Freitag, 21. August 1914

In Lothringen war es zu heftigen Kämpfen gekommen, bei denen vor allem die Franzosen schwere Verluste erlitten hatten.

 

Der Freiwillige Hilfs-Ausschuß für durchfahrende Truppen hielt am Montag eine von etwa 300 Personen besuchte Versammlung ab über die wichtige Frage, wie der gegenwärtigen und in der nahen Zukunft noch zu erwartenden Arbeitslosigkeit wirksam vorgebeugt werden könne. Auf Grund dieser Besprechung hat Herr Prof. Wygodzinki nachstehende Leitsätze entworfen:

 

Arbeit ist besser als Almosen! Almosen drückt herab, Arbeit hebt! Wer arbeitsfähigen Menschen Arbeit geben kann, und stattdessen Almosen gibt, verschwendet unsere Arbeitskraft. Wir dürfen die Arbeitskraft des deutschen Volkes nicht verschwenden, denn von ihr leben wir alle. Auch die Wohlhabenden haben kein Einkommen mehr, wenn nicht die Arbeit des ganzen Volkes weiter geht.

 

Was kann man tun, um Arbeitsgelegenheit zu schaffen? 1. Entlaßt nicht Eure Dienstmädchen oder Kinderfräulein aus „Sparsamkeit“. Wer jetzt Mädchen auf die Straße setzt, kann dadurch die Schuld für ihren völligen Untergang auf sich laden 2. Wer gelegentlich Hilfskräfte hatte (Näherinnen, Wäscherinnen), wer seinen Kindern Musik- oder Sprachunterricht geben ließ, tue dies wie bisher. 3. Hunderte von Frauen sind durch die Einziehung ihrer Männer ins Feld oder durch Entlassung wegen Geschäftseinschränkung wirtschaftlich gefährdet. Beschäftigt diese Frauen wenigstens tageweise zur Aushilfe beim Waschen, beim Putzen oder zu anderen Zwecken im Haushalt. 4. Unsere Handwerker und Kaufleute müssen leben; sie müssen ihre Familien ernähren sowie die von ihnen beschäftigten Arbeiter und deren Angehörige. Gebt Handwerkern und Kaufleuten nach dem Maß eurer Mittel zu tun, sonst werden sie brotlos. Schränkt Euren Luxus ein, aber nicht Eure täglichen Bedürfnisse. Bezahlt auch die Rechnungen der Handwerker und Kaufleute sofort. 5. Es ist erhebend, in welchem Umfange sich jetzt die wohlhabenden Kreise zu unentgeltlicher ehrenamtlicher Tätigkeit melden. Eines aber darf nicht sein: es darf keine Arbeit ehrenamtlich getan werden, durch die bezahlte Arbeiter oder Arbeiterinnen verdrängt werden. Wer durch unentgeltliche Arbeit einen anderen brotlos macht, schadet statt zu nützen. 6. Was ihr tun wollt, tut sofort. Wartet nicht erst auf unsere Siege; vertraut auf Euer Vaterland. Der beste Wohltäter ist jetzt, wer Arbeit gibt.

 

 Der Krieg bringt es an den Tag! (...) Zum Bespiel sendet jetzt eine Firma, die „englischen“ Stahl in Deutschland verkaufte, an ihre Kunden ein Rundschreiben des Inhalts, daß sie mit der Firma in Sheffield, der angeblichen Fabrikantin des Stahls, infolge des Krieges alle Beziehungen abgebrochen habe. Der Stahl, den sie bisher ihren Kunden als „Sheffield-Stahl“ geliefert habe, könne sie aber trotzdem jederzeit weiterliefern, da dieser schon immer deutscher Stahl aus Westfalen gewesen sei und nur von Sheffield aus berechnet worden sei! – Jetzt werden ja auch wohl bald die „englischen“ Stoffe Farbe bekennen dürfen.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")

 

Ferienspiele. Unsere Jugend ist auf dem besten Weg, zuchtlos zu werden. Von vielen Seiten kommen Klagen. In unserer Stadt liegt ein großer Teil der Schuljugend noch drei Wochen auf der Straße. Wäre es da nicht zu empfehlen, wenn jetzt noch die alljährlich stattfindenden Ferienspiele abgehalten würden? Dann stände jedenfalls ein Teil der Jugend noch tagtäglich unter erzieherischer Aufsicht. Wenn auch eine große Zahl von Volksschullehrern unter der Fahne steht, so werden gewiß, so weit es nötig ist, geeignete Herren, Lehrer anderer Schulen usw. einspringen. W.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Eingesandt“)

