Donnerstag, 27. August 1914
Am Mittwoch hatte die Schlacht bei Tannenberg begonnen.
Gegen Preistreiberei auf dem Arbeitsmarkt richtet sich folgende städtische Bekanntmachung: In letzter Zeit sind der städtischen Armenverwaltung wiederholt Fälle mitgeteilt worden, daß kräftige Tagelöhner, die 4 Mark täglich verdienen, ihren Arbeitgebern erklärt haben, sie arbeiteten nicht unter 5 Mark täglich, in einem Falle wurden sogar 6 Mark Tageslohn verlangt. Alle Arbeitgeber, denen derartige Forderungen gestellt werden, wollen die Namen der Arbeiter der städtischen Armenverwaltung mitteilen, damit gegebenenfalls entsprechend verfahren werden kann.
In der Verlustliste Nr. 9 wird als leicht verwundet angeführt Musketier Joh. Fuß aus Bonn-Endenich vom Infantrie-Regt. Nr. 70 (Saarbrücken) 7.Komp.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")
Französische Gefangene kommen, so wird uns geschrieben, jetzt häufiger durch Bonn. Gestern Mittag gegen 11 Uhr kam wiederum ein Zug französischer Gefangener durch unsere Station. Der Zug hielt hier eine halbe Stunde. Im ganzen befanden sich 261 Gefangene in dem Zuge. Im allgemeinen machen die Franzosen keinen guten Eindruck. Es sind meistenteils kleine Gestalten, die den meisten deutschen Soldaten nicht bis an die Schulter reichen. Im übrigen ist ihre Kleidung und Ausstattung sehr mangelhaft. Im Vergleich mit den deutschen Soldaten und ihren soliden Uniformen sehen die Gefangenen geradezu verwahrlost aus.
Auch in der Synagoge wurden durch Herrn Rabbiner Dr. Cohn die jüdischen Kriegsfreiwilligen auf den Fahneneid vorbereitet.
Kriegsunterstützung. Der Reichszuschuß beträgt für die Sommermonate (Mai – Oktober) mindestens 9 Mk., in den übrigen Monaten 12 Mk. Für die Ehefrau und 6 Mk. für jedes Kind unter 15 Jahren sowie die anderen berechtigten Personen (Verwandte in aufsteigender Linie und Geschwister, sowie Kinder über 15 Jahren, sofern sie von Einberufenen unterhalten wurden). Die Beträge sind in halbmonatlichen Raten vorauszuzahlen durch die Zahlstelle Bonn-Mitte. Jeder, dem die Kriegsteilnehmerunterstützung bewilligt worden ist, erhält hierüber eine Ausweiskarte vom städtischen Militärbureau.
Ein größerer Truppentransport verwundeter Soldaten ist gestern morgen hier eingetroffen. Es handelte sich meistenteils um leichter Verwundete, die auf Straßenbahnwagen zu den verschiedenen Lazaretten und Krankenhäusern übergeführt wurden. Unter den verwundeten befanden sich Soldaten aller Truppengattungen.
Bonner Jugend! Unserer Jugend soll es gewiß nicht verargt werden, wenn sie sich draußen in frischer Luft, anstatt im Zimmer vergnügt. Und sicher freut man sich über die Jugend und ihre jetzt aktuell gewordenen Kriegsspiele. Solange diese Spiele Jungdeutschlands mit Franzosen, Russen oder Engländern kindlich blieben, hatte Niemand hiergegen etwas einzuwenden. Da aber merkte die Jugend, daß man ihr zuschaute und sich über das Spiel freute. Jetzt änderte die Jugend die Taktik, sie spielte nicht mehr für sich, sondern für die Erwachsenen. Dabei sind die Spiele ausgeartet und es kam Roheit und wüster Lärm in das kindliche Treiben. So sieht der Erwachsene das Treiben auf der Straße, insbesondere im Hofgarten, Alten Zoll, Baumschul-Wäldchen, Nussallee, Rheinanlagen, kurz an allen größeren Plätzen mit steigenden Unmut. Bliebe es bei dem Spiel, ginge es noch an. Aber in ihrer kriegerischen Stimmung vergreift sich die Jugend auch an städtischem und privatem Eigentum. So werden die Rasen- und Blumenbeete zertreten, Zweige, ja ganze Aeste von Bäumen und Sträuchern abgerissen, Obstbäume geplündert und dergleichen Unfug mehr. Gutes oder ernstes Zureden nutzt nichts. Die Jugend wird obendrein noch frech. Im Hofgarten treiben die Kinder es so toll, daß den Ruhesuchenden, insbesondere Soldaten, die leichtverwundet in hiesigen Lazaretten untergebracht sind und in den Anlagen spazieren gehen, der Aufenthalt dort verleidet wird. Im Interesse der gesamten Bürgerschaft dürfte hier Abhülfe oder doch Einlenkung des wüsten Treibens in ruhigere, anständigere Bahnen geboten sein.