ich noch folgendes mitteilen: Mein Sohn, auch ein Kessenicher Wehrmann, der vor fünf Wochen ins Feld gezogen ist, hat bis heute noch kein Lebenszeichen von sich gegeben. In den letzten vier Wochen habe ich vier Briefe und zwei Karten, die letzte sogar mit Rückantwort an seine Adresse geschickt, und bis heute bin ich noch ohne Antwort; ein Zeichen dafür, daß er meine Briefe nicht erhalten hat. Hieraus ergibt sich, daß es unseren Kriegern genau so ergeht, wie den Angehörigen. Von beiden Seiten wird geschrieben, aber – es kommt nichts an. Woran das liegt, kann ich nicht sagen. Jedenfalls werden die Sachen an einer Stelle zurückgehalten. Wenn die Militärbehörde Karten, deren Inhalt im Interesse des Staates nicht veröffentlicht werden darf, zurückhält, so ist das wohl zu verstehen. Meine Briefe enthielten aber nur Mitteilungen über die Familien, und den gleichen Inhalt werden auch die meisten Karten und Briefe an die Angehörigen haben. Ich selbst habe die Feldzüge von 1866 und 1870/71 mitgemacht und darf sagen, daß uns damals trotz der viel schlechteren Verbindungen alle Karten und Briefe erreicht haben. Johann St.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Katholischer Verein. Um in der gegenwärtigen ernsten Zeit des Krieges seinen Mitgliedern etwas Anregung zu geben, hatte der Katholische Verein e.V. auf Sonntag abend dieselben mit ihren Familien zu einem der Zeit angepaßten Vortrage eingeladen. Herr Kaplan Fuhrmanns, der neue Präsident des Vereins, sprach nach kurzer Begrüßung über die Päpste Pius X. und Benedikt XV. in wohldurchdachter, ansprechender Weise. Hierauf folgte ein Lichtbildvortrag über Belgien, erläutert durch Herrn Realschullehrer M. Rech. Schöne Bilder über das leider so verblendete Belgien wurden gezeigt und mit einer gewissen Wehmut nahm man von den schönen Städtebildern Notiz, von denen ein Teil infolge des belgischen Volkskrieges der Vernichtung anheimfiel. Zum Schlusse gedachte Herr Rech noch in kurzer Rede unseres Kaisers, dessen Grundsatz es stets war, den Frieden zu erhalten. Er schloß mit einem dreifachen Hoch auf unseren Monarchen, worauf begeistert die Nationalhymne gesungen wurde.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Vereins-Nachrichten aus Bonn“)
„Das ist der Krieg“ betitelt sich ein Sensationsdrama, welches diese Woche im Viktoria-Theater, Gangolfstraße, zur Aufführung gelangt. Der Dreiakter ist eine Zugnummer, womit das Viktoria-Theater das Recht für sich in Anspruch nehmen kann, Bilder vorzuführen, welche das Wort „Krieg“ mit seinen wildaufjagenden Leidenschaften lebenswahr vor Augen führen. Die Handlung versetzt uns in die Balkangegend. Naturgetreu sehen wird das Volk zu den Waffen greifen und die Mittel angewandt, womit der grausige Krieg seine Opfer fordert. Die nervenpeitschenden Momente, wo Erkundungsritte, stürmische Verteidigung einer Blockhütte und deren Entsatz durch Truppen, dann wie das moderne Erkundungsmittel, der Aeroplan, in den Kriegsdienst gestellt wird, alles das entrollt ein Bild, wie es naturwahrer nicht geschildert werden kann. Die Kriegsbilder lassen auch das edle Menschliche nahe treten und so flicht sich eine Handlung zwischen Kriegsbildern ein, welche ergreift und mit liebevoller Herzlichkeit die Seele des Menschen berührt. Diesem Kriegsdrama schließt sich ein zweiaktiges Schauspiel „Der Thronfolger“ an. Es bringt uns die Pflicht- und Mannesstärke eines zum Wohle des Volkes berufenen Thronfolgers nahe. Wenn sich ihm im Wechsel des Lebens Episoden einschieben, welche seine ihm angeborenen hohen Ziele und Stand ins Wanken bringen, so tritt mit doppelter Stärke die Charaktereigenschaft in Erscheinung, welche ihn über das Alltägliche erhebt. Das Viktoria-Theater bringt auch mit diesem Film ein lebensvolles Bild zur Aufführung. Ein Besuch ist sehr zu empfehlen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Geschäftliches“)