 

Ein Feldpostbrief ist einem jungen Mädchen in Bonn zugegangen. Er ist auf ein Stück eines Lazarettbuches geschrieben und lautet:

Liebes Schätzchen! Endlich komme ich einmal dazu, dir zu schreiben. Hoffentlich hast Du meine Karten erhalten. Konnte an meinem letzten Brief nicht weiter schreiben, denn es ging schon wieder an die Arbeit. Es geht mir noch sehr gut, und wenn es nicht toller kommt mit der Arbeit, so ist es noch schöner als auf dem Kommando in (...) wir liegen hier Anzeige im General-Anzeiger vom 21. August 1914in einem kleinen Landstädtchen. Da haben sie am Montag drei Soldaten abgeschlachtet, trotzdem ein paar tausend Mann Militär hier lagen. Die Kerls, die das getan haben, wurden gleich aufgehängt. Wie fahren manchmal tagelang auf der Eisenbahn und sehen die Strecken nach. Da begegnet man allerhand Hindernissen, so z.B. Maschinen oder Waggons, die sie aufeinander haben fahren lassen. Auch haben sie kleinere Brücken gesprengt. Hier haben sie eine Ueberführung in die Luft fliegen lassen und wir können die jetzt wieder aufräumen. Da müssen wir nun alle Tage arbeiten. Die Zivilbevölkerung muß am Tage mithelfen, damit wir so schnell wie möglich fertig werden. Hoffentlich geht es Sonntag wieder weg von hier. Man hört hier sonst nicht das geringste vom Krieg. Wir setzen uns manchmal morgens in den Zug und kein Mensch weiß, wo es hingeht. Seit wir aus Deutschland weg sind, sind wir alle noch nicht aus den Kleidern gekommen. Dabei schwitzt man jeden Tag die Sachen durch und durch. Man muß sparsam sein mit der Wäsche. Ich bin noch gesund und außer dem Schnupfen fehlt mir nichts, auch am Essen und Trinken nicht.

 

Unsere Schuljugend hat auch schon seit einiger Zeit mobil gemacht. Allmorgendlich spielen sich u.a. im Hofgarten erbitterte Kämpfe zwischen Deutschen, Franzosen und Russen ab. Posten werden ausgestellt, Streifwachen ziehen umher, und das Hauptquartier, das meist auf dem großen Spielplatz aufgeschlagen ist, wird durch ein Zelt markiert, das aus Sackleinen, Handtüchern usw. zusammengesetzt ist. An Spionen fehlt es natürlich auch nicht. Die Zusammenstöße sind oft derart heftig, daß es faustgroße Beulen absetzt. Gestern morgen machte ein Deutscher seinem Oberst die Meldung, daß er einen „fiesen Spion aus der Hundsgaß“ abgefangen habe. Bei einem Gefecht, an dem sich etwa 80 Jungens beteiligten, erhielt ein Franzose eine gewaltige Ohrfeige. Der Franzose wurde nun auch blitzig und verdrosch seinen Gegner ganz gehörig. Kurz darauf wurde zum Sammeln geblasen, und der Geprügelte wurde als Anerkennung für sein mutiges Vorgehen vor versammelter Mannschaft zum Gefreiten befördert und erhielt auch gleich an Ort und Stelle „die Knöpp“.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

 

Bonner Rheinbrücke. Während in der ersten Zeit jeder mit Urlaubspaß die Rheinbrücke frei passieren durfte, wird jetzt eine Sonderung vorgenommen. Leute, die beurlaubt sind, sollen jetzt ihren Obolus entrichten, es soll jeder Soldat, der nicht dienstlich die Brücke passiert, seinen Fünfer hergeben. Was versteht die Verwaltung unter dienstlich? Schreiber dieses würde unter dienstlich auch die Einkäufe zu seiner Ausrüstung, Wege zum Bezirkskommando, überhaupt alles, was nur im geringsten mit Militaria zusammenhängt, verstehen. Wäre es nicht einfacher, jede Person, die zum Militär eingezogen ist, frei passieren zu lassen. Sinds auch nur 5 Pfennig, aber jeder Soldat zählt heute auch auf diese. Also, man sei nicht so engherzig, sondern folge dem Beispiel von Köln nach, wo jede Militärperson, ob dienstlich oder nicht, frei passieren darf. Ein Beurlaubter.