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Deutsche Sprachreinigung. (...) Der Allgemeine Deutsche Sprachverein arbeitet schon lange und mit nachweisbar gutem Erfolge an der Beseitigung aller Fremdwörter, die sich durch gute deutsche Worte ersetzen lassen. Der Verein darf die in diesen Tagen aufgetretene erfreuliche Verdeutschungsbewegung als eine Frucht seiner jahrelangen Bemühungen ansehen. Seinem weiteren planvollen Vorgehen wird es auch gelingen, das deutsche Volk allmählich zu der Einsicht zu bringen, daß es ein Schimpf für unsere Sprache und damit für unser deutsches Empfinden ist, wenn wir unsere so schöne und reiche Sprache mit fremden, besonders französischen Wörtern verschandeln. Adieu ist grade eins der geschmacklosesten und wird nur noch von gedankenlosen Leuten gebraucht; langes Leben ist ihm in unserer Sprache sicher nicht mehr beschieden. Der Franzose gebraucht es übrigens garnicht in der bei uns üblichen Weise; das macht die Sache für uns nur beschämender.
Wer also noch ein wenig weiter blicken kann als nur unmittelbar auf die uns ja am nächsten anliegenden kriegerischen Ereignisse; wessen gut deutsch gesinnter Mut den nicht leichten Kampf um die Reinhaltung unserer Muttersprache selbstbewusst aufnehmen will; der tue es ohne Spielerei aus vaterländischer Ueberzeugung. Also fort nicht nur mit dem törichten Adieu, sondern auch mit allem übrigen fremden Flitterwerk in deutscher Rede und Schrift!
Dr. Hans Krieg,
Vorsitzender im Bonner Zweigverein des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins.
Einquartierung. Notschrei eines Fabrikarbeiters. Ich bin Fabrikarbeiter und arbeite von Anfang des Krieges nur halbe Tage; ich bin verheiratet, habe drei Kinder von 13, 10 und 7 Jahren und 4 Räume gemietet, was doch für meine Haushaltung nicht zuviel ist. Jetzt soll ich auch noch 2 Mann Einquartierung bekommen. Ich möchte doch die Stadtverwaltung bitten, einem armen Arbeiter, der jetzt noch nicht einmal die Miete zahlen kann, mit der Einquartierung zu verschonen. Es gibt doch noch genug Leute, welche besser die Mittel dazu haben, als ein Fabrikarbeiter. K.Z.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Ein Zug mit verwundeten Soldaten traf gestern hier ein. Es waren meist belgische und französische Soldaten, auch einige Zuaven befanden sich darunter.
Unbezwingliche weibliche Neugier. Unzählige Frauen, Mädchen und Kinder standen gestern Vormittag vor dem Johannishospital und wartete auf verwundete Soldaten, die man dorthin bringen sollte. Es ist tief bedauerlich, daß ein Teil unserer Frauen immer noch nicht zur Einsicht gekommen ist und ihre Neugierde beherrscht. Es handelt sich doch nicht um ein Schauspiel, dessen Anblick man sich nicht entgehen lassen dürfte. Jeden Verwundeten muß es schmerzlich berühren, wenn er Gegenstand der Neugierde wird. Unsere tapferen Soldaten haben das aber nicht verdient. Man sieht zumeist solche Weibsbilder, an deren Kleidung und Aeußerm man gleich erkennen kann, daß sie besser täten, in diesen ernsten Tagen der Not zu arbeiten, anstatt Maulaffen feil zu halten. Da bis jetzt alle Ermahnungen fruchtlos geblieben sind, wäre es vielleicht angebracht, sämtliche Teilnehmer an einem solchen Menschenauflauf, der stets verkehrsstörend wirkt, auf Grund unserer Polizeiverordnung über Verkehrsstörung auf Straßen und Plätzen zu bestrafen. Vielleicht lernen sie es dann auf diesem Wege. Es tut dringend Not.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)