Bevorzugt deutsche Waren. Seit den Mobilmachungstagen hat sich der Deutsche wieder in besonderem Maße auf sein Nationalbewußtsein besonnen. Da ist die Mahnung am Platze: Deutscher, kaufe deutsche Sachen. Es ist klar, viele Waren, die unter französischer und englischer Flagge segeln, sind in Deutschland hergestellt. Sie tragen nur den doppelten Zoll, um der Einbildung und dem Vorurteil ihrer deutschen Abnehmer zu genügen. Englische Tuche, Seidenstoffe, Parfümerien, Spiel- und Sportzeuge – alles das wird in Deutschland ebenso gut und noch preiswerter hergestellt als im Auslande. – Natürlich darf man nicht so weit gehen, daß man von jetzt ab überhaupt kein ausländisches Erzeugnis kauft. Viele Kaufleute und Geschäfte haben in der Tat noch große Bestände ausländischer Waren auf Lager. Werden sie nicht abgenommen, so bedeutet das eine große volkswirtschaftliche Schädigung. Aber dann – wenn diese Waren verkauft sind, deutscher Kaufmann und deutscher Käufer: dann beherzige den Satz: Kaufe als Deutscher deutsche Waren. B.    

Unsere Söhne ziehen hinaus in Feindesland und lassen ihr Blut; und vergnügungssüchtige Damen – spielen Tennis. So stand’s in der Zeitung zu lesen: „Von heute an Tennis zu den gewöhnlichen Stunden“. Und zwar für die jungen Mädchen der Studienanstalt, die doch, wie man annehmen sollte, ernster gerichtet sind. Die Tatsache soll hier festgenagelt werden, das Urteil über ein solches Gebaren dürfen wir getrost den Lesern überlassen. R.C.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)

 

Steckbrieflich verfolgt werden von Bonn aus: (...) der Musketier Ernst Adolf Hesse, 7. Komp. Inf.-Reg. Rt. 160, geb. 2.6.1891 zu Groß-Lichterfelde (Kreis Teltow), zuletzt wohnhaft in Bonn, Infanterie-Kaserne, wegen Verdachts der Fahnenflucht, begangen in Bonn im Juli 1914.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)

 

Einquartierung. In der Bekanntmachung hieß es: Die Gemeinden sind angewiesen, wenn es nötig ist, die Anzeige in der DRZ vom 21. August 1914Einquartierungsgelder im Voraus zu bezahlen. Nun hatte ich Einquartierung: 2 Mann 7 Tage, bekam jedoch nur einen Zettel für 5 Tage. Als ich persönlich darum bat, den Zettel zu verlängern, erhielt ich zur Antwort, die Stadt wisse, daß das Regiment 7 Tage hier sei. Nun ging ich zur Rathausgasse, um mein Geld zu holen. Da hieß es: warten, warten und abermals warten, bis daß es in der Zeitung bekannt gemacht wird. Zuerst müsse einmal Geld da sein. Aber wer kann so lange warten? Doch nicht jedermann. Ich denke doch, wenn man die Leute sieben Tage gut verpflegt hat, und alles jetzt nur gegen Vorzahlung erhält, so könnte man auch von der Stadt am 9. Tage seine Entschädigung gezahlt bekommen. Es sind genug Herrschaften, die ein ganzes Haus zur Verfügung hatten, erhielten aber nicht mehr wie zwei Mann Einquartierung, die auch jeder Handwerker nehmen muß. Man solle doch bedenken, daß nur der arme Soldat darunter leiden muß, wenn der kleine Mann mit Einquartierung überlastet wird und dann nichts zuzusetzen hat, während manche reiche Herrschaft, die dazu in der Lage ist aus Bequemlichkeit sich vorbeidrückt. Die treuen Vaterlandsverteidiger haben doch gewiß Anspruch auf gute Verpflegung und ein gutes Nachtlager. Darum sollte auch gleich gesorgt werden, daß die Bürger ihre Kosten zurück erhalten. Falls die Herrschaften ihre Leute ausquartieren, so sollten sie doch auch einen anständigen Preis drauf zahlen, damit die armen Krieger auch gut verpflegt werden. Wer selbst den Gatten oder Kinder dabei hat, der weiß ja, was den Soldaten zukommt, und daß man da nicht sparen darf an der Verpflegung. Eine Mutter, die auch zwei Kinder dabei hat.